asp: Wie hat sich der Bereich Klimaservice im letzten Jahr entwickelt?
M. Degenhardt: Wir hatten im letzten Jahr bei den Klimaservicegeräten ein erfreuliches Wachstum zu verzeichnen. Aufgrund der teils sehr emotional geführten Diskussionen um klimafreundliche Kältemittel, mussten die Hersteller von Klimaservicegeräten ihre Umsatzerwartungen in den Vorjahren stark nach unten korrigieren. Nun kommen aber immer mehr Fahrzeuge auf den Markt, die das Kältemittel R-1234yf an Bord haben. Damit steigt auch der Bedarf an entsprechenden Klimaservicegeräten.
asp: Wie ist der aktuelle Stand zum Thema R-1234yf?
M. Degenhardt: Laut EU-Richtlinie 2006/40/EG wird ab dem 1.1.2017 der Einsatz des herkömmlichen Kältemittels R-134a bei allen Neufahrzeugen verboten sein. Wir gehen stark davon aus, dass die meisten Automobilhersteller zumindest in der Anfangsphase das Kältemittel R-1234yf einsetzen werden.
asp: Vor welchen Herausforderungen stehen Werkstätten aktuell und in Zukunft im Bereich Klimaservice?
M. Degenhardt: Die Herausforderungen im Bereich Klimaservice orientieren sich am Stand der Entwicklungen bei der Fahrzeugtechnik. Hier geht der Trend zu immer geringeren Kältemittel-Füllmengen, um Gewicht und Kosten zu sparen. Das erfordert im Service sorgfältiges Arbeiten und leistungsfähige Geräte, die auch bei geringen Füllmengen die vorgegebenen Toleranzen einhalten. Außerdem müssen sich Kfz-Werkstätten darauf einstellen, dass die unterschiedlichen Kältemittelvarianten auch die Zahl der benötigten Klimaservicegeräte erhöhen werden. Nicht zuletzt müssen die Werkstätten die Sachkenntnis ihrer Mitarbeiter für den Umgang mit neuen Kältemitteln ständig auf dem aktuellsten Stand halten.
asp: Welchen Stellenwert besitzt der Klimaservice im Werkstattgeschäft?
M. Degenhardt: Einen sehr hohen. Die Klimaanlage ist ein wartungsbedürftiges System. Der regelmäßige Klimaservice stellt die langfristige Funktion der Klimaanlage sicher und spart dem Kunden hohe Reparaturkosten. Wer das seinen Kunden vermitteln kann, hat die Möglichkeit Aufträge zu generieren und die Kundenbindung zu stärken.
asp: Für welche Werkstätten lohnt es sich in neue Klimageräte zu investieren?
M. Degenhardt: Das kommt ganz auf die vorhandene Ausstattung und den Fahrzeugbestand an, den die Werkstatt zu betreuen hat. Bei Neuinvestitionen denkt man gerne zuerst an R-1234yf-Geräte. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Jede Werkstatt, die Kundenfahrzeuge mit dem neuen Kältemittel betreuen muss, wird an der Anschaffung eines solchen Gerätes nicht vorbeikommen. Gleichzeitig darf man aber nicht aus dem Blick verlieren, dass der Fahrzeugbestand überwiegend von Modellen mit R-134a-Klimaanlage geprägt ist. Das wird in den nächsten Jahren auch so bleiben. Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall für Werkstätten, veraltete R-134a-Klimaservicegeräte auszutauschen. Denn mit einem ungenau arbeitenden Klimaservicegerät baut die Werkstatt unerkannt Fehler in Kundenfahrzeuge ein, die später zu Reklamationen und teuren Schäden führen können. Mit neueren Geräten lässt sich dies verhindern. Zudem haben neuere R-134a-Klimaservicegeräte sehr geringe Kältemittelverluste und sparen somit nicht nur Kosten, sondern schonen auch die Umwelt. Dieser Aspekt darf nicht vergessen werden.
Interview: Valeska Gehrke
Kurzfassung
Mark Degenhardt, ASA-Fachbereichsleiter Klimaservice, spricht im Interview über Herausforderungen und Trends im Bereich Klimaservice. Aktuell erfordert das neue Kältemittel R-1234yf Investitionen in neue Klimaservicegeräte.
Hintergrund Kältemittel-Streit
Seit 2011 verbietet eine EU-Richtlinie den Einsatz von FKW (Fluorkohlenwasserstoffe) mit einem GWP-Wert (Treibhauspotenzial) größer 150 (dazu zählt auch R-134a) in Kfz-Klimaanlagen. Ob in Zukunft stattdessen Kohlendioxid (R744) oder Tetrafluorpropen (R-1234yf) zum Einsatz kommen, ist immer noch offen. Kohlendioxid hat ein sehr geringes Treibhauspotenzial (GWP von 1) und trägt nicht zum Ozonabbau bei. Jedoch können R-134a-Anlagen damit nicht betrieben werden. Einige Autohersteller setzten daher, um Entwicklungs- und Produktionskosten zu sparen, schon in der Vergangenheit auf Tetrafluorpropen (R-1234yf). Es ist uneingeschränkt in den bisherigen Klimaanlagen verwendbar. Obwohl R-1234yf zwar besser fürs Klima ist, birgt es aber auch Gefahren. Es entzündet sich bereits bei etwa 400 Grad Celsius. Kleinste Leckagen des Kühlmittelkreislaufs können genügen, dass sich das Kältemittel bei Kontakt mit heißen Motorteilen entzünden kann. Bei Fahrzeugbränden in Folge von Unfällen besteht zudem durch das Kältemittel Lebensgefahr für Rettungskräfte, Feuerwehr und Insassen. Denn als Verbrennungsprodukte entstehen giftige Flusssäure und das hochtoxische Carbonyldifluorid.Seit 2011 ist daher eine hitzige Diskussion zum Für und Wider des umstrittenen Kältemittels R-1234yf entbrannt ( einen Überblick finden Sie unter asp online "Themenspecial", "Neues Klimaanlagen Kältemittel"). Auch Daimler weigerte sich lange, R-1234yf in seinen Fahrzeugen einzusetzen, da bei einem hausinternen Test im Herbst 2012 ein Fahrzeug in Flammen aufgegangen war. Jetzt will der Konzern die umstrittene Chemikalie doch von 2017 an in großem Stil einsetzen. Hintergrund ist, dass Daimler nun das Gas Argon einsetzt. Es strömt bei einem Unfall aus und kühlt die erhitzten Bauteile des Motors. So soll die Gefahr einer Entzündung von R-1234yf vermindert werden. Trotzdem will Daimler von diesem Jahr an die Modelle der S- und E-Klasse mit Klimaanlagen ausstatten, die Kohlendioxid (CO2) als Kältemittel verwenden. Mit beiden Entscheidungen reagieren die Stuttgarter auf den Plan der EU-Kommission, ab kommendem Jahr klimaschädliche Chemikalien vollständig aus dem Kfz zu verbannen. Zudem läuft eine Schonfrist für ältere Fahrzeugmodelle, deren Klimaanlagen noch mit dem klimaschädlichen Kühlmittel R-134a betrieben werden, bis Ende 2016 aus. Lediglich bereits zugelassene Autos genießen Bestandsschutz.Marcel Schoch
- Ausgabe 03/2016 Seite 16 (230.1 KB, PDF)