Continental verschärft seinen Sparkurs noch einmal deutlich und treibt den laufenden Umbau im Angesicht der schweren Corona-Einbrüche an einzelnen Standorten weiter voran. Von 2023 an werden laut jüngsten Planungen nun brutto mehr als eine Milliarde Euro an Einsparungen pro Jahr angepeilt, teilte der Dax-Konzern am Dienstag mit. Die jährliche Zielgröße bis 2023 betrug bisher rund 500 Millionen Euro. Der Autozulieferer will die Kosten noch stärker drücken. Zudem wird klarer, welche weiteren Schritte auf das Personal zukommen. Betriebsräte und Gewerkschafter zeigten sich alarmiert.
Conti wird - wie weite Teile der Autoindustrie - derzeit hart vom Nachfragerückgang in der Corona-Krise getroffen. Die Hersteller bestellen weniger, das Geschäft läuft nur langsam wieder an, in China etwas rascher. Hinzu kommt der teure und schwierige Umbau, der die Hannoveraner weg von klassischer Verbrennertechnologie führen soll.
Das im vergangenen Jahr gestartete Programm "Transformation 2019-2029" ist mit dem Abbau zahlreicher Jobs in alten Bereichen wie Mechanik und Hydraulik verbunden. Parallel will Continental möglichst viele Beschäftigte weiterqualifizieren. Aktuell gehe man davon aus, dass es global Auswirkungen auf 30.000 der über 232.000 Arbeitsplätze gebe, erklärte der Konzern. "Das heißt, sie werden dabei verändert, verlagert oder aufgegeben." 13.000 der fraglichen Jobs seien in Deutschland angesiedelt. In der ersten Stufe war zunächst von bis zu 20.000 betroffenen Jobs insgesamt und 7.000 hierzulande die Rede.
"Ein Teil des Transformationsprogramms wurde bereits vollzogen", hieß es - mit Folgen für bislang etwa 3.000 Arbeitsplätze. Jedoch werde es einen Aufbau neuer Stellen geben, die etwa bei Alternativantrieben und Digitaltechnologien entstehen. Man komme zudem von einem hohen Beschäftigungsniveau, auch nach der Wirtschaftskrise 2018/2019.
"Schwerer Schlag" für Unternehmen und Belegschaft
Der Konzernbetriebsrat ließ dennoch kein gutes Haar an den Ankündigungen. Dessen Chef Hasan Allak und Vize Lorenz Pfau sprachen von einem "schweren Schlag" für Unternehmen und Belegschaft. "Der Vorstand greift zum bekannten Strickmuster: Umsatz runter, Kosten runter, Werke dicht machen, Arbeitsplätze streichen." Schon vor Corona hatten einige Gewerkschafter gemutmaßt, die Führung wolle Herausforderungen wie den Strukturwandel in der Autobranche auch zum Vorwand für die Abwicklung ohnehin unliebsamer Sparten nehmen.
Nach Angaben des Unternehmens konkretisieren sich die Sparansätze unter dem Eindruck der Pandemiefolgen jetzt weiter. So sollen etwa bestimmte Funktionen aus Produktion, Forschung und Entwicklung "an den weltweit wettbewerbsfähigsten Standorten" zusammengezogen werden.
Dazu kommen mehr Automatisierung, Nutzung flexibler Arbeitsmodelle und die "Corona-Brücke", wobei kürzere Arbeitszeit bei gleichzeitiger Weiterbildung möglich ist. "Dauerhaft unrentable Geschäftsteile" sollen dagegen verkauft werden. Hierzu gab es keine Details. Es könne in dem Zusammenhang aber "zur Verlagerung oder Schließung von Anlagen und Betriebsteilen an Standorten mit dauerhaft zu hohen Kosten, auslaufenden Technologien oder absehbar mittel- bis langfristig unwirtschaftlicher Auslastung der Produktionskapazitäten" kommen.
Die erweiterte Sparpläne werden noch in den Gremien diskutiert. Personalvorständin Ariane Reinhart sieht die Sondierungen für die deutschen Standorte mit insgesamt 59.000 Beschäftigten vor der "entscheidenden Phase". "In diesen Zeiten Beschäftigungssicherung auszusprechen, wäre nicht fair den Mitarbeitern gegenüber", erklärte die Managerin. Auch der Aufsichtsrat muss am Ende zustimmen.
"Faires Paket" gefordert
Die Conti-Betriebsräte warnten: "Werden die Einschnitte umgesetzt, zerstört der Vorstand Lebenspläne, vernichtet Wissen und Kompetenz in großem Maßstab und beschädigt die Attraktivität von Continental als Arbeitgeber." Nötig sei ein für alle ausgewogenes und "faires Paket" mit besseren Perspektiven für die Mitarbeiter, zu dessen Verhandlung man bereit stehe. "Alles andere würde einen folgenschweren Konflikt mit uns auslösen." Auch aus der Gewerkschaft IG BCE kam deutliche Kritik: "Unter dem Deckmantel der Corona-Krise soll nun offenbar alles zusammengekehrt werden, was den Renditeansprüchen nicht mehr gerecht wird", meinte Hauptvorstandsmitglied Francesco Grioli.
Conti-Vorstandschef Elmar Degenhart hatte schon im Juni gewarnt, dass die Viruskrise die heikle Lage vieler Zulieferbetriebe verschlimmern könnte, sofern die Nachfrage nicht bald anziehe. Ein Grund für die Erweiterung des Sparprogramms sei die fortdauernd geringe weltweite Fahrzeugproduktion und Verschärfung der Konjunkturkrise. Dabei strebe er "einen Ausgleich mit den Interessen unserer Belegschaft" an.
Im zweiten Quartal war Continental tief in die Verlustzone gerutscht. Der Netto-Fehlbetrag lag zwischen April und Juni bei 741,1 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor hatte es 484,8 Millionen Euro Gewinn gegeben. (dpa)