In der VW-Abgasaffäre soll der zurückgetretene Vorstandschef Martin Winterkorn schon im März 2015 vom damaligen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch auf US-Ermittlungen wegen überhöhter VW-Abgaswerte angesprochen worden sein. Das habe Piëch Ermittlern der US-Kanzlei Jones Day gesagt, berichtet die "Bild am Sonntag" ohne Angabe von Quellen. Demnach versicherte Winterkorn Piëch am Rande des Genfer Autosalons, "er habe die Sache im Griff". Aus dem Zeitungsbericht geht nicht hervor, ob Winterkorn zu diesem Zeitpunkt bereits von illegalen Manipulationen wusste.
Ein Volkswagen-Sprecher nannte den Bericht am Wochenende "Spekulationen", die man nicht kommentieren wolle. Er verwies auf laufende Untersuchungen. VW hat die US-Anwaltskanzlei Jones Day mit internen Ermittlungen beauftragt. Ergebnisse sollen im vierten Quartal 2016 bekanntgegeben werden. Piëch war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Winterkorn hatte sich laut "BamS" auf Anfrage nicht geäußert. In VW-Kreisen ist zu hören, zum damaligen Zeitpunkt sei die später bekannt gewordene Betrugssoftware noch kein Thema gewesen.
Aus Kreisen des VW-Aufsichtsrates heißt es, dass auch knapp ein Jahr nach Bekanntwerden des Skandals keine konkreten Hinweise auf eine Mitschuld früherer oder amtierender Vorstandsmitglieder vorlägen. Fraglich ist aber weiterhin, inwieweit Winterkorn vor September 2015 die ganze Dimension der Abgas-Ungereimtheiten hätte erahnen können oder womöglich sogar hätte erkennen müssen. In einer Reaktion auf Anlegerklagen formulierte der Konzern in diesem Frühjahr, dass der gesamte Umfang des Skandals - elf Millionen betroffene Wagen und eine illegale Software als Auslöser - Winterkorn und dem Vorstand erst im September bewusst geworden sei. Zuvor hätten sich lediglich Hinweise verdichtet, die nach und nach das komplette Bild ergaben.
Keine Kenntnis von den illegalen Manipulationen
Winterkorn war wegen der Abgas-Affäre am 23. September 2015 zurückgetreten. Er übernahm damit die Verantwortung für die Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren, obwohl er nach eigenem Bekunden und auch nach Aussage des Aufsichtsratspräsidiums keine Kenntnis von den illegalen Manipulationen hatte. "Ich tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl ich mir keines Fehlverhaltens bewusst bin", hatte Winterkorn erklärt. "Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist. Vor allem bin ich fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren."
Die US-Umweltbehörde hatte fünf Tage zuvor mitgeteilt, dass VW mit Hilfe einer Software Stickoxid-Messwerte (NOx) von Dieselautos bei Tests auf Prüfständen manipuliert hat, um die Vorgaben der Behörden zu erfüllen. VW gab die Aktion zu, der Aktienkurs brach ein. (dpa)