Bis zu 1,3 Millionen Pkw in Deutschland könnten einer Schätzung zufolge von Fahrverboten für ältere Diesel betroffen sein - falls Gerichte in dutzenden weiteren Städten die Regeln verschärfen. Diese Schlussfolgerung ziehen die Grünen aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage ihrer Bundestagsfraktion, über die zuerst die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten.
Bei den Zahlen sind allerdings Pendler nicht berücksichtigt, die aus dem Umland in die Stadt fahren. Zudem müssten Verwaltungsgerichte in allen betroffenen Kommunen Fahrverbote wegen zu hoher Schadstoffwerte in der Luft verhängen. Unklar bleibt auch, ob das neue Konzept von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) neben Software-Updates möglicherweise doch auch Hardware-Umbauten an Dieselmotoren umfasst. Er hatte dies über Monate abgelehnt - ebenso wie die Autoindustrie.
Der Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer forderte: "Nur über eine Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Dieseln kann jetzt das Schlimmste noch verhindert werden." Finanzieren sollten das in jedem Fall nicht die Steuerzahler, sondern die Autobauer. "Sie haben billige Technik bei der Abgasreinigung eingebaut und dadurch ihre Gewinne erhöht."
Nach Angaben des Verkehrsministeriums waren zum Jahresbeginn in den 43 am stärksten mit Stickoxid belasteten Städten rund 475.000 Autos mit der Abgasnorm Euro 4 zugelassen. Mit der Euro-5-Norm fuhren dort demnach etwa 840.000 Fahrzeuge. Die Auflistung lag auch dpa vor.
Auch kleinere Orte betroffen
Unter den stark belasteten Städten sind Berlin, Hamburg, München und Köln ebenso vertreten wie kleinere Orte - etwa Reutlingen, Düren, Mühlacker oder Schwerte. In Hamburg gibt es schon ein begrenztes Fahrverbot, für Stuttgart und Frankfurt/Main sind Verbote absehbar.
Es wird weiter darüber gestritten, ob auch Abgas-Hardware bei Dieseln nachgerüstet werden soll. SPD, Grüne, Linkspartei und FDP sind dafür, Teile der Union vor allem in den Ländern ebenso, die AfD ist dagegen.
Der Deutsche Städtetag kritisierte die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Scheuer zur Diesel-Krise scharf. "Wir haben uns über lange Zeit von der Bundesregierung alleingelassen gefühlt", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der "Welt am Sonntag".
Nach einem Gespräch mit der Kanzlerin am Donnerstag hatte Scheuer ein Konzept für technische Verbesserungen alter Diesel angekündigt: "Wir werden uns technische Gedanken machen, wie wir bestehende Fahrzeuge noch sauberer bekommen." Weitere Details nannte er noch nicht. Dazu sagte Dedy: "Falls das Konzept auch Hardware-Nachrüstungen von älteren Dieselautos vorsieht, ist das der richtige Weg." Aber bezahlen dürften das weder die Steuerzahler noch die Autofahrer. Laut "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung" gibt es Überlegungen, Hardware-Umbauten gezielt an schadstoffbelasteten Orten anzustreben.
Autokonzerne sollten Umrüstung nicht selbst vornehmen
"Alle Anstrengungen sollten sich auf das knappe Dutzend Hot-Spots konzentrieren, die Städte und Ballungsgebiete, wo die Stickoxide mittelfristig zu hoch sind", sagte der VW-Lobbyist und frühere Regierungssprecher Thomas Steg dem Blatt. "Ausgeschlossen" sei aber, dass die Autokonzerne selbst die Umrüstung unternehmen.
Bei Daimler sind neue Software-Varianten für mehrere hunderttausend Mercedes-Autos in Europa nun behördlich freigegeben. Für rund 700.000 Dieselwagen hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer illegalen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung einen Rückruf angeordnet. Daneben gebe es eine freiwillige Aktion, teilte Daimler mit. Insgesamt habe man mehrere hundert Programmversionen entwickelt.