Von Jan Petermann/dpa
Es wäre ein Schreckensszenario für die gerade durchstartende, selbst ernannte "E-Offensive" der Autobauer: Immer mehr Verbraucher interessieren sich für das elektrische Fahren, doch die Batterie-Produktion kann kaum Schritt halten. Vom Anziehen der Nachfrage überrascht, könnten viele Anbieter Versorgungsprobleme bekommen - ähnlich wie aktuell bei Mikrochips. Zumindest das Risiko, später nicht die nötige Menge an Zellmodulen verfügbar zu haben, beschäftigt die Branche. Europas Hersteller weiten ihre Kapazitäten aus. Woher aber all die Rohstoffe für Akkus und Elektronik nehmen?
Eine Idee: mehr Materialien gleich auf dem Kontinent fördern, zumal in Zeiten brüchiger globaler Lieferketten und hoher Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten. Diesen Ansatz verfolgt etwa Eurobattery Minerals (EBM). Die schwedische Bergbau- und Erkundungsfirma will den Grad der Selbstversorgung mit Nickel, Kobalt und Kupfer für Batterien in E-Autos erhöhen. Ziel ist außerdem eine stärkere innereuropäische Gewinnung Seltener Erden, die zum Beispiel in Elektromotoren stecken.
Dabei geht es dem Unternehmen nach eigenen Angaben auch um die Standards beim Abbau. "Hauptlieferanten dieser Materialien sind derzeit China, Kongo und Chile, wo die Rohstoffe unter verheerenden Bedingungen gewonnen werden", so EBM. Nichtregierungs- wie UN-Organisationen haben die Ausbeutung unter teils haarsträubenden ökologischen und humanitären Umständen schon oft verurteilt, manche politischen Akteure ziehen auch mit Gewalt enorme Gewinne aus "Konfliktrohstoffen". EBM-Chef Roberto García Martínez verspricht einen "Fokus auf ethische Produktion und Rückverfolgbarkeit".
Batterie-Rohstoffe künftig aus Europa?
Doch selbst wenn die Kontrolle in Europa besser gelingen mag: Ist ein Rohstoffbezug ausschließlich aus eigenen Quellen angesichts der erwarteten Batterie-Volumina überhaupt realistisch? Martínez glaubt das. EBM hat mit Forschern Bergbauvorhaben in Schweden, Finnland und Nordspanien aufgelegt - seit kurzem ist die Firma auch in Deutschland börsennotiert. Besonders in Finnland sieht Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer ebenfalls noch mehr Potenzial im "Batterie-Bergbau" und in der Verarbeitung. Dort beteiligt sich auch BASF an Projekten.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hält ergänzende Förderung in Europa für wichtig. Ob eine Alleinversorgung bei hochlaufender E-Mobilität gelinge, sei jedoch eine andere Frage. "Man ist hier nach wie vor auch abhängig von anderen Lieferanten", so der Chef der Deutschen Rohstoffagentur in der BGR, Peter Buchholz. "Es ist gut, wenn in Europa zusätzlich eigene Kapazitäten aufgebaut werden. Nur müssen die Projekte kostenmäßig wettbewerbsfähig sein." Nickel werde in Kanada oder Australien "nach den besten verfügbaren Umwelt- und Sozialstandards" abgebaut. Und: "Finnland ist schon jetzt ein interessanter Standort für Nickel- und Kobaltverbindungen."
Ganz neu ist das Anzapfen heimischer Bestände also nicht. Felix Kuhnert von der Beratungsfirma PwC betont: "Volkswirtschaftlich ist es sinnvoll, eine europäische Lieferkette aufzubauen." Noch mehr als die Förderung der Rohstoffe sei aber "ihre Aufbereitung zu der in Batterien benötigten Reinheit in China zentralisiert - und würde von einem Aufbau europäischer Kapazitäten stark profitieren". Indirekt könnte das mithin Wettbewerbern in Fernost in die Hände spielen. "Der Aufbau von Fabriken für Batteriezellen hingegen erfolgt bereits so schnell, dass Mitte des Jahrzehnts Überkapazitäten drohen könnten."
Die EU macht Druck
Der deutsche Autobranchenverband VDA befürwortet eine zweigleisige Rohstoffstrategie. "Kurz- und mittelfristig ist eine Selbstversorgung in der EU unrealistisch. Zwar gibt es erste Projekte, doch befinden sich diese zum größten Teil noch im Planungsstadium", heißt es. Ein Zurückfahren der weltweiten Vernetzung sei keine Option: "Deutschland und Europa als exportorientierte Standorte sind auf offenen Grenzen angewiesen. Ein Prinzip der Abschottung oder reiner Regionalisierung widerspricht dem Erfolgsmodell der europäischen Wirtschaft."
Die Anforderungen an regionale Wertschöpfung und kurze Transportwege wachsen indes. Und auch die EU macht beim Batteriezell-Thema Druck: In der Rohstoffallianz ERMA laufen Gespräche über eine sicherere Versorgung mit wertvollen Mineralien. Der Vizechef der EU-Kommission, Maros Sefcovic, und Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton gaben Ende September den Start des Bündnisses bekannt. Verbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können der Allianz beitreten.
Recycling wird immer wichtiger
Langfristig spielt auch eine Rolle, wie gut ausgediente Batterien wiederverwertet werden. "Bei einem Wachstum des jährlichen Bedarfs an neuen Batterien von heute 40 Gigawattstunden auf 500 Gigawattstunden bis 2030 und einer Haltedauer von über sieben Jahren ist die Rohstoff-Frage anfangs nicht über Recycling zu lösen", so Kuhnert. Es sei sinnvoll, in Pilotprojekten schon geschlossene Wertstoffketten aufzubauen. "Aber eine Industrialisierung dieser Wertstoff-Kreisläufe stellt die Autohersteller vor große Herausforderungen."
VW etwa investiert bereits in das Thema. In Salzgitter, wo neben der zentralen Motorenfabrik bald eine eigene Zellproduktion steht, läuft das Recycling von Batterierohstoffen nun versuchsweise an. Es geht um Aluminium, Stahl und Kupfer, aber auch um Nickel, Mangan und Kobalt.
Statt eines energieintensiven Nachschubs durch weiteren Bergbau und globale Transporte sollen die Stoffe aus Altteilen gewonnen und mit "Second-Life-Konzepten" weitergenutzt werden. Bisherigen Plänen zufolge will man hier 1.200 Tonnen Batterien pro Jahr recyceln. Vorstandschef Herbert Diess hat im Konzern eine Gesamtverantwortung von der Beschaffung über den Bau bis zur Zweitverwendung ausgerufen. Am Freitag will Technikvorstand Thomas Schmall zum Start der Anlage weitere Details und Ziele vorstellen. In die Batteriezell-Fertigung in Salzgitter steckt Volkswagen mehr als eine Milliarden Euro.