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Wissing: Emissions-Einsparungen erreicht man nicht mit Tempolimit

12.04.2024 08:22 Uhr | Lesezeit: 4 min
Volker Wissing
Im Rahmen der Reform des Klimaschutzgesetzes warnt Minister Volker Wissing vor Einschränkungen für Autofahrer - wie etwa Fahrverbote am Wochenende. 
© Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

Die Beratungen über einen geänderten Mechanismus für die Klimaziele ziehen sich hin. Da droht der Verkehrsminister mit dem Reizwort Fahrverbote - bringt das Szenario jetzt Bewegung?

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In der Ampel-Koalition bricht der Streit über den Klimaschutz wieder voll auf. SPD und Grüne wiesen Drohungen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit möglichen Auto-Fahrverboten zur Senkung klimaschädlicher Emissionen im Verkehrssektor am Freitag scharf zurück. Das Ministerium machte deutlich, dass dieses Szenario abgewendet werden solle, indem eine geplante Reform des Klimaschutzgesetzes im Bundestag rasch beschlossen wird. Die FDP verlangte von den Grünen, eine "Blockade" der Pläne aufzugeben. Umweltverbände reagierten empört auf Wissings Vorstoß und forderten mehr Klimaschutz im Verkehr

Der Minister hatte in einem Brief an die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vor drastischen Einschnitten für Autofahrer bis hin zu Fahrverboten an Wochenenden gewarnt, falls die Koalition sich nicht bald auf die Reform einigt. Wenn die schon vor neun Monaten vom Kabinett auf den Weg gebrachte Novelle vor dem 15. Juli nicht in Kraft sei, müsse das Ministerium nach der bisherigen Rechtslage ein Sofortprogramm mit restriktiven Maßnahmen vorlegen. Die Gesetzespläne zielen darauf, dass die Einhaltung der Klimaziele künftig nicht mehr rückwirkend nach einzelnen Sektoren kontrolliert werden soll - sondern in die Zukunft gerichtet, über mehrere Jahre betrachtet und sektorenübergreifend. 

Szenario soll mit "allen Mitteln verhindert werden"

Wissing sagte im Deutschlandfunk, die Sektorbetrachtung im geltenden Gesetz führte dazu, dass 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sofort eingespart werden müssten. Dies sei mit einem Tempolimit oder sonstigen Maßnahmen nicht zu erreichen, sondern ad hoc nur mit einem Verzicht auf Auto und Lkw. Das Ressort machte keine Angaben dazu, wie die in dem Ministerschreiben aufgeworfenen "flächendeckenden und unbefristeten Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen" konkret aussehen und durchgesetzt werden könnten. Ziel sei, dieses Szenario mit allen Mitteln zu verhindern, sagte ein Sprecher. Dies sei auch keine Drohung, sondern ein dringender Appell an das Parlament, die Novelle zügig zu beschließen.

FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte, das noch geltende planwirtschaftliche Gesetz mit unrealistischen, starren Sektorzielen drohe das Land zu fesseln. "Wenn sich die Grünen nun der bereits im Koalitionsausschuss vereinbarten Novelle des Gesetzes widersetzen, nehmen sie Millionen Bürger in Geiselhaft, die am Wochenende ihre Freunde und Familie besuchen, einen Ausflug machen wollen oder schlichtweg zur Arbeit müssen." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Portal "t-online": "Die Grünen müssen ihre Blockade bei der Reform des Klimaschutzgesetzes endlich aufgeben."

"Klimaschutz kennt keine Sektorgrenzen"

Diese Forderung unterstützt auch das Kfz-Gewerbe. "Klimaschutz ist universell und kennt keine Sektorgrenzen. Die Neufassung des Klimaschutzgesetzes (KSG) ist längst überfällig, da gerade bei knapper Kassenlage zuerst die kosteneffizientesten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die zur Zielerreichung erforderlichen CO2-Emissionsreduktionen wirtschaftlich sinnvoll einzuleiten", sagte ZDK-Präsident Joswig am Freitag in Berlin.

Für den ZDK stelle sich die Frage, warum gerade die Grünen als Umweltpartei ein so essenzielles Gesetz blockiert und somit kostbare Zeit verstreichen lässt. "Die Gesetzesnovelle sorgt für mehr Effizienz beim Klimaschutz und für mehr Planungssicherheit für Investoren und Unternehmen. Die Klimaziele werden auf Basis dieses Gesetzes in Zukunft nach volkswirtschaftlicher Effizienz und nicht nach ideologisch gesetzten Sektorzielen erreicht", so Joswig. Neben dem Hochlauf der Elektromobilität seien auch alternative Kraftstoffe mit geringeren Emissionen, wie HVO100, oder auch CO2-neutrale Kraftstoffe, wie E-Fuels und Biokraftstoffe, unerlässlich, um die CO2-Emissionen des Verkehrssektors effizient und in kurzer Zeit zu reduzieren, betonte das Kfz-Gewerbe.

"Endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor" nötig

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: "Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren." Stattdessen sollte Wissing seine Aufgabe wahrnehmen und endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor machen. "Maßnahmen gibt es ja genug." Kritik an Wissings Vorstoß kam auch von der SPD. Fraktionsvize Detlef Müller sagte: "Panikmache durch abwegige Vorschläge helfen dem Klimaschutz im Verkehrsbereich überhaupt nicht, im Gegenteil." Die SPD-Fraktion lehne Fahrverbote für Pkw und Lkw ab. Solche Manöver brächten die laufenden Beratungen im Bundestag über das Gesetz schwerlich voran.

Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner wies auf den gemeinsamen Beschluss aller Koalitionspartner im Kabinett hin. Der Entwurf sei nun im parlamentarischen Verfahren, und man erwarte und hoffe, dass dies jetzt zeitig umgesetzt werde. Das Kabinett hatte den Entwurf im Juni beschlossen, die erste Lesung im Bundestag war im September.

Wissings "Horrorszenarien"

Umweltverbände warnen, mit den Plänen würden Sektorenziele und die Verantwortlichkeit der Ministerien wie des Verkehrsressorts aufgeweicht. Greenpeace-Mobilitätsexpertin Clara Thompson kritisierte: "Zwei Jahre hat Wissing damit vergeudet, jede Klimaschutzmaßnahme im Straßenverkehr zu blockieren - jetzt malt er Horrorszenarien an die Wand, um auch in Zukunft nichts tun zu müssen." Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nannte Wissings Vorgehen schäbig. "Es passt ins Bild, dass ausgerechnet der Minister, der jede noch so einfach umzusetzende Maßnahme wie ein Tempolimit auf Autobahnen blockiert, jetzt mit den Ängsten der Menschen spielt", sagte Verkehrsexperte Jens Hilgenberg der dpa.

Im Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es sieht vor, dass Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energie, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresmengen festgelegt. Bisher gilt: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien mit Sofortprogrammen nachsteuern - um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen. Künftig soll die Regierung als Ganzes entscheiden, in welchem Sektor mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll - aber erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.

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