Von Michael Gebhardt/SP-X
Die BMW AG feiert im Jahr 2016 ein denkwürdiges Jubiläum – und macht sich selbst ein spektakuläres Geschenk. Am 7. März 1916 hat Gustav Otto, ein Sohn eben jenes Motoren-Ottos, das Unternehmen in München ins Handelsregister eintragen lassen, und auf den Tag genau einhundert Jahre später präsentiert der Vorstandsvorsitzende Harald Krüger bei einem großen Festakt die Studie Vision Next 100. Der schnittige Flitzer ist eines von vier Concept Cars, die die BMW Group im Jubiläumsjahr zeigen will und die einen Blick in die Zukunft der vier Kernmarken erlauben sollen. Nach der BMW-Vision folgen im Juni die 100-Jahre-Modelle von Mini und Rolls-Royce und im Oktober ein visionäres Motorrad-Konzept.
Für das BMW-Jahrhundert-Modell hat das Design-Team rund um den Chef-Kreativen Adrian van Hooydonk alle Register gezogen und zusammen mit den Kollegen aus der Konnektivitäts-Abteilung eine schnittige, kupferfarbene Flunder mit 5er-Abmessungen (4,90 Meter lang, 1,37 Meter hoch) auf die nicht sichtbaren Räder gestellt. Richtig gehört: Reifen und vor allem Felgen-Designs spielen, wenn die Münchner Visionen wahr werden, keine Rolle mehr, da sie von Karosserie abgedeckt sind. Das wirkt sich äußerst positiv auf die Aerodynamik aus – die Studie hat einen cw-Wert von nur 0,18 –, aber negativ aufs Lenken; schließlich brauchen die Vorderräder Bewegungsfreiheit. Damit das funktioniert, gibt das moderne Blech nach und verformt sich beim Lenken entsprechend wie eine dehnbare Haut: Alive Geometry nennt BMW das, und meint damit auch die sich veränderte Abrisskante am Heck, immer mit dem Ziel, der Luft möglichst wenig Widerstand zu bieten.
Nähern sich Fahrer und Gäste dem Wagen, schwenkt das Auto automatisch seine vier Flügeltüren nach oben und lädt zum Betreten der Sessellandschaft im 7er-Format ein. An ein Auto-Cockpit erinnert nicht mehr viel: Das Lenkrad ist bündig in das Armaturenbrett eingelassen, Knöpfe und Schalter sucht man vergebens. Tippt der Fahrer aber das BMW-Logo auf dem Dashboard an, schließen sich die Türen und das rechteckige Lenkmöbel, wie von Hooydonk das Steuer scherzhaft nennt, schwenkt hervor. Bedient wird der BMW vor allem durch Gestensteuerung in der Luft, alle Informationen werden auf der Windschutzscheibe angezeigt. Mit Augmented-Reality-Technik zeichnet der BMW beispielsweise die Ideallinie und das empfohlene Tempo auf die Straße und zeigt dem Fahrer Hindernisse an, die er noch gar nicht sehen kann – sei es ein Steinhaufen hinter einer Kurve oder ein Fahrradfahrer, der von der Seite kommt. Zusätzlich zu den Anzeigen in und auf der Scheibe verändern sich je nach Situation 800 bewegliche Dreiecke auf dem Armaturenbrett und in den Seitenverkleidungen und geben dem Fahrer zusätzlich analoges Feedback oder mahnen ihn zur Aufmerksamkeit – auch das läuft unter dem Schlagwort Alive Geometry.
Vom Boost- in den Ease-Modus
Der Vision Next 100 wäre keine Zukunftsstudie, könnte er nicht auch autonom Fahren. Entscheidet sich der Fahrer, den Boost-Modus zu verlassen – so nennt es BMW, wenn der Mensch am Steuer sitzt – und in den Ease-Modus zu wechseln, klappt das Lenkrad weg, die Mittelkonsole weicht aus ihrer fahrerorientierten Position zurück, der Nieren-Kühlergrill verändert sich und vor der Windschutzscheibe fährt der so genannte Companion aus. Die kleine Skulptur nimmt dann quasi die Funktion des Fahrers ein und signalisiert mit ihrem Licht sowohl den Insassen als auch den Passanten, dass der Vision Next 100 jetzt ganz alleine fährt. Mehr noch: Der Companion kommuniziert auch mit der Außenwelt und gibt zum Beispiel Fußgängern ein Zeichen, wenn er sie erkannt hat und sie gefahrlos die Straße überqueren können. Die Passagiere im Fahrzeug können im Ease-Modus leicht schräg zueinander sitzen und sich bequem unterhalten, und die Windschutzscheibe wird nicht mehr für wichtige Fahrinformationen genutzt, sondern dient als großer Bildschirm, zum Beispiel für Videotelefonie.
Was den Vision Next 100 antreibt, verrät BMW nicht. Van Hooydonk zeigt sich aber sicher, dass es „in den nächsten einhundert Jahren“ eine passende Lösung geben wird, emissionsfrei und dynamisch zu gleich unterwegs zu sein. Konkreter wird der Hersteller bei den verwendeten Materialen: Holz und Leder werden im Sinne der Ressourcenschonung mit der Zeit verschwinden und kommen in der Studie nicht mehr vor. Stattdessen setzten die Designer – neben noch zu erfindenden Werkstoffen – auf Recycling-Materialien und Karbonreste, die bei der sonstigen Kohlefaserproduktion übrig bleiben.
Das Visionsfahrzeug lernen Sie in der Bildergalerie unter diesem Artikel kennen.
Impressionen aus 100 Jahren BMW gibt es hier: http://www.autohaus.de/bilder-und-videos/100-jahre-bmw-1768102.html
Viele Daten, Fakten und Bilder zum BMW-Jubiläum bündelt AUTOHAUS im Themenspecial: http://www.autohaus.de/themenspecials/100-jahre-bmw-1768047.html