Von Michael Gebhardt/SP-X
Das Gros der Elektroautofahrer lädt seine Fahrzeuge derzeit zu Hause oder in der Firma; an einer Wallbox, die zwar flott aber nicht übertrieben schnell Energie in den Akku pumpt. Wer mit dem Stromer allerdings weitere Strecken zurücklegt, ist auf Schnellladesäulen angewiesen. Die Technik ist faszinierend, mit bis zu 250 Kilowatt Leistung beispielsweise wird der Porsche Taycan druckbetankt und ist nach nur etwas mehr als 20 Minuten wieder einsatzbereit. Um den Strom allerdings derart zügig ins Auto bringen zu können, muss ein ziemlich dickes Kabel zur Ladesäule führen. Das lässt sich entlang der Autobahnen oder auf der grünen Wiese recht leicht verlegen, im städtischen Bereich aber müssten dafür vielerorts ganze Straßenzüge aufgerissen werden – das ist teuer und umständlich.
Um auch dort schnell Laden zu können, wo die Leistung des vorhandenen Stromnetzes nicht ausreicht, muss also ein Zwischenspeicher her. Eine Batterie beispielsweise, die ihre Energie im Schnellmodus abgeben kann. Nur ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass Akkus relativ schnell verschleißen und die Herstellung nicht gerade umweltfreundlich ist. Das israelische Start-up Chakratec hat jetzt einen Zwischenspeicher vorgestellt, der rein mechanisch arbeitet, ohne teure oder selten Rohstoffe auskommt und dazu noch deutlich länger haltbar ist: der "Kinetic Power Booster" (KPB).
"Stellen Sie sich einfach einen herkömmlichen Spülkasten für eine Toilette vor", beginnt Nir Zohar gerne seine Erklärung und erntet damit nicht selten fragende Blicke. Doch das Beispiel, das Chakrateks Technik-Chef zur Hilfe zieht, ist ziemlich treffend. Die von Zohar und seinem Team entwickelte "kinetische Batterie" funktioniert tatsächlich so ähnlich wie eine Toilettenspülung. Der Wasserdruck in der heimischen Leitung reicht in der Regel auch nicht aus, um die Toilette zu reinigen. Also haben findige Geister schon vor mehreren hundert Jahren einen Zwischenspeicher erfunden, der mit wenig Druck langsam vollläuft, um dann bei Bedarf kurzfristig einen kräftigen Wasserschwall abzugeben.
Chakratecs Spülkasten ist ein Schwungradspeicher: Ein vom Stromnetz gespeister E-Motor setzt eine Scheibe in Gang, die immer mehr Fahrt aufnimmt bis sie schließlich mit rund 16.000 bis 18.000 Umdrehungen pro Minuten rotiert. Das klingt im ersten Moment unspektaktulär, doch wieviel Energie in so einem Brummkreisel steckt, wird deutlich, wenn man den Strom abschaltet: Rund vier Tage lang dreht sich das in einer Art schwarzem Tank unter Vakuum und mit extrem reibungsarmen Lagern versehene Schwungrad dann noch weiter.
Kurzzeitig mehr Leistung
Dass der Input-Strom abgeschaltet wird, ist allerdings nicht vorgesehen: "Der KPB soll keine Ausfälle des Stromnetzes überbrücken, sondern kurzzeitig mehr Leistung zur Verfügung stellen, als es die normale Leitung kann", so Zohar. Durch den Dauer-Anschuss können auch Leistungsspitzen gut abgefangen werden, außerdem ist die nötige Erhaltungsladung, wenn die Räder einmal mit voller Kraft laufen, recht gering. Sobald ein Elektroauto an der angeschlossenen Ladesäule andockt, wird das Spiel umgedreht, Dann treibt nicht mehr der E-Motor das Schwungrad an, sondern der Motor wirkt als Generator und erzeugt Strom.
Der Prototyp, den Chakratec am Firmensitz in Tel Aviv aufgebaut hat, hängt an einem 50-kW-Stromnetz, die kinetischen Speicher können aber kurzfristig bis zu 100 kW Leistung abgeben. Zum Laden eines Autos wird der Strom aus der Leitung und vom Schwungrad kombiniert, also kann der Akku mit bis zu 150 kW getankt werden – damit wäre ein Audi e-tron in knapp einer halben Stunde voll. Haben die Schwungräder ihr Pulver verschossen, lädt das Auto nur noch mit der maximalen Kraft des Stromnetzes weiter.
Aktuell speichern die zehn in einem Schiffscontainer untergebrachten Schwungräder rund 30 kWh; für die ab Mitte 2020 erhältliche KPB-130-Version hat Chakratec 25 Kreiselspeicher in den Container gepackt, hier können dann 75 kWh Strom zwischengeparkt werden; der maximale Output soll bei bis zu 180 kW liegen. Zohar gibt sich zuversichtlich: "Wer mit einem großen Andrang an E-Autos rechnet, stellt einfach zwei oder mehr Container auf." Dass dafür gerade im städtischen Raum erstmal der nötige Platz vorhanden sein muss, steht auf einem anderen Blatt.
Erster KPB steht in Wien –Skoda zieht nach
Überzeugt hat die Idee bereits den Flughafen Wien, wo der erste Kinetic Power Booster in Betrieb ging, und in wenigen Wochen stellt Skoda einen der Stromspeicher in Prag auf – rechtzeitig zum Start ihrer ersten Elektroautos Citigo-e und Superb Plug-in-Hybrid. Außerdem ist Chakratec in Deutschland mit einer Hotelkette im Gespräch, die ihre Garagen mit den Schwungradspeichern ausrüsten will. Für wen sich der KPB tatsächlich lohne, hänge allerdings immer vom Einsatzzweck ab, so Zohar. Denn: Wenn nur ein oder zwei Autos am Tag zum Laden vorbeikommen, rechnet sich das System gegenüber klassischen Akkus kaum.
Schließlich kostet die Technik rund 2.000 US-Dollar – pro Kilowattstunde. Eine herkömmliche Lithium-Ionen-Batterie schlägt dagegen nur mit etwa 300 Dollar zu Buche. Seinen Vorteil spielt der KPB über die Lebensdauer aus: Während ein Akku nach rund 2.000 Ladezyklen ausgetauscht werden muss, sollen die Schwungräder locker 200.000 Ladungen und Entladungen aushalten. Die Kosten pro Ladevorgang sinken dadurch von rund 15 US-Cent pro Kilowattstunde auf nur mehr einen Cent.