Kurz vor dem "Autogipfel" pocht die CSU angesichts der Krise in der Autoindustrie auf Kaufprämien auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) begründete dies am Dienstag im Deutschlandfunk damit, dass E-Autos noch nicht massentauglich seien und viele Benziner und Dieselfahrzeuge derzeit "auf Halde" produziert werden. "Die müssen vom Hof", sagte Scheuer.
Am Abend beraten Vertreter der Automobilindustrie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesministern sowie Ministerpräsidenten der Länder in einer Videokonferenz über die Lage der Branche. Schwerpunkt sollen eigentlich Zukunftsfragen wie Digitalisierung, Vernetzung und autonomes Fahren sein. Allerdings belastet die Corona-Krise die Autoindustrie, die Nachfrage ist massiv zurückgegangen. Dazu kommen der schwierige Umbruch in der Branche hin zu mehr alternativen Antrieben sowie der digitale Wandel.
Datennutzung muss im Mittelpunkt stehen
"Beim heutigen Autogipfel muss das Thema Datennutzung im Mittelpunkt stehen. Daten sind die neue Antriebsquelle für die Mobilität der Zukunft. Die Bundesregierung muss entscheiden, wie die in Fahrzeugen erhobenen Daten zugänglich gemacht werden können. Ziel ist es, mit den Daten die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz zu verbessern, aber auch innovative Mobilitätsdienste zu ermöglichen. Die Umsetzung der von der Bundesregierung angekündigten Datenplattform für Mobilität ist überfällig", erklärte Joachim Bühler, Geschäftsführer des VdTÜV im Vorfeld des Gipfels.
Als pragmatische Lösung für den Zugriff auf Fahrzeugdaten von der digitalen Infrastruktur der Fahrzeughersteller schlägt der TÜV-Verband die Einrichtung von TrustCentern vor. Sie übernehmen die Aufgabe eines Administrators, der Zugangsprofile verwaltet und berechtigten Parteien zweckgebunden Zugang zu bestimmten Daten verschafft. "Im TrustCenter selbst werden keine Nutzerdaten gespeichert, sondern ein datenschutzkonformer Zugang ermöglicht", sagte Bühler. Den Betrieb eines unabhängigen TrustCenters sollte eine Behörde in Deutschland übernehmen. Dafür müssten jetzt die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.
Die Autoindustrie hatte im Juni in der Debatte um ein Konjunkturpaket staatliche Kaufprämien auch für moderne Benziner und Dieselautos gefordert, um die Nachfrage anzukurbeln. Dies aber war am Widerstand vor allem der SPD-Spitze gescheitert. Die schwarz-rote Koalition hatte höhere staatliche Prämien beim Kauf von Elektroautos beschlossen. Zudem sollte die Senkung der Mehrwertsteuer die Nachfrage ankurbeln. Zuletzt sind deutlich mehr neue E-Autos zugelassen worden - aber auf einem immer noch niedrigen Niveau.
Merkel lehnt Prämie für Verbrenner ab
Merkel hatte einer Kaufprämie für Autos mit modernen Verbrennungsmotoren in der vergangenen Woche eine Absage erteilt. "Ich persönlich glaube, dass unser Konjunkturprogramm jetzt rund ist, dass wir die richtigen Maßnahmen beschlossen haben", sagte sie. Durch die Senkung der Mehrwertsteuer beinhalte dieses auch Preisvorteile beim Kauf eines Autos mit Verbrennungsmotor. "Insofern sehe ich da jetzt im Augenblick keinen Ergänzungsbedarf. Aber die Position der CSU ist mir bekannt." Die CSU-Landesgruppe hatte in einem Papier ihre Forderung nach einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren erneuert.
Scheuer sagte im Deutschlandfunk unter Verweis auf die Prämie für Elektrofahrzeuge, es gebe noch nicht genug Fahrzeuge auf dem Markt. "Und deswegen müssen wir jetzt auch die Zeit überbrücken, bis diese Fahrzeuge noch massentauglicher werden. Das heißt, wir müssen alt gegen neu tauschen, und da darf es auch kein Tabuthema Verbrennungsmotor geben."
In Deutschland werde sehr negativ über die Automobilindustrie geredet, aber jetzt gehe es darum, durch die Krise zu kommen, sagte Scheuer. Mit Blick auf Kaufprämien für Verbrenner verwies Scheuer auf den Koalitionspartner SPD, an dem ein solcher Anreiz zuletzt gescheitert war, und betonte, er erkenne jetzt ein Umdenken bei den anderen Parteien: "Wir hören ja auch aus der SPD, Ministerpräsident Stephan Weil aus Niedersachsen, oder auch vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg), dass auch eine Prämie für Verbrenner (...) sinnvoll ist, weil sie sofort Wirkung auf die Wirtschaft haben werden." Niedersachsen und Baden-Württemberg sind neben Bayern die wichtigsten Standorte für die Automobilindustrie in Deutschland.
Söder fordert weitere Unterstützung
Auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder forderte mit Blick auf ausgelastete Kapazitäten bei der E-Mobilität am Dienstagmorgen im ZDF-"Morgenmagazin" eine weitere Unterstützung für die "Übergangstechnologie". Wie diese konkret aussehe - ob ein Fonds das richtige Mittel ist oder eher eine Individualunterstützung -, darüber könne man reden, sagte er.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wandte sich gegen eine Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotor. "Ich bin sehr dafür, die Automobilindustrie zu unterstützen, aber dafür brauchen wir neue und nicht alte Rezepte", sagte sie der Düsseldorfer 'Rheinischen Post' (Dienstag). "Ich will, dass wir Brüche vermeiden und den Wandel gestalten, um gute Arbeitsplätze zu sichern und die Industrie fit für die klimaneutrale Mobilität der Zukunft zu machen", sagte Schulze.
Greenpeace-Aktivisten prangerten vor dem Kanzleramt die immense Luftverschmutzung durch den Autoverkehr an. "Raus aus dem Verbrenner - Klimaschutz jetzt!", forderten die Umweltschützer am Dienstagmorgen.
Kein Steuergeld für "alte Technologien"
Die Grünen warnten davor, Steuergeld in "alte Technologien" zu stecken. "Investitionen in Klimaschutz und Automatisierung stärken die Wettbewerbsfähigkeit und sichern Arbeitsplätze in den hiesigen Industriestandorten", sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Zukunftsinvestitionen müssen dringend staatlich gefördert werden. Für alte Technologien darf es hingegen keine Kaufprämien oder andere Zuschüsse geben."
Die Grünen sowie die Gewerkschaft IG Metall und die SPD machen sich für einen staatlichen Beteiligungsfonds stark, der vor allem mittelständischen Zulieferern in der Autoindustrie zu Hilfe kommen soll.
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte der dpa, es brauche bessere Rahmenbedingungen, damit die Autoindustrie wieder nachhaltig wachsen könne. Die FDP setze daher auf eine Anpassung der EU-Flottengrenzwerte, eine Senkung der daraus resultierenden Strafzahlungen sowie eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf den Verkehr. (dpa)