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Tacho-Manipulationen: Wer hat an der "Uhr" gedreht?

19.02.2016 08:58 Uhr
Gebrauchtwagenkäufer müssen sich weiterhin auf ihr Bauchgefühl verlassen.
© Foto: picture alliance / dpa

Bis zu 10.000 Euro Gewinn kann ein Gebrauchtwagenverkäufer Experten zufolge mit Hilfe eines manipulierten Tachos kassieren. Die Autoindustrie hält sich mit Lösungsvorschlägen bislang zurück. Nun will die Politik aktiv werden.

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Ein Klick, ein Tastendruck und schon dreht sich die "Uhr" rückwärts: Dank moderner Programmiergeräte ist die Manipulation von digitalen Tachowerten bei Autos schon lange keine Zauberei mehr. Das gewisse Know-how vorausgesetzt, ist es selbst in der heimischen Garage kurzerhand machbar. Die Straftat - es handelt sich immerhin um handfesten Betrug - ist kein Kavaliersdelikt.

Um mehrere tausend Euro lässt sich der Wert eines Gebrauchten mit Hilfe eines gefälschten Kilometerstands steigern. Der ADAC beziffert den jährlichen Schaden für Verbraucher auf knapp sechs Milliaden Euro. Angesichts von mehr als 40 Millionen zugelassenen Autos in Deutschland tappt die Polizei aber meist im Dunkeln.

Während Verkäufer von Gebrauchtwagen die Tachowerte zugunsten höherer Verkaufspreise nach unten schrauben, wollen Fahrer von Leasing-Autos mögliche Strafen wegen zu hoher Laufleistungen entgehen. Umgekehrt riskiert der Käufer nicht nur einen zu hohen Preis, auch die Sicherheit kann darunter leiden, wenn das Auto schon weiter gefahren ist als angenommen und wichtige Checks ausgeblieben sind.

Gegenmaßnahmen bislang Fehlanzeige

Obwohl das Problem schon lange bekannt ist, fehlen bislang Gegenmaßnahmen. Autoclubs wie ADAC und Auto Club Europa (ACE) fordern von den Autobauern technische Lösungen in Form von Computerchips, die Politik mahnt die Einführung von Datenbanken an, in denen die Laufleistungen protokolliert werden.

Die Autobauer meiden jegliche Ankündigungen. Stattdessen verweisen sie unisono auf ihren Branchenverband VDA. Dort heißt es, die Automobilindustrie unterstütze ausdrücklich Bestrebungen, den Besitz und Vertrieb von Geräten, mit denen Tachos manipuliert werden können, zu untersagen und unter Strafe zu stellen. Die Automobilindustrie habe sich vor einigen Jahren auf einen freiwilligen Sicherheitsstandard für moderne elektronische Komponenten geeinigt. Damit würden Kilometerstände verschlüsselt, die Manipulation erschwert.

Tatsächlich wird der Kilometerstand längst nicht mehr nur im Tacho abgespeichert. Motor- und Getriebesteuerung oder Fahrzeugschlüssel wissen ebenfalls über die Laufleistung Bescheid. Betrüger müssen also alle Daten ändern, wenn sie sicher gehen wollen, nicht aufzufliegen.

Pflicht-Dokumentation in Belgien

Im Nachbarland Belgien werden auf Basis des Parpass-Modells Kilometerstände bei Werkstattbesuchen in einer Datenbank dokumentiert. Zwar könne man mit entsprechendem Aufwand auch dieses System manipulieren, meint Partz, doch die Erfahrungen seien gut. Laut offiziellen Angaben gebe es erheblich weniger Tricksereien. Ob das System jedoch als Ultima Ratio ausreiche, sei schwer zu sagen. "In jedem Fall ist es aber besser als gar kein Schutz." Ein Vorteil sei, dass das ohne die Automobilhersteller eingeführt werden könnte. 

Die Abgeordneten von SPD und Grünen im niedersächsischen Landtag präferieren die belgische Pass-Variante. In einem Antrag, den das Parlament in Hannover am Freitag erstmals diskutiert, wird die Einführung eines Datenblattes gefordert, auf dem Kilometerleistungen vermerkt werden. Sollte der Landtag dem zustimmen, würde die Landesregierung eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg bringen. "Auf diese Weise entsteht eine relativ enge Dokumentation, die Manipulationen zwar nicht unmöglich macht, jedoch deutlich erschwert", heißt es in dem Antrag.

Der ADAC sieht die Datenbanklösung dagegen überaus kritisch. "Datenbanken sind unsicher, da Kilometerstände vor dem Eintrag nicht auf Richtigkeit geprüft werden können", betont Arnulf Thiemel vom ADAC-Technikzentrum. Es sei nicht erkennbar, ob das Fahrzeug bereits vor der Eintragung manipuliert wurde. Zudem würden bei Neuwagen die Hauptuntersuchungen erst nach drei Jahren fällig. "Zu diesem Zeitpunkt sind insbesondere Leasing-Fahrzeuge offenbar schon (erstmals) manipuliert worden." Der VDA sieht in einer solchen Dokumentation nur einen "erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand".

Doch auch die vom ADAC favorisierten Chips könnten inzwischen manipuliert werden: "Die sind zwar nicht überschreibbar, können aber auf Null gestellt werden, indem der Tacho auf 999 999 hochgesetzt wird und dann wieder auf Null springt", sagt Gerald-Alexander Beese vom Kraftfahrzeugtechnischen Institut in Lohfelden. "Außerdem können die Chips von der Platine ausgelötet und dann im Ganzen ersetzt werden." Eine Kombi-Variante scheint da die beste Lösung.

Ein Problem bleiben aber alle Autos, die aus dem Ausland nach Deutschland verkauft werden. Um auch beim grenzübergreifenden Autohandel eine Veränderung des Tachostands erkennbar zu machen, müsse mittelfristig an einer "direkt im Auto integrierten" Lösung gearbeitet werden, heißt es nüchtern im Landtagsantrag. Im Klartext heißt dies, dass weiter Geduld gefragt ist. Solange muss sich jeder Gebrauchtwagenkäufer auf sein Bauchgefühl verlassen. (dpa)

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