Die Corona-Krise drückt zwar die Stimmung im Autohandel, jedoch nicht bei freien Werkstätten. "Die Situation ist momentan eigentlich zu gut, um wahr zu sein", sagt Georg Rieger, Geschäftsführer beim Kfz-Betrieb Rieger im beschaulichen Bergkirchen-Unterbachern im Münchner Landkreis. Der Zwei-Mann-Betrieb hat momentan alle Hände voll zu tun, den Räderwechsel zu stemmen. Denn im Gegensatz zu früheren Jahren fallen aufgrund der Corona-Abstandsregeln die Räderwechseltage am Samstag aus, da sich sonst zu viele Kunden in der Werkstatt sammeln würden. Stattdessen müssen die Termine unter der Woche abgearbeitet werden.
Von ausbleibenden Kunden spürt der Betrieb nichts. "Die Kunden wollen weiterhin Räder wechseln und Servicearbeiten durchführen lassen", erklärt Rieger. Nach Aussagen des Kfz-Meisters stehe der ganze Hof zudem voller Fahrzeuge, die repariert werden müssen. Für den Mai sind die Auftragsbücher gefüllt, die Servicearbeiten haben in Corona-Zeiten eher zu- als abgenommen.
Natürlich müssen in Corona-Zeiten die Hygienevorschriften wie das Tragen von Mund- und Nasenschutz umgesetzt werden. Zusätzlich kommen Sitzdecken und Lenkradschoner zum Einsatz. "Der Großteil unserer Kunden ist sehr vernünftig", erklärt Rieger. Einige schmeißen den Autoschlüssel in den Briefkasten, um den direkten Kontakt zu meiden.
Auch bei der Bestellung der Reifen und Ersatzteile gibt es keine Engpässe. "Wir merken ehrlich gesagt überhaupt keine Einschränkungen", erklärt Rieger. Momentan sind alle Produkte lieferbar und nur das ein oder andere Reifenmodell kommt mal einen Tag später, was für den Kfz-Betrieb jedoch nicht weiter tragisch ist.
Gelassenheit in vielen Betrieben
Von keinen spürbaren Einschränkungen beim Räderwechsel berichtet auch Automobile Möck in Sonnenbühl auf der Schwäbischen Alb. "Wir merken nichts von Corona, bei uns ist alles wie immer", erklärt Geschäftsführer Ralf Möck. Auch Automobile Möck hat keinen Leerlauf zu beklagen, es gibt laut Möck unheimlich viel zu tun und er hat keine Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Die Räderwechselsaison ist vergleichbar mit dem letzten Jahr. Automobile Möck verzichtet wie der Kfz-Betrieb Rieger auch auf Räderwechseltage und macht einzelne Wechseltermine unter der Woche aus, was mit dem regulären Tagesgeschäft dann mehr Arbeit bedeutet.
Beim Thema Sicherheitsvorkehrungen ist der Betrieb weniger vorsichtig. "Wir sind in einer ländlichen Region, da macht sich keiner so den Kopf um Corona wie in der Stadt", erklärt Möck. Abstandsregeln werden natürlich eingehalten. Früher kamen die Kunden oft in die Werkstatt und standen beim Räderwechsel neben dem Fahrzeug, das fällt diese Saison weg. Die Kunden müssen den Schlüssel stattdessen an der Annahme abgeben. Auf Nasen- und Mundschutz sowie Desinfektionsmaßnahmen wird hingegen verzichtet.
Auch bei der Reifen- und Teilelieferung zeigt sich der Geschäftsführer entspannt. "Ich kann mich an keine Reifen- oder Teilelieferung erinnern, die wegen der Corona-Krise nicht ankam", erklärt Möck. Das Einzige, was man laut Geschäftsführer merke, sei eine längere Lieferzeit bei einigen Artikeln. "Manche Reifenmodelle brauchen über eine Woche, was ungewöhnlich ist", erklärt Möck. Dennoch sei bislang aber kein Räderwechseltermin wegen fehlender Reifen abgesagt worden.
Keine Einbußen bei Euromaster
Aus Sicht der Reifen- und Autoservicekette Euromaster, die deutschlandweit 350 Servicefilialen betreibt, gibt es durch Corona keine Einschränkungen im Betrieb. "Ein Reifenwechsel bei Euromaster läuft auch in Corona-Zeiten in gewohnt hoher Qualität ab", erklärt David Gabrysch, Geschäftsführer Euromaster in Deutschland und Österreich. Laut dem Geschäftsführer haben es Kunden in den letzten Wochen weniger eilig mit dem Reifenwechsel gehabt, was die Umrüstsaison zeitlich gestreckt habe. Das sei aber eher zum Vorteil des Kunden, da Räderwechseltermine sehr flexibel ausgemacht werden können. Alle Euromaster-Filialen haben wie gewohnt geöffnet und bislang sieht Gabrysch auch keine Einbußen beim Umsatz. "Wir haben auch keine Maßnahmen wie Kurzarbeit und Ähnliches umgesetzt", sagt der Geschäftsführer.
Auch bei Servicearbeiten sieht Gabrysch keine Einbußen. "Wir führen alle Arbeiten wie gewohnt durch, auch unseren kostenlosen Mastercheck", sagt Gabrysch. Wenn bei der Überprüfung etwas auffalle, werden Servicearbeiten in Absprache mit dem Kunden wie gewohnt durchgeführt. Bei allen Arbeiten werden jedoch Hygienevorschriften umgesetzt. "Unsere Mitarbeiter tragen Schutzmasken und -handschuhe, alle Räumlichkeiten werden mehrmals täglich desinfiziert", erklärt der Geschäftsführer. Bei der Auftragsannahme werden Kunden und Mitarbeiter zudem durch Abstandsregelungen und Plexiglasscheiben geschützt. Falls gewünscht, bietet Euromaster auch einen Hol-und-Bring-Service für die Kunden an.
Neuorganisation bei Pirelli Driver
Auch in den 78 Reifen- und Kfz-Service-Filialen "Driver" von Pirelli scheint in Corona-Zeiten der Räderwechsel weitgehend normal über die Bühne zu gehen. Das Unternehmen hat angekündigt, die behördlich angeordneten und empfohlenen Schutzmaßnahmen für die Kunden und das Personal umzusetzen. So wird während der Corona-Pandemie die Reifen- und Fahrzeugwartung unter Beachtung der gültigen Sicherheitshinweise durchgeführt, vor allem unter Wahrung der sozialen Distanz. Die Neuorganisation aller Verkaufsbereiche, kontaktlose Services sowie mobile Dienstleistungen sollen für Hygiene sorgen.
Termine für den Reifenservice und andere Wartungsarbeiten können über die Websites der Handelsbetriebe gebucht werden. Kunden können zudem online Reifen auswählen, das Umrüsten von Winter- auf Sommerreifen buchen sowie spezifische Kontrollen der Batterie und des Motors bestellen. Um Zeiten maximalen Andrangs vorzubeugen, sind die Termine gestaffelt. Einige Betriebe bieten zudem einen Abhol-und-Bring-Service an.
Zwangspause bei A.T.U
Die Werkstattkette A.T.U hatte frühzeitig mit der kompletten Schließung der Filialen reagiert. Am 20. März wurde der Betrieb der mehr als 600 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorübergehend unterbrochen. Ab dem 25. März haben in Deutschland zunächst zehn regionale Schwerpunkt-Filialen einen Werkstatt-Notbetrieb aufgenommen.
Entsprechend habe sich das Radwechselgeschäft deutlich nach hinten verschoben, teilte das Weidener Unternehmen mit. Seit 23. April sind alle A.T.U-Werkstätten in Deutschland wieder in Betrieb. Das Radwechselgeschäft sei dann sehr gut angelaufen, hieß es bei A.T.U. Die Kette bietet derzeit regional angepasste und teilweise verlängerte Öffnungszeiten, auch samstags, an.
Zum Schutz der Kunden und der Mitarbeiter hat A.T.U ein umfassendes Sicherheits- und Hygienekonzept erstellt und umgesetzt. Dieses werde fortlaufend überprüft und an die Umstände angepasst. Es gelten Maskenpflicht und Abstandsregeln in den Shops. Auf der Webseite von A.T.U gibt es zudem Kundenhinweise zum Gesundheitsschutz. Wie überall ist auch bei A.T.U der Zutritt zu den Filialen nur mit Mund-Nasen-Schutz erlaubt. Die Werkstatt ist für Kunden momentan nicht zugänglich. Für die Schlüsselabgabe können Kunden den Nachtbriefkasten verwenden. Wartebereiche wurden kurzerhand ins Freie verlegt. Nach Möglichkeit sollen Kunden den Werkstattauftrag oder Kartenzahlungsbelege mit einem eigenen Kugelschreiber unterschreiben. Im Bedarfsfall spendiert A.T.U ein "persönliches Exemplar".
Viele wechseln einfach selbst
Von Schließungen waren auch Autohändler massiv betroffen. Immerhin konnte der Werkstattbetrieb aufrechterhalten werden, auch wenn die Verkaufsräume geschlossen waren. Auch beim markenunabhängigen Servicebetrieb Auto Stolz im niederbayerischen Kößlarn bei Passau hat man deutlich gemerkt, dass die Kunden wegen Corona zu Hause geblieben sind. "Wir haben nach den Ausgangsbeschränkungen zeitweise nur mit halber Belegschaft gearbeitet", erklärt Martina Stolz, die im elterlichen Betrieb mitarbeitet. In Absprache mit den Mitarbeitern habe man Urlaube vorgezogen und dafür auf Kurzarbeit verzichtet.
Seit Mitte April sei das Reifengeschäft aber wieder angelaufen. Dennoch war der Umsatz im April bezogen auf das Reifengeschäft rund 20 Prozent niedriger. Man ist auf dem Land - da wechselten viele ihre Räder eben selbst. Der Betrieb, der 1977 als Ein-Mann-Betrieb begonnen hatte - damals als Tankstelle mit Reifenservice -, konnte sich mit den Jahren als geschätzte Adresse in der Region etablieren, wenn es um Automobilhandel oder Kfz-Service geht. 2001 wurde der Betrieb am neuen Standort im Ort in einem Neubau eröffnet. Auto Stolz umfasst heute neben dem Neu- und Gebrauchtwagenhandel eine voll ausgestattete Kfz-Werkstatt mit Unfallreparatur und eigener Lackiererei. Die Hygienevorschriften werden auch bei Stolz umgesetzt, erklärt Martina Stolz, die hinter einem Spuckschutz mit den Kunden spricht und im Kundenkontakt selbst einen Mund-Nase-Schutz trägt. Auch in der Werkstatt tragen die Mitarbeiter den Schutz, wenn sie zu zweit am Fahrzeug arbeiten. Man desinfiziert bei allen Fahrzeugen Lenkrad und Handschaltung. Zudem müssen sich die Mechaniker öfter die Hände desinfizieren und Mindestabstände einhalten. Auch der Wartebereich wurde umgebaut, damit die Kunden Abstand halten.
Ein Münchner K&L-Betrieb, der lieber anonym bleiben will, bringt die Reifensaison so auf den Punkt: 30 Prozent mehr Aufwand, halber Durchlauf in der Werkstatt. Um die Prozesse zu entzerren, takte man die Räderwechsel viel großzügiger als in normalen Jahren. 30 Minuten pro Wechsel setze man jetzt an. Für die Kunden habe man Extra-Anfahrtszonen ausgewiesen. Die Terminvereinbarung läuft meist telefonisch und vermehrt auch online - das nutzen immerhin zehn bis 15 Prozent der Kunden. Insgesamt werde sich die Wechselsaison ein gutes Stück nach hinten schieben. Zum Schutz der Kunden und der Mitarbeiter legt man den Innenraum mit Folie aus, es kommen Folien über die Sitze, das Lenkrad, die Handbremse und die Armaturen. "Das Wichtigste ist aus meiner Sicht neben allen Schutzmaßnahmen der gesunde Menschenverstand", sagt der Inhaber. Es helfe nichts, man müsse sich an die neue Situation gewöhnen.
BRV-Branchenbarometer
Im Branchenbarometer des Reifenfachhandels hinterlässt die Corona-Krise Spuren. Nachdem der Indexwert des BRV-Branchenbarometers im ersten Quartal 2020 noch bei 105 gelegen hatte, sank der Wert im zweiten Quartal auf 93. Hauptgrund dafür ist die Corona-Pandemie, die den Reifenhandel im Vergleich zu anderen Branchen aber gar nicht so schwer getroffen hat. 50 Prozent (Q1/2020: 49 Prozent) der Befragten beurteilen die derzeitige Lage des Reifenfachhandels als gut oder sehr gut. Schlecht oder sehr schlecht ist die aktuelle Situation lediglich in den Augen von neun Prozent (Q1/2020: acht Prozent) der Befragten. Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) hat im Rahmen der Datenerhebung für das Branchenbarometer einige Fragen speziell zu Corona gestellt: Hier zeigt sich, dass nur wenige Branchenbetriebe von Schließungen betroffen waren. Neun Prozent der Betriebe gaben an, freiwillig oder auf Anordnung geschlossen zu haben. Alle Betriebe haben aber in der Zwischenzeit wieder geöffnet. Beim Thema Reifenservice hatte Corona durchaus Auswirkungen: 26 Prozent sehen keinen Einfluss der Krise, während 28 Prozent einen starken bis sehr starken Einfluss verspüren. Knapp die Hälfte aller Betriebe hat Kurzarbeit beantragt, 34 Prozent setzen auf Urlaubs- oder Überstundenabbau, während 21 Prozent der Befragten auf ein Schichtsystem setzen. Nur vier Prozent der Betriebe gaben an, sich in der Krise von Mitarbeitern getrennt zu haben. Ein Drittel der Betriebe hat finanzielle Soforthilfen in Anspruch genommen, zwölf Prozent setzen auf die Stundung von Steuern und sieben Prozent haben KfW-Mittel beantragt. Befragt wurden 100 Reifenfachhandelsbetriebe in Deutschland.
Kurzfassung
Die Kfz-Betriebe arrangieren sich mit der Situation, es hätte schlimmer kommen können - das ist der Tenor unserer Mini-Umfrage zur Räderwechselsaison. Einbußen, je nach Region ganz unterschiedlich, gibt es trotzdem.
- Ausgabe 05/2020 S.18 (524.6 KB, PDF)