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Wie funktioniert eigentlich: Das Sperrdifferenzial

01.04.2025 09:00 Uhr | Lesezeit: 8 min
Moderne aktive Sperrdifferenziale arbeiten vorausschauend: Über elektrohydraulische oder elektromotorische Aktuatoren wird das Sperrmoment kontinuierlich an die Fahrsituation angepasst.
© Foto: Audi

Sperrdifferenziale haben in Fahrzeugen an den angetriebenen Achsen die Aufgabe, die Kraftverteilung zwischen den Rädern zu optimieren. Ziel ist es, die Traktion zu verbessern und dabei Fahrsicherheit und Agilität zu erhöhen. Und so funktioniert es.

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Ein Differenzial - auch Ausgleichsgetriebe genannt - ist ein unerlässliches Bauteil im Pkw, um bei Kurvenfahrten unterschiedliche Drehzahlniveaus an den Rädern einer Achse zuzulassen. Ohne diese Ausgleichsfunktion käme es zu Verspannungen im Antriebsstrang, die zu erhöhtem Reifenverschleiß oder Getriebeschäden führen können. Dieser Vorteil kann allerdings auch problematisch sein: Wenn ein Rad auf glattem Untergrund durchdreht, leitet ein offenes Differenzial die gesamte Antriebskraft an dieses Rad - das gegenüberliegende Rad mit Grip bleibt nahezu kraftlos. Hier kommt das Sperrdifferenzial ins Spiel, das den Kraftfluss wiederum zugunsten der Traktion regeln kann. Grundsätzlich begrenzen Sperrdifferenziale die Differenzdrehzahlen zwischen den Rädern einer Achse, um so das Durchdrehen einzelner Räder zu verhindern oder zu verringern.

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Die Geschichte des Sperrdifferenzials reicht bis in die Anfänge des Motorsports und der Geländefahrzeuge zurück. Bereits in den 1930er und 1940er Jahren entwickelten Hersteller wie ZF, später auch Porsche und Audi, mechanische Lösungen zur Verbesserung der Traktion unter extremen Bedingungen. Meist handelte es sich dabei um Lamellensperren, bei denen Reibscheiben über Federkraft oder hydraulische Aktuatoren eine Sperrwirkung erzeugen.

Mechanische Sperrdifferenziale: Aufbau und Wirkungsweise

Rein mechanisch funktioniert ein Sperrdifferenzial, indem es die Drehzahldifferenz zwischen den angetriebenen Rädern begrenzt. Dazu kommen meist Reibelemente wie Lamellenpakete zum Einsatz, die mit dem Differenzialgetriebe gekoppelt sind. Wenn sich eines der Räder deutlich schneller drehen will als das andere – etwa weil es Traktion verliert –, wird über Rampen, Schrägverzahnungen oder das anliegende Drehmoment ein axialer Druck auf die Lamellen ausgeübt. Diese pressen sich zusammen und erzeugen Reibung, die das Differenzial „sperrt“. Dadurch wird ein Teil des Antriebsmoments auf das besser haftende Rad umgeleitet. Die Sperrwirkung ist dabei abhängig vom Differenzialtyp und kann starr (z. B. 100 Prozent gesperrt) oder variabel (z. B. 25 - 75 Prozent) ausgelegt sein.


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Sperrmechanismen: Statische vs. variable Sperrwirkung

In sportlichen Anwendungen werden häufig asymmetrische Sperren eingesetzt, die z. B. beim Beschleunigen eine stärkere Sperrwirkung haben als beim Verzögern. Dies verbessert nicht nur die Traktion, sondern auch das Eigenlenkverhalten: Das Fahrzeug lenkt beim Herausbeschleunigen aus Kurven stabiler und kontrollierter ein. Bei Allradfahrzeugen übernehmen Mittendifferenzialsperren eine ähnliche Funktion zur Momentenverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse - bei Geländefahrzeugen oft ergänzt durch manuell zuschaltbare Längs- und Quersperren.

Mit dem Aufkommen elektronischer Steuerungen in den 1990er und 2000er Jahren kamen so genannte EDS-Systeme auf den Markt. Diese elektronischen Differenzialsperren nutzen gezielte Bremseingriffe, um durchdrehende Räder abzubremsen und dadurch mehr Drehmoment auf das gegenüberliegende Rad zu übertragen. Sie sind platzsparend, per Software regelbar und vor allem für Fahrzeuge mit Frontantrieb geeignet. Allerdings fehlt ihnen eine dauerhafte Sperrwirkung bei hoher Belastung, da die Bremse thermisch überlastet werden kann.

Mechanische vs. elektronische Sperrdifferenziale

Mechanische Sperrdifferenziale bieten den Vorteil der unmittelbaren, rein physikalischen Wirkung – sie reagieren ohne Verzögerung, benötigen keine Sensorik oder Steuerlogik und funktionieren auch dann zuverlässig, wenn elektronische Systeme an ihre Grenzen stoßen, etwa bei extremen Temperaturen, hohen Belastungen oder in besonders rauem Terrain. Ihre Sperrwirkung ist dauerhaft und unabhängig von Bremseneingriffen verfügbar, was im Motorsport oder bei Offroad-Fahrzeugen ein entscheidender Vorteil sein kann. Zudem sind sie in ihrer Wirkweise für erfahrene Fahrer gut einschätzbar. Elektronische Systeme hingegen bieten mehr Flexibilität und Komfort, können situativ eingreifen und lassen sich softwareseitig feinabstimmen – doch sie bleiben auf die Unterstützung durch Steuergeräte, Sensoren und Bremskomponenten angewiesen. Mechanische Sperrdifferenziale punkten somit durch Robustheit, Direktheit und Dauerhaltbarkeit, während elektronische Lösungen durch Variabilität, Regelbarkeit und Integration in moderne Fahrassistenzsysteme überzeugen.

Moderne aktive Sperrdifferenziale arbeiten vorausschauend: Über elektrohydraulische oder elektromotorische Aktuatoren wird das Sperrmoment kontinuierlich an die Fahrsituation angepasst. In sportlichen Anwendungen ermöglicht dies nicht nur die Stabilisierung bei Traktionsverlust, sondern auch die gezielte Manipulation der Fahrdynamik - zum Beispiel durch Torque Vectoring. Dabei wird das kurvenäußere Rad gezielt stärker angetrieben, um das Fahrzeug aktiv „in die Kurve zu drücken“ und die Agilität zu erhöhen.

Sperrdifferenziale in Elektrofahrzeugen

Mit der Elektromobilität hat sich die Idee der Sperrdifferenzial-Funktion weiterentwickelt. Elektrische Antriebe ermöglichen eine radindividuelle Momentenregelung - insbesondere bei Allradsystemen mit je einem Motor pro Achse oder sogar pro Rad. Softwaregesteuerte „virtuelle Differenziale“ ersetzen dabei mechanische Sperren vollständig. Die Momentenverteilung erfolgt präzise und verzögerungsfrei und verbessert sowohl die Traktion als auch die Balance zwischen Stabilität und Dynamik - etwa beim Beschleunigen aus engen Kurven oder auf rutschigem Untergrund.

Was als rein mechanische Lösung begann, ist heute ein zentrales Element moderner Antriebsarchitekturen. Das Sperrdifferenzial - ob mechanisch, elektronisch oder virtuell - ist ein Schlüsselelement für eine intelligente, situationsabhängige Kraftverteilung. Seine Entwicklung vom Lamellenpaket zum softwaregesteuerten Torque Vectoring spiegelt den tiefgreifenden Wandel im Bereich der Fahrdynamiksysteme wider.


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