Politik und Autoindustrie wollen ihre Anstrengungen für einen Durchbruch der Elektromobilität verstärken. Dabei geht es um den schnelleren Aufbau eines flächendeckenden Netzes an Ladestationen für E-Autos. Im Gespräch war auch eine deutliche Anhebung der Kaufprämie für E-Fahrzeuge. An einem Spitzentreffen am Montagabend im Kanzleramt wollten neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mehrere Bundesminister und Ministerpräsidenten teilnehmen, dazu die Chefs von Autoherstellern, Zulieferern und Gewerkschaften.
Merkel kündigte vor dem "Autogipfel" an, sie wolle sich dafür einsetzen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur zügiger vorankommt. "Wir werden als Bund erhebliche Anstrengungen übernehmen", sagte sie bei der Eröffnung der Produktionslinie des neuen VW-Elektromodells ID.3 in Zwickau. "Wir glauben, dass wir das politisch flankieren müssen." Aber auch die Auto- und die Energieindustrie seien gefordert. Mehr Ladepunkte und Kaufanreize für E-Autos seien zwei wesentliche "Schrauben", an denen man drehen müsse, damit der E-Mobilität in Deutschland der Durchbruch gelingen könne.
Der Stand der Elektromobilität:
Im "Autoland" Deutschland dominieren nach wie vor Benziner und Diesel auf den Straßen. Das aber soll sich ändern. Denn ein Erfolg der Elektromobilität ist aus mehreren Gründen eine Schicksalsfrage - nicht nur beim schwierigen Umbruch der Autobranche als Schlüsselindustrie mit Hunderttausenden Beschäftigten, sondern auch für die Klimapläne der Bundesregierung.
Zwar finden Elektroautos zunehmend Käufer. Von Januar bis Oktober wurden knapp 53.000 reine E-Autos zugelassen, rund 89 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts hervorgeht. Die Gesamtzahl der Neuzulassungen aber lag bei rund drei Millionen Autos.
Um die Klimaziele zu schaffen, sind aber bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland notwendig, wie aus einem "Masterplan Ladeinfrastruktur" der Bundesregierung hervorgeht. Mehr E-Autos sind auch deswegen nötig, damit Deutschland im Verkehr Klimaziele 2030 schafft. Damit mehr Menschen sich ein E-Auto kaufen, soll es ab 2021 auch einen CO2-Preis im Verkehr geben - Sprit wird dadurch teurer.
Allerdings bezweifeln viele Kritiker angesichts des niedrigen Einstiegspreises, ob dieser wirkt. "Alleine mehr Ladesäulen bringen E-Mobilität und Klimaschutz nicht voran, dazu entwickelt das katastrophal schwache Klimaschutzpäckchen der Bundesregierung viel zu wenig Lenkungswirkung", sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Der Ausbau der Infrastruktur für E-Autos müsse gekoppelt werden an ein verbindliches Enddatum für Diesel und Benziner.
Die Ladeinfrastruktur:
Als eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg von E-Autos sehen Regierung und Branche ein dichtes Ladenetz. Autofahrer sollen E-Autos künftig in ganz Deutschland schnell aufladen können und nicht warten müssen. Für den Hochlauf der E-Mobilität bedürfe es einer "angemessenen, verbraucherfreundlichen und verlässlichen Ladeinfrastruktur", heißt es im "Masterplan". Dies sei entscheidend für die Kaufentscheidung der Verbraucher.
Derzeit gibt es rund 21.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte - vor allem auf dem Land muss man derzeit aber oft lange suchen. Bei vielen Autofahrern gibt es eine "Reichweitenangst" - dass sie mit einem E-Auto nicht an ihr Ziel kommen können, weil es nicht genügend Ladestationen gibt.
Das Ziel der Bundesregierung: Bis 2030 soll es eine Million öffentliche Ladepunkte geben. Die Förderung soll intensiviert werden - damit es zum Beispiel mehr Ladepunkte an Kundenparkplätzen etwa an Supermärkten gibt. An allen Tankstellen sollen auch Ladestationen angeboten werden. Die Autoindustrie will mehr Ladepunkte auf ihren Betriebsgeländen und im Handel bauen.
"Wir wissen: Wir müssen schneller werden", sagte Merkel. "Die Genehmigungsprozesse für Ladeinfrastruktur dürfen nicht ein oder zwei Jahre dauern." Auch für private Ladestationen müsse man über eine Anschubfinanzierung nachdenken.
Der Umbruch in der Autoindustrie:
Viele in der Branche sprechen von einem historischen Umbruch: den Wandel von Benzinern und Diesel hin zu alternativen Antrieben wie E-Autos. Lange hat vor allem die deutsche Autoindustrie auf den Diesel gesetzt. Die Branche, allen voran Marktführer VW, konzentriert sich nun aber mittel- und langfristig voll auf E-Autos.
Der Umbruch ist ein Spagat. Die Hersteller müssen Milliarden in die Elektromobilität investieren. Für E-Autos aber sind weniger Jobs nötig, weil es viel weniger Komponenten gibt. Und die E-Mobilität wirft bisher kaum Geld ab - das meiste Geld verdient die Branche nach wie vor mit spritschluckenden SUV. Zugleich ist die Nachfrage in wichtigen Absatzmärkten zurückgegangen. Das trifft bisher vor allem Zulieferer. Es gibt bereits Kurzarbeit und die Ankündigung von Arbeitsplatzabbau.
Die Gewerkschaft IG Metall forderte vor dem "Autogipfel" mehr Flankenschutz, vor allem für angeschlagene Autozulieferer. Ein Sprecher sagte: "Kleine und mittlere Unternehmen, die vom Umstieg auf die Elektromobilität besonders betroffen sind und denen Banken kein Geld mehr zur Verfügung stellen, müssen über Fonds Zugang zu Kapital bekommen." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Mitglied im VW-Aufsichtsrat, sagte: "Vor uns liegt eine extrem anspruchsvolle Zeit für die deutsche Automobilindustrie, die politisch aktiv begleitet werden muss."