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Formel E in Monaco: Raubtier mit Stecker

15.05.2017 15:10 Uhr
Jaguar Formel E
Schnell aber leise: Die Formel E bricht mit Hörgewohnheiten.
© Foto: Jaguar

Die junge elektrische Rennserie FIA Formel E gewinnt mit den Stadtkursen wachsenden Zuschauerzuspruch. In dieser Saison stieß als legendäre Motorsportmarke auch Jaguar dazu und nutzt die Rennen als Entwicklungslabor für die Straße.

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Von Alexandra Felts/SP-X

Man hört nichts. Und dann plötzlich ist es da - dieses sirrende Pfeifen, während die elektrischen Rennwagen die lange Zielgerade vor der legendären engen Rascassekurve mit annähernd 200 Stundenkilometer passieren. Die lebhaften Kommentatoren und auch die rollwiderstandsarmen Spezialreifen von Michelin sind lauter als diese Batterieboliden, die nur auf den ersten Blick ihrer Verwandtschaft aus der Formel 1 wie ein Ei dem anderen gleichen. Die Monegassen sind verwöhnt, denn bei ihnen findet das berühmtest Stadtrennen der Königsklasse im Motorsport statt. Aber trotzdem sind die Tribünen - sogar einige Yachten im Hafen - fast bis auf den letzten Platz gefüllt, drängen sich Menschen auf Balkonen oder hängen hoch oben über der Mauer beim Fürstenpalast, um das Spektakel zu erleben. Auch die Zahl der beiwohnenden Säuglinge ist bemerkenswert. Sogar die Nichte von Gastgeber Fürst Albert hatte ihr Kleinkind stilbildend dabei. Es gibt in dieser motorisierten Fast-Stille auch keinen Geräuschpegel, der einem kleinen Trommelfell schaden dürfte. Sieht so die Zukunft einer Sportart aus, die bei den Verbrennerserien schon heute gegen schwindende Zuschauerzahlen ankämpfen muss?

"Eindeutig ja", sagen James Barclay, Teamchef des Panasonic Jaguar Racing Teams, und Craig Wilson, Rennleiter und zugleich Managing Director des formelerfahrenen Unternehmens Williams Advanced Engineering, das alle Teams der Formel E mit Batterien versorgt. "Als die Formel E vor drei Jahren startete, waren wir alle in der Branche skeptisch. Aber die Serie hat Momentum entwickelt. Zumal ausschließlich Stadtrennen gefahren werden. Metropolen wie London, Paris, Hongkong, New York oder Berlin öffnen erstmals ihre Innenstädte für grünen Motorsport. Die Zuschauer erleben hautnah, was elektrische Fahrzeuge leisten können. Und es hat was, bei Rennen endlich sein eigenes Wort zu verstehen."

Mit dem Jaguar I-Type 1 und seinem bis zu 200 kW / 272 PS starken E-Aggregat biegt die britische Marke in die elektrische Zukunft ein, die 2018 mit dem rassigen Serienmodell iPace Gestalt bekommt. Der steckte allerdings schon vor dem Formeleinstieg 2016 mitten in der Entwicklung. Bisher bevorzugte die englische Großkatze mächtige Motoren für ihre Sprungkraft. Doch bis 2020 soll die Hälfte der Modelle vollelektrisch oder als Hybrid erhältlich sein. Im Lauf der letzen neun Jahre konnten die Flottenemissionen schon von 247 Gramm CO2 auf immerhin 165 Gramm gesenkt werden, gleichzeitig schiebt das Unternehmen eine ambitionierte nachhaltige Ausrichtung der Fertigung an. "Für Jaguar ist der E-Rennsport das Entwicklungslabor", bekräftigt Barclay. "Hier sammeln wir Erfahrungen mit dem gesamten elektrischen Antriebsstrang für den Crossover auf die Serie." Um die Formel mit den grünen Vorboten kommen auch andere motorsporterprobte Namen nicht mehr herum: Mercedes-Benz steigt ein und BMW wie Audi, die bisher jeweils in einem Partnerverbund unterwegs waren, statten demnächst eigene Teams aus.

Mit angeflanschtem Laubbläser

Die Formel E ist leise, familientauglich - die Monaco-Tickets kosteten 20 Euro - und passt zur Generation Grün. Aber sie ist immer noch eines: Motorsport. Auch wenn die Rennwagen, die jetzt zum zweiten Mal an der Cote d`Azur gastierten, mit ihrem für den E-Antrieb typischen unmittelbar anstehen Drehmoment manchmal anmuten, als wäre die gute alte Carrerabahn mit ihren sprunghaften Winzlingen zu neuem Leben erweckt worden. Die Fahrer kämpfen um jeden Zentimeter der auf 1,7 Kilometer verkürzten Strecke und lauern in den engen Straßen von Monte Carlo auf den Moment zum Überholen - egal, wenn dabei sündhaft teure Kohlefaserteile geschreddert werden. Chassis und Batterien sind derzeit noch für alle Teams vorgeschrieben. Was sie selbst entwickeln dürfen, sind neben dem Antriebsstrang mit Motor, Getriebe und Steuerelektronik auch die Hinterachsaufhängung. Auch bei der Kühlung des Batteriepacks darf man selbst kreativ sein. In der Jaguar-Box agierte beispielsweise ein angeflanschter Laubbläser.

Ex-Formel 1-Piloten wie Nick Heidfeld, der für Mahindra Racing startet, müssen bei dieser Batterieformel auch mit etwas zu Recht kommen, dass jeden Elektroautokunden umtreibt: Reichweite. Gemäß dem Règlement gibt es nur einen Boxenstopp. Nur dann ist dem Fahrer erlaubt, den Rennwagen gegen seinen zweiten, voll aufgeladenen, zu tauschen. Dies geschieht bei den fünfzig Minuten dauernden Rennen der Formel E-Serie etwa nach der Hälfte der rund fünfzig Runden. Bei der Rekuperation dürfen nur maximal 150 kW Bremsenergie zurückgewonnen werden. Während des Rennens soll auch nur eine Leistung von 170 kW / 231 PS abgerufen werden. Beim Training hingegen können die Fahrer für 3,3 Sekunden die maximale Power von 200 kW / 272 PS auf die Straße befördern. In der nächsten Saison können die Teams dann auf 250 kW / 340 PS aufrüsten. Weil die meisten e-Grand Prix an einem Tag komplett mit Training, Qualifying und anschließenden Rennen stattfinden, müssen die Piloten, wie Jaguars Rennleiter formuliert, "Multitasking beherrschen. Sie müssen das Energiemanagement des Autos im Blick behalten, optimal rekuperieren, ohne ihre Position im Feld zu gefährden." Da ist es nur folgerichtig, dass die Anzeigetafeln neben dem Fahrernamen die aktuellen kW-Werte in den einzelnen Fahrsituationen abbilden.

Man soll nicht nur wie einst der Schnellste sein, durch die reduzierte Telemetrie mutiert der Fahrer auch zum eigenen Energiemanager im Cockpit. "Wir haben jetzt mehr Autonomie", sagt Pilot Adam Carroll vom Jaguar Racing Team. "Aber das Fahren an sich", so der 33jährige Nordire, der vom Kartsport bis zur Indycar-Serie alles kennt, "hat sich nicht verändert. "Ich höre immer noch einen Motor hinter mir und die Techniken sind gleich: Bremspunkt finden, optimale Kurvenmanöver. Aber weil ich zusätzliche Leistung aus dem Bremsen hole, musste ich das üben. Man kann eben nicht wie bei anderen Rennserien einfach nur Gas geben. Es muss reichen."

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