Von Wolfgang Schäffer/SP-X
Das legendäre Eifelwetter hat schon so manche Veranstaltung auf der Nordschleife massiv beeinflusst. Vor allem die Langstreckenmeisterschaft war in diesem Frühjahr davon mit teilweise extrem verkürzten Läufen massiv betroffen. Ganz schlechte Voraussetzungen also, wenn die Rennen in erster Linie als Teamtraining für die 24 Stunden auf dem Nürburgring genutzt werden sollten. Aber genau das war der Plan des rein weiblichen Teams "Girls Only", das mit Unterstützung von Volkswagen in einem Golf GTI TCR die harte Prüfung in der Grünen Hölle in Angriff genommen hat.
Alles in Frauenhand
So etwas hat es zuvor noch nie gegeben. In dieser Box ist weibliche Dominanz angesagt. Ob Reifenwechsel, Betankung, Strategieplanung, Schadensbehebung, Ingenieursaufgaben – alles ist in diesem Team in Frauenhand. Das gilt natürlich auch für den Platz am Lenkrad. Auf dem wechseln sich Ronja Assmann, Jasmin Preisig und Carrie Schreiner ab. Und wie sollte es anders sein. Auch der Golf hat mit "Bärbel" einen Frauennamen bekommen.
Im Vorfeld hatten sich mehr als 30 Bewerberinnen im Herbst 2018 zu einem Casting eingefunden – 16 wurden ausgewählt. "Die Mädels brennen alle für die Aufgabe. Bei unserem ersten Treffen in Trierweiler war sofort eine unglaubliche Begeisterung zu spüren", erzählt Team-Chefin Ellen Lehmann, die gemeinsam mit ihrem Ehemann seit vielen Jahren im Motorsport unterwegs ist und schön häufig in einer Teambetreuung gearbeitet hat.
Diese Erfahrung zahlt sich aus. Die 51-jährige Fahrschullehrerin ist der Ruhepol in dem ansonsten so hektischen Boxentreiben. Klare Ansagen sind auch notwendig, um das Team auf Kurs zu bringen. Schließlich gab es bisher nur Trockentraining am Stammsitz des Teams sowie wenige, aufgrund des schlechten Wetters noch oftmals verkürzte Einsätze bei der Langstreckenmeisterschaft am Nürburgring. Keinesfalls selbstverständlich also, dass die Handgriffe sitzen.
Frauenpower in der Grünen Hölle
BildergalerieBereits nach drei Runden kehrt Jasmin Preisig wieder zurück in die Box. "Schon direkt nach dem Start hatte ich so einen merkwürdigen Geruch in der Nase. Wenig später leuchtete die Ölkontrollanzeige auf und bei meinem Golf ging die Leistung weg. Da konnte ich nur noch langsam zur Box rollen." Es stellt sich heraus, dass eine Schraube in den Kühler geschleudert worden war. Ein Schaden am Motor kann nicht ausgeschlossen werden.
Teamchefin Lehmann signalisiert: "Wir lassen uns nicht unterkriegen. Aufgeben gibt es nicht. Wir wechseln das Triebwerk." Eine solche Aufgabe stand bisher aber nicht auf dem Übungsplan. Während des Rennens und in der Enge der Box, in der noch fünf weitere Autos stationiert sind, ist der Motorwechsel eine Herausforderung. 14 Stunden später ist Bärbel wieder unterwegs. Jetzt mit Ronja Assmann am Steuer. Die drückt ebenso mächtig aufs Tempo wie wenig später Jasmin Preisig und Carrie Schreiner. Das Trio ist begeistert, wie rund das neue Triebwerk läuft.
Vollen Einsatz gezeigt hat bei den Arbeiten auch Janine Lärcher. Die 26-Jährige ist gelernte Werkzeugmechanikerin, studiert Maschinenbautechnik und arbeitet als Projektleiterin im Bereich der Autoindustrie. Als der Golf TCR wieder auf der Strecke ist, gönnt sie sich keinesfalls Ruhe. Beim Reifenwechsel ist die junge Frau wieder zu Stelle.
"Bärbel läuft gut"
Während Preisig weiter aufs Gaspedal drückt steht Ronja Assmann der Ingenieurin im Team Rede und Antwort. Corinna Schäfer, Fahrzeugbaustudentin und gelernte Kfz-Mechatronikerin, will wissen, wie sich das Fahrwerk des TCR verhalten hat. "Müssen wir nachjustieren? Was gibt es ansonsten zu verändern?" Für Assmann ist aber alles ok. "Bärbel läuft gut. Da waren nur einige im Weg, die haben mich ausgebremst, sonst wäre es noch schneller gegangen", sagt sie mit Blick auf die Computerdaten. Danach ruft Chiara Messina, gelernte Kfz-Mechatronikerin und aktuell Mechatronik-Studentin, das Team zusammen. Die technische Leiterin bespricht intensiv den gerade vollzogenen Boxenstopp. Was war gut, was ist schlecht gelaufen. Beeindruckend, welche Details Messina in dem Gewusel erkannt hat und jetzt sehr klar anspricht. Das Frauenteam hört überaus aufmerksam und konzentriert zu. Keine Spur von Resignation aufgrund der langen Reparaturzeit. Dass das Girls Only Team dennoch weit abgeschlagen über den Zielstrich fährt, spielt letztlich keine Rolle. "Hauptsache wir sind angekommen", so der einhellige Tenor.