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So entsteht ein Mercedes-Stern: Entgratet und poliert

17.06.2022 10:49 Uhr | Lesezeit: 5 min
Ein Schritt der Entstehung des Mercedes-Sterns.
© Foto: SP-X/Benjamin Bessinger

Er ist der Inbegriff von Luxus und ein Symbol für "Made in Germany" – kaum ein Markenzeichen aus Deutschland ist berühmter als der Mercedes-Stern. Doch für den großen Glanz braucht es Geschick. Denn die Produktion erfolgt noch immer teilweise von Hand.

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Von wegen "Center of Excellence" und schillernde Tempel des gehobenen Konsums! Zwar positioniert sich Mercedes gerade noch ein Stück höher, schwärmt von Haute Voiture und lässt auf dem Weg zur ultimativen Luxusmarke die Welt der schnöden Transportbedürfnisse weit hinter sich. Doch so hell der Stern künftig auch strahlen will, hat zumindest seine Entstehung wenig Glamouröses.

Denn das wahrscheinlich berühmteste Markenzeichen des Landes entsteht in einem nüchternen Fabrikbau in einem schmucklosen Industriegebiet in Wülfrath, vor den Toren Düsseldorfs. Dort, nur rund 50 Kilometer von jenem Stadthaus entfernt, das Gottlieb Daimler in seiner Zeit als technischer Direktor der Gasmotorenfabrik Deutz auf einer Postkarte mit einem dreizackigen Stern als Wohnhaus markiert und so erstmals das Markenlogo skizziert hat, sitzt der Automobilzulieferer Witte Automotive, der seit 1948 exklusiv für die Produktion des so genannten Haubensterns verantwortlich zeichnet.

Seinen Aufstieg beginnt der Stern als schnöde Stangenware auf einer Holzpalette in einer zugigen Werkshalle. Am Beginn der Produktion stehen schmucklose Barren der Legierung Zamak, die aus Zink, Aluminium und Kupfer besteht. 76.000 Kilo pro Jahr werden davon bei 420 Grad geschmolzen und dann mit einem Druck von 80 Tonnen und einer Geschwindigkeit von 200 km/h in eine der drei Formen gegossen, die bei Witte im ständigen Wechsel im Einsatz sind.

Binnen wenigen Sekunden erkaltet, fallen die Sterne im schnellen Takt aus der Presse, landen in schmucklosen Gitterboxen und beginnen ihre erste Reise. Vor der weiteren Montage müssen sie bei einem Produktionspartner entgratet, zum Schutz vor Wind und Wetter und für dauerhaften Glanz dick verchromt und anschließend natürlich mit der Politurbürste zum Strahlen gebracht werden.

Zurück in Wülfrath

Wieder zurück in Wülfrath und jetzt schon auf Schaumstoff gelagert, gehen sie durch die kundigen Hände der Mitarbeiter, die hier in Wülfrath zum Teil schon seit über 30 Jahren nach den Sternen greifen – und das bis zu 30.000-mal im Monat, 1.000-mal am Tag oder über 100 Mal pro Stunde. Zwar macht der Stern am Gesamtumsatz des Werkes nur zwei Prozent aus, muss Frank Kaborn einräumen, der die Metallfertigung leitet, und insgesamt braucht er für die zehn Handgriffe nur sieben seiner 430 Kollegen hier am Standort. Doch sind die bislang gut 20 Millionen Sterne für den Stolz der Mannschaft und fürs Image der Firma ganz sicher wichtiger als die Türgriffe, Schlösser und Verriegelungsteile, die Witte sonst im Portfolio hat.

Wobei Stern natürlich nicht gleich Stern ist, sagt Kaborn und steht vor einer Vitrine, in der er dutzende Variationen des immergleichen Logos ausgestellt hat. Je nach Modell und Generation war der Stern mal dicker oder dünner, größer oder kleiner - bis hin zum Pullmann, wo er passend zum imposanten Fahrzeug anderthalbmal so groß war wie heute, wo der Durchmesser exakt 7,6 Zentimeter beträgt.

Noch mehr Unterschiede gibt es bei der so genannten Rosette, die um den Fuß des Sterns gelegt ist: mit Lorbeerkranz auf blauem Grund, mit Lorbeerkranz auf schwarzem Grund oder ohne Lorbeerkranz mit separater Plakette. Und mittlerweile ist noch ein weiteres Markenzeichen dazu gekommen: Denn seit Mercedes wieder einen Maybach baut, wird neben dem Stern auch das doppelte M gepresst. Und auch wenn die Luxusmodelle natürlich nur einen Bruchteil der Gesamtproduktion ausmachen, hat Kaborn stolz eine Überschlagsrechnung parat: "In den letzten Jahren haben wir mehr Maybach-Logos hergestellt, als es im ersten Leben der Marke insgesamt gegeben hat."

Ein sinkender Stern?

Das kann den Witte-Mann aber nicht darüber hinwegtrösten, dass der Stern offenbar am Sinken ist. Auch wenn Mercedes ständig Absatzrekorde meldet, geht die Produktion in Wülfrath stetig zurück. Waren es in den 1990er Jahren noch 600.000 Sterne im Jahr und zwischen 2008 und 2015 immerhin noch 400.000, sind es jetzt nur noch 300.000. Und die Tendenz ist weiterrückläufig. "Immer mehr Neuwagen tragen den Stern im Kühler und nicht mehr auf der Haube", hat Kaborn beobachtet und muss dieses Geschäft einem anderen Zulieferer überlassen.  Waren das bislang nur einzelne Ausstattungsvariante, hat es mit der neuen C-Klasse erstmals eine ganze Baureihe getroffen.

Doch die Nachrichten, die dieser Tage aus Nizza kommen, dürften den Witte-Manager hoffen lassen. Dort haben die Schwaben gerade bekannt gegeben, dass sich Mercedes mehr denn je die Luxus-Liga fokussieren, sich eher für die S-Klasse als die A-Klasse engagieren und künftig noch mehr noch größere Autos bauen will – also genau jene Modelle, bei denen der Stern wohl als letztes verschwinden dürfte. Gut möglich also, dass Kaborn und seine Mitarbeiter in den nächsten Jahren noch viele Sterne zum Strahlen bringen werden. Viel mehr als zwölf Einzelteile, 81 Gramm Zamak und zehn Handgriffe braucht es dafür schließlich nicht.

 


Entstehung des Mercedes-Sterns

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