Der Verband der Automobilindustrie sieht die Branche infolge der Corona-Krise schwer unter Druck. "Wir stehen vor einer Herausforderung in bisher nie gekanntem Ausmaß", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. "In dieser einmaligen Ausnahmesituation ist Krisenmanagement gefragt, nicht das Führen von politischen Debatten."
Mit Blick auf mögliche strengere CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene nach 2030 sagte Müller, weitere und zusätzliche Belastungen verstärkten in einer solchen Zeit die Herausforderungen und kosteten Zukunft. "Wir müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise daher erst seriös bewerten, bevor wir über mögliche zusätzliche Belastungen sprechen."
Die 'Süddeutsche Zeitung' hatte berichtete, Verbände und Konzerne forderten von der Europäischen Kommission infolge der Corona-Pandemie, Pläne für härtere Grenzwerte zu kippen. Die Industrie habe bei einem Krisengespräch mit Kanzlerin Angela Merkel, Bundesministern und führenden Branchen- und Gewerkschaftsvertretern Rückendeckung der Regierung gefordert.
Autoindustrie unterstützt strengere CO2-Ziele
Müller machte deutlich, die Autoindustrie versuche nicht, aktuelle EU-Ziele bei CO2-Grenzwerten aufzulockern oder deren Umsetzung zu verschieben. "Die deutsche Automobilindustrie teilt die Vision eines klimaneutralen Verkehrs bis 2050." Die von der EU erst 2018 verabschiedeten strengen CO2 Ziele für 2021 und 2030 würden gelten und von der Automobilindustrie ausdrücklich unterstützt. Anderslautende Behauptungen stellten falsche Zusammenhänge her.
Hintergrund sind die Pläne der EU-Kommission, in einem "Green Deal" bis 2050 der erste "klimaneutrale" Kontinent der Erde zu werden. Im Zuge dessen könnten Klima-Vorgaben für die Autoindustrie noch einmal verschärft werden.
Das Thema stehe nicht auf der Tagesordnung, sagte Müller. Forschung und Entwicklungsinvestitionen, die nötig seien, damit die geltenden und sehr herausfordernden CO2-Vorgaben der EU eingehalten werden könnten, würden auch in Zeiten der Krise so weit wie möglich vorangetrieben. Im Fokus der Automobilindustrie stehe aber die Bewältigung der Corona-Krise. "Es geht darum, den Schutz der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, die Lieferketten zu stabilisieren und den Betrieb in Zeiten von Corona so weit wie möglich zu sichern."
Branche steckt in schwierigem Umbruch
Die Branche legt am Freitag aktuelle Absatzzahlen vor. Wegen der Corona-Krise produzieren viele Fabriken nicht mehr, viele Händler mussten ihre Geschäfte schließen, die Nachfrage in vielen Märkten ist eingebrochen. Die Autoindustrie befindet sich ohnehin in einem schwierigen Umbruch hin zu alternativen Antrieben, dazu kommt der digitale Wandel.
Aus Sicht des Bundesverbands eMobilität wird die Notwendigkeit zum Umbau der Industrie zu mehr Nachhaltigkeit durch das Virus nicht geringer. Die Zeit nach Corona müsse für Entwicklungssprünge auch in der Automobilindustrie genutzt werden, hatte Verbandspräsident Kurt Sigl gefordert. Die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, Simone Peter, sagte, die CO2-Grenzwerte für Neuwagen in der EU jetzt zu lockern, hieße, die Wettbewerbsbedingungen für saubere Mobilität zu verschlechtern. "Damit gefährden wir nicht nur die Einhaltung der Klimaziele, sondern fallen im internationalen Wettbewerb um klimafreundliche Technologien noch weiter zurück."
Der Umweltverband BUND warnte die Autobranche davor, die Coronakrise auszunutzen, um beschlossene Fortschritte für den Klimaschutz wieder zurückzunehmen. Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sagte der dpa, zudem müsse sich die Bundesregierung in jedem Falle verkneifen, große, schwere Autos mit Verbrennungsmotoren zu fördern. Schon die Abwrackprämie im Zuge der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren habe nicht die sparsamsten und umweltfreundlichsten Autos gefördert. "Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen." (dpa)