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Fahrbericht Lucid Air Pure RWD: Weniger bringt mehr

08.07.2024 13:31 Uhr | Lesezeit: 3 min
Um neue Tekkies zu gewinnen, erweitert Lucid die Air-Baureihe um die neue Einstiegsvariante Pure RWD ab 85.000 Euro.
© Foto: Lucid

Mit Preisen im sechsstelligen Bereich kommt E-Spezialist Lucid für die wenigsten in Frage. Einen größeren Kundenkreis soll jetzt das neue Einstiegsmodell ansprechen.

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Der Weg vom Start-up zum etablierten Player ist steinig. Diese schmerzhafte Erfahrung durchlebt gerade Lucid. Die junge Elektromarke mit Sitz in Kalifornien ist vor allem Tekkies ein Begriff. Menschen also, die das Erstlingsmodell Lucid Air für seine technischen Errungenschaften feiern und fahren. In der Tat steckt in der Oberklasselimousine Spitzentechnologie, mit der wenige Traditionshersteller mithalten können. Doch bei Preisen jenseits der 100.000 Euro sind nur wenige bereit, das Risiko einzugehen, das mit dem Kauf einer noch jungen Marke verbunden ist. Um neue Tekkies zu gewinnen, erweitert Lucid die Air-Baureihe um die neue Einstiegsvariante Pure RWD ab 85.000 Euro.

Das kalifornische Start-up, das ursprünglich für den Bau von E-Auto-Batterien gegründet wurde, verweist gerne auf die hohe Fertigungstiefe seiner Fahrzeugentwicklung. Im Gegensatz zu vielen etablierten Playern, die einen Großteil der Ingenieursarbeit an Zulieferer auslagern, werden rund 80 Prozent der Teile in der Zentrale an der San Francisco Bay entwickelt. Das beeindruckendste Bauteil ist dabei die Antriebseinheit. Der Elektromotor wiegt nur 31 Kilogramm und ist etwa so groß wie ein Schulranzen, kann aber auf bis zu 670 PS hochgezüchtet werden. Das eröffnet ein breites Leistungsspektrum und schafft Platz in der Kabine und im Kofferraum.


Lucid Air Pure RWD

Lucid Air Pure RWD (2024) Bildergalerie

Lucid Air beeindruckt fahrdynamisch

Dieses kleine Kraftpaket bekommt der neue Lucid Air Pure mit Hinterradantrieb in der Leistungsstufe mit 325 kW/442 PS. Damit ist der Ami zwar nicht ganz so flott unterwegs wie seine allradgetriebenen Schwestermodelle. Aber für jeden Normalo ist auch diese Variante immer noch sauschnell. Aus dem Stand sprintet er in 4,7 Sekunden auf 100 km/h.

Dabei arbeitet die Traktionskontrolle hart an den Hinterreifen, um die 550 Newtonmeter Drehmoment verlustfrei auf die Straße zu bringen. Zum Vergleich: Der Air Touring (ab 99.000 Euro) mit Doppelmotor und 4x4 schafft den Sprint in 3,6 Sekunden, die technische Speerspitze Air Sapphire (ab 250.000 Euro) mit irrationalen 1.940 Newtonmetern Drehmoment und drei Motoren fliegt in 2,0 Sekunden auf Tempo 100.


Lucid Motors Gravity (2024)

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Doch selbst das einmotorige Einstiegsmodell beeindruckt fahrdynamisch, und dies auch jenseits der Richtgeschwindigkeit. Schließlich hat Lucid als Batterielieferant der Formel E gelernt, effizient mit Energie umzugehen. Über den gesamten Geschwindigkeitsbereich bis zur Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h hat die E-Limousine genügend Reserven für flotte Überholmanöver. Dabei bleibt sie mit rund 16,5 kW/h bei ersten Testfahrten erstaunlich sparsam. Damit bietet der Air den Angaben zufolge die größte Reichweite unter den Elektrofahrzeugen. Im kombinierten Mix schafft der Basis-Lucid 747 Kilometer, bevor die Batterie leer ist. An einer Schnellladestation soll das Fahrzeug in 20 Minuten eine Reichweite von 400 km erreichen.

Lucid Air: nur zwei Rekuperationsstufen

Gewöhnungsbedürftig ist die ständig präsente regenerative Bremse. Es gibt nur zwei Rekuperationsstufen, Standard und High, wobei letztere als besonders effektive Einpedalstufe dient. Eine Segelfunktion fehlt mit der Begründung, dass die kontinuierlich aktive Energierückgewinnung durch wiederholtes Verzögern wichtiger sei als eine möglichst gleichmäßige Reisegeschwindigkeit. Wir sehen das anders.

Tadellos dagegen das vergleichsweise konventionelle Fahrwerk, das einer aktiven Luftfederung erstaunlich nahekommt. Der Lucid liegt satt auf der Straße, schluckt trotz der großen 19-Zoll-Räder unaufgeregt alle Unebenheiten und neigt sich in Kurven kaum zur Seite.


Lucid Air (2023)

Lucid Air Bildergalerie

Der immer noch hohe Einstiegspreis der Limousine lässt einen Hauch mehr Luxus in der Kabine erwarten. Dennoch ist der Innenraum geschmackvoll gestaltet und das Lederimitat wertig verarbeitet. Wie bei vielen modernen Elektroautos gibt es keinen Startknopf. Man steigt ein, schnallt sich an, stellt den Schalthebel an der Lenksäule auf D und fährt los. Auf dem Hochkantdisplay in Kniehöhe steuert man die Fahrmodi, verändert die Assistenzeinstellungen oder lässt sich die Navikarte groß anzeigen. Auf Wunsch schwenkt es elegant in die Konsole ein und gibt ein praktisches Ablagefach frei.

Lucid Air: viel Platz wie eine Mercedes S-Klasse

Viel Platz im Innenraum wird oft als Vorteil von Elektroautos genannt. Doch die Entwickler von Lucid heben diesen Aspekt auf eine neue Ebene. So bietet der Lucid Air den Passagieren etwa so viel Platz wie eine Mercedes S-Klasse, obwohl er fast 30 Zentimeter kürzer ist als der deutsche Oberklasse-Standard. Zudem verfügt der Pure über einen riesigen Kofferraum unter der Fronthaube. Wo sonst gerade mal Platz für Ladekabel ist, bietet Lucid hier zusätzlich zum Kofferraum ein vollwertiges Gepäckabteil mit 283 Litern Volumen.

Serienmäßig an Bord sind nur wenige Features wie die 12-fach elektrisch verstellbaren, beheizbaren Vordersitze oder ein Audiosystem mit 9 Lautsprechern. Weitere Komfortextras wie Soft-Closing-Türen, Sitzheizung im Fond, Vier-Zonen-Klimaautomatik sowie ein Sound-Upgrade mit 21 Lautsprechern und Dolby-Atmos-Unterstützung sind aufpreispflichtig. Auf das durchgehende Panorama-Glasdach der höheren Varianten müssen Air-Pure-Kunden ganz verzichten.


Lucid Air Sapphire

Lucid Air Sapphire Bildergalerie

Wie alle Start-ups kämpft auch Lucid mit Gegenwind, wenn es darum geht, seine Produktion auf eine profitable Größe zu skalieren. Die schwindelerregende Zahl von Newcomern vor allem aus China oder jüngste Pleiten wie die von Fisker helfen dem amerikanischen Emporkömmling hierzulande nicht gerade dabei, das Vertrauen der risikoscheuen Kunden zu gewinnen. Doch obwohl der Air Pure mit Hinterradantrieb nicht annähernd die technische Maßlosigkeit bietet wie seine hochpreisigen Geschwister: Er macht wenige Kompromisse und ist womöglich genau deshalb die beste Variante der Baureihe.

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