Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde – auch im Autohandel. Am Donnerstag diskutierten zwei Vertreter der Automobilwirtschaft auf der IAA Mobility mit zwei Akteuren aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich darüber, welchen Beitrag die Kfz-Branche zur Schonung von Ressourcen leisten kann. Martin Boisseree, Nachhaltigkeitsbeauftragter des Mercedes-Händlers Sternpartner, stellte in München die operativen Maßnahmen der Autohausgruppe vor. Ziel sei es, die Betriebe energieautark zu machen, Energiekosten zu senken und den CO2-Ausstoß zu verringern. Man könne die erreichten Erfolge aber zusätzlich auch für die Image- und Marketingarbeit nutzen.
Voraussetzung dafür ist eine Analyse des aktuellen Stands der Energieverbräuche und der Technik. Bei der Umsetzung helfen Energiebeauftragte und Energiesparchecklisten. Viel Energie lässt sich nach Einschätzung von Boisseree durch Verhaltens- und Prozessänderungen einsparen. Dazu zählte er die Absenkung der Raumtemperatur ebenso wie die Anpassung der Betriebszeiten der Lackierkabine. "Einfache technische Sofortmaßnahmen wie Umrüstung auf LED-Technik, Bewegungs-/Präsenzmelder oder eine Dämmerungsregelung amortisieren sich rasch." Es lohne sich aber auch, Heizungsanlagen, Warmwasserversorgung und Thermostate zu überprüfen, Verluste in der Werkstatt etwa bei Heizgebläsen und Druckluftsystemen zu reduzieren. Bei Sternpartner konnten so die Stromkosten innerhalb eines Jahres trotz Preissteigerungen um acht Prozent reduziert und 1.150 Tonnen CO2 eingespart werden. Weitere Maßnahmen seien in Planung, so Boisseree.
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Gregory Endres vom Beratungsunternehmen "Fokus Zukunft" wies darauf hin, dass die europäischen Länder ihren Wohlstand auf fossilen Brennstoffen aufgebaut hätten. Das Bevölkerungswachstum der Zukunft werde aber in Ländern wie China und Indien sowie auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden. Ziel müsse es sein, auch diese Länder für CO2-neutrale Energieerzeugung zu gewinnen. Ein Weg sei die finanzielle Unterstützung etwa von Windkraft- oder Solarenergie-Projekten für den globalen Klimaschutz durch einen qualifizierten CO2-Zertifikatehandel.
Roberto Rossetti, Hauptabteilungsleiter Entwicklung Gesamtfahrzeug – Fahrzeuglebenszyklus bei BMW, konzentrierte sich auf die Frage, wie moderne Technologien zu einem umweltfreundlicheren Produkt führen können, bezogen auf Klimaschutz und Ressourcenschonung. In der Nutzungsphase könnten Treibhausgase durch batterieelektrische Fahrzeuge am besten reduziert werden, erklärte Rossetti. BMW wolle aber die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2019 reduzieren.
Alte Autos als Rohstofflieferanten
Die größte Herausforderung liegt aus Sicht von Rossetti bei der besonders energieintensiven Produktion in der Lieferkette. Hier gebe es Potenziale in der stärkeren Verwendung von Recyclingmaterial bei Kunststoffen und Metallen sowie in der Verbesserung bei Demontage und Recycling. So könnten alte Autos als Rohstofflieferanten für neue Fahrzeuge dienen. Zukünftig sollten dafür die Demontage von Komponenten vereinfacht, die Anzahl von Komponenten verringert, die Materialauswahl verwertungskompatibel gestaltet und kritische Materialien vermieden werden, so der BMW-Manager.
"Es muss sich etwas ändern, aber es kann gut werden", betonte Pauline Schur, Teamleiterin Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Sie warb dafür, gemeinsam an der dringlichen Aufgabe der CO2-Reduzierung zu arbeiten. Dabei falle dem Straßenverkehr mit einem Anteil von 71,7 Prozent der CO2-Emissonen eine Schlüsselrolle zu. Das Auto sei nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel, und die Pkw-Dichte nehme weiter zu auf inzwischen 583 Autos auf 1.000 Einwohner. Der NABU setzt nach ihren Worten hier komplett auf E-Mobilität und auf Verkehrsvermeidung, ohne jedoch jemanden zurücklassen zu wollen. Vorrangig sei der Ausbau der Schiene, Straßen sollten lediglich erhalten und saniert werden, und vom Anspruch "Autobesitz für alle" solle sich wegbewegt werden, und zwar durch Förderung von Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Mobilitätsstationen. Parallel müssten die Verbrenner teurer werden. Auch E-Fuels seien nicht die Zukunft, so Schur.
Die anschließende Diskussion unter Leitung von ZDK-Hauptgeschäftsführer Kurt-Christian Scheel, drehte sich unter anderem darum, wie Autohäuser neue und erweiterte Mobilitätskonzepte anbieten können. Auch Flottenkunden interessierten sich immer mehr für Klimaschutz und Recycling, hieß es. Man müsse den Individualverkehr ganzheitlich denken und alle Mobilitätsformen in einen nachhaltigen Ausgleich bringen. Die Beteiligten waren sich einig, dass alle Aspekte einer nachhaltigen individuellen Mobilität gemeinsam und mit Nachdruck weiterverfolgt werden müssen.