China baut günstige und moderne E-Autos – und zwar in sehr hohen Stückzahlen. Ein Gutteil davon könnte nach Europa kommen und den hiesigen Markt aufmischen. Wenn schon, dann aber mit fairen Mitteln, findet die EU und will Sonderzölle einführen.
Worum geht es?
Chinas Autoindustrie ist auf Expansionskurs. E-Mobile aus dem Reich der Mitte können technisch mit Wettbewerbern aus Europa mithalten, unterbieten diese aber preislich potenziell deutlich. Das liegt nach Ansicht der EU auch an einer unfairen Unterstützung der Regierung, die vor allem ihren einheimischen Herstellern aus strategischen Gründen stark unter die Arme greift. Die Zölle auf reine E-Autos aus chinesischen Werken (Hybride sind nicht betroffen) sollen nun für ein ausgeglichenes Spielfeld sorgen.
Wie ist der Stand der Dinge?
Dass es ab November Strafzölle auf chinesische E-Autos geben wird, ist nicht sicher, wird aber immer wahrscheinliche. Zuletzt hatte eine Mehrheit der EU-Mitgliedsländer für die Sonderabgaben gestimmt. Und damit gegen die deutsche Position. Die Bundesregierung hatte sich gegen die Zölle ausgesprochen, nicht zuletzt auf Druck der hiesigen Autoindustrie, die zahlreiche Autos für den europäischen Markt in China fertigt und außerdem eine Gegenreaktion Chinas fürchtet, die etwa den Import von Luxusautos verteuern würde.
Was ist die Begründung für die Zölle?
Mit den Zöllen will die EU unfaire Marktvorteile chinesischer Hersteller in Europa ausgleichen. Laut Untersuchungen der Kommission subventioniert die Politik dort massiv die Produktion. Etwa in Form von Vergünstigungen bei Krediten, Grundstückskäufen oder durch den vereinfachten Zugriff auf Rohstoffe, die unter Marktpreis verkauft werden. Laut EU-Kommission sind chinesische Elektroautos nicht zuletzt aus diesen Gründen normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle.
Welche Fahrzeuge chinesischer Hersteller sind betroffen?
Im Prinzip treffen die Zölle alle hierzulande angebotenen chinesischen Autos. Selbst die ursprünglich britische Marke MG Motor (mittlerweile im SAIC-Besitz) baut aktuell kein Modell in Europa. Die besten Aussichten, die Zölle bald umgehen zu können, hat Leapmotor. Die Chinesen unterhalten ein Joint-Venture mit der Opel-Mutter Stellantis und wollen ihre Fahrzeuge künftig im polnischen Tychy endmontieren. Andere Hersteller planen ebenfalls Werke in Europa, was Zölle vermeiden würde. Neben dem zeitintensiven Neubau wäre auch die Übernahme von bestehenden Fabriken westlicher Hersteller denkbar.
Welche Fahrzeuge nicht-chinesischer Hersteller sind potenziell betroffen?
Die "Ausgleichszölle" werden auf alle in China produzierten E-Autos erhoben. Wo der jeweilige Hersteller seinen Konzernsitz hat, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, wo die Fahrzeuge entwickelt wurden. Demnach gilt die Regelung auch für in China gebaute Fahrzeuge europäischer Hersteller wie den BMW iX3, die Mini-Modelle Cooper und Aceman, den Tavascan von VW-Tochter Cupra sowie die Crossover Smart #1 und #3. Dazu kommen der Dacia Spring aus dem Renault-Konzern, diverse Modelle von Volvo und Tochter Polestar. Auch Tesla importiert einen Teil der Model-3-Flotte aus China nach Europa.
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Welche Höhe haben die Zölle?
Wie hoch der Aufschlag auf die generell bereits geltenden Importzölle von 10 Prozent sind, hängt vom einzelnen Hersteller ab. Die EU bemisst sie an der Kooperationsbereitschaft der jeweiligen Konzerne und sieht diese vor allem beim Staatskonzern SAIC wenig ausgeprägt. Das Unternehmen aus Shanghai zahlt mit 35 Prozent den höchsten Satz. Volvo-Mutter und Smart-Teilhaber Geely kommt auf 19 Prozent, China-Marktführer BYD auf 17 Prozent. Für Tesla werden 8 Prozent fällig. Alle anderen Hersteller, also auch die deutschen, zahlen zunächst einen Pauschal-Satz von 21 Prozent.
Werden die Autos automatisch um den Zoll-Satz teurer?
Wie genau sich die Aufschläge auf die Preise auswirken, ist noch unklar. Eine Eins-zu-eins-Weitergabe der Mehrkosten würde bei Marken europäischer Modelle der größte Teil der Kundschaft wohl kaum akzeptieren. Viele Hersteller dürften daher zumindest ein wenig von ihrer Marge abgeben. Chinas Autobauer könnten dabei aber einen größeren Spielraum haben als die europäischen – oder zumindest ein größeres strategisches Interesse. Denn der Preisvorteil gegenüber den etablierten westlichen Marken ist ihr größtes Pfund bei der Eroberung des europäischen Marktes.
Wie reagieren die Amerikaner auf die chinesischen Hersteller?
Verglichen mit den USA wäre auch ein zollgeschütztes Europa für die Chinesen ein gutes Pflaster. Seit kurzem hat die Regierung die Zölle auf chinesische E-Autos vervierfacht, so dass sie nun bei 100 Prozent liegen. Nach der Präsidentenwahl im Herbst könnten sie weiter steigen: Donald Trump hat bereits von 200 Prozent gesprochen, und auch Kamala Harris gilt in dieser Hinsicht nicht unbedingt als Freihandels-Vertreterin.
Wie könnte eine chinesische Gegenreaktion aussehen?
Die Regierung in Peking hat bereits verschiedene Möglichkeiten angedeutet, droht etwa mit Zöllen auf Luxusartikel, Schweinefleisch und PS-starke Autos. Auch Branntwein könnte betroffen sein. Zudem hat China ein weiteres Druck- oder Lockmittel in der Hand: Viele dortige Fahrzeugbauer wollen Werke in Europa bauen und hier Arbeitsplätze schaffen.
Wie reagiert die Industrie?
Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) ist klar gegen die Zölle. „Eine zunehmende Marktabschottung ist für die europäische – und insbesondere die deutsche – Automobilindustrie keine Option“, heißt es in einer Stellungnahme, die außerdem die Möglichkeit und Notwendigkeit weiterer Verhandlungen betont. Die klare Positionierung des Interessenverbands überrascht nicht, sind doch gerade die stark vom Exportmarkt China abhängigen deutschen Hersteller Gegenreaktionen aus dem Reich der Mitte fürchten. Höhere Zölle auf Luxusautos würden vor allem Audi, BMW und Mercedes schwer treffen, die bereits heute unter einem schwachen China-Geschäft leiden. Ausländische Wettbewerber wie Renault oder Stellantis sind im Reich der Mitte deutlich weniger investiert, entsprechend nüchtern kommentiert der europäische Herstellerverband ACEA die Zölle. Man nehme das Ergebnis der Abstimmung zur Kenntnis, lässt sich der Branchenverband zitieren. Und betont noch mal die Wichtigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen sowie einer europäischen Industrie-Strategie.
Wie könnten Zölle noch verhindert werden?
Bis Ende dieses Monats sind noch Verhandlungen zwischen den EU und China möglich. Dann werden aus den vorläufigen Zöllen endgültige. Vor allem Deutschland setzt sich für eine Einigung ein. Allerdings ist die Zeit mittlerweile knapp, da die Zölle am 1. November in Kraft treten sollen. Denkbar ist aber auch eine Verlängerung der Frist. Die im Juli zunächst diskutierte Rückdatierung ist aber in jedem Fall vom Tisch, so dass die Hersteller nicht mit Nachzahlungen rechnen müssen.
Was wären Alternativen zu Zöllen?
Diskutiert werden vor allem Obergrenzen für den Export chinesischer Fahrzeuge nach Europa. Wie genau diese aussehen könnten, ist aber noch unklar.