Das Handschaltgetriebe ist nach wie vor wichtig: Weltweit wird jedes zweite im Pkw verbaute Getriebe manuell geschaltet, in Europa verfügen sogar über 60 Prozent der Fahrzeuge über ein Handschaltgetriebe. Bis in die 1980er-Jahre hinein waren dabei mechanische Kupplungen Standard. Betätigte der Fahrer das Kupplungspedal, wurde die Kraft über einen Seilzug zu einem Hebelmechanismus in der Kupplungsglocke übertragen. Durch den engeren Bauraum und gestiegene Komfortansprüche sind moderne Kupplungen heute zunehmend mit einer hydraulischen Kupplungsbetätigung ausgestattet, denn die Komponenten müssen eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen - ob weiches Anfahren, schnelles Schalten, mehr Laufruhe oder weniger Geräusche. Die Kupplung muss zudem leicht bedienbar sein, damit sich der Kraftfluss sicher dosieren oder unterbrechen lässt.
Segeln zur Kraftstoffreduzierung
Automobilzulieferer Schaeffler geht nun einen Schritt weiter und hat mit der "E-Clutch" ein automatisiertes Kupplungssystem vorgestellt, das sich mit verschiedenen OEM in der Erprobung befindet und bis Ende 2017 serienreif sein soll. Je nach Ausbaustufe übernimmt E-Clutch das Kuppeln nur in bestimmten Fahrsituationen oder führt alle Kupplungsvorgänge vollautomatisiert durch - ein Treten des Kupplungspedals ist dann nicht mehr notwendig.
Damit können kraftstoffsenkende Fahrstrategien wie "Segeln" bis hin zum elektrisch unterstützten Fahren auch bei Fahrzeugen mit manuellem Schaltgetriebe eingesetzt werden. Bislang ist dies nur in Verbindung mit Automatikgetrieben möglich. Das ist entscheidend, um die immer strenger werdenden Emissionsvorschriften zu erfüllen. Für die Handschaltgetriebe hat Schaeffler drei nach dem Grad der Automatisierung abgestufte Konzepte einer E-Clutch entwickelt.
In der einfachsten Variante "MTplus" wird das Grundprinzip der hydraulischen Kraftübertragung beibehalten, aber ein zusätzlicher Aktuator direkt in die Druckleitung eingebaut. Der Vorteil: Bei dieser Anordnung sind die Anforderungen an die Betätigungszeit und -anzahl geringer. Bei konstanter Fahrt wird der Motor vom Getriebe getrennt und entweder ganz abgeschaltet oder im Leerlauf weiterbetrieben (Segeln). Das Auskuppeln übernimmt dabei MTplus. Das Signal dazu gibt der Fahrer indirekt, indem er vom Gas geht.
Laut Schaeffler soll sich im künftigen Verbrauchsmesszyklus nach WLTP der Kraftstoffverbrauch mit dem Einsatz von MTplus um mindestens drei Prozent senken lassen. Die Funktion Segeln wird sogar zukünftig als Möglichkeit zur CO2-Emissionsreduktion für die Homologation von Kraftfahrzeugen anerkannt. Die Mehrkosten der MTplus-Technik gegenüber einer klassischen Kupplung halten sich darüber hinaus laut Schaeffler in Grenzen.
In der zweiten E-Clutch-Ausbaustufe Clutch-by-Wire ("CbW") wird die mechanische oder hydraulische Anbindung des Pedals an das Ausrücksystem vollständig ersetzt. Die jetzt fehlende Gegenkraft des Ausrücksystems auf das Pedal wird über einen von Schaeffler entwickelten Pedalkraftsteller erzeugt. Dieser enthält zudem einen Sensor, der die Pedalstellung an den Kupplungsaktor meldet. Dadurch nimmt der Fahrer nicht unmittelbar wahr, dass die Kupplungsbetätigung automatisiert ist, sondern fährt weiterhin, wie er es vom Handschalter gewohnt ist. Das eigentliche Öffnen und Schließen der Kupplung übernimmt in allen Fahrsituationen ein intelligenter Aktor. Er besteht aus einem Grundaktor, der die gesamte Elektronik, den E-Motor und einen Spindeltrieb beinhaltet. Die anwendungsspezifische Anbindung an die Kupplungsbetätigung übernimmt ein mechanisches oder hydraulisches Modul. Der modulare Aufbau macht das System universell einsetzbar und reduziert sowohl die Entwicklungsals auch die Systemkosten. Das Ausrücksystem eignet sich auch für Situationen, die einen hoch dynamischen Eingriff erfordern - zum Beispiel schnelles Schalten und schlagartiges Bremsen. Die Umsetzung von Pedalweg in Kupplungsweg lässt sich zudem elektrisch tunen. Das ermöglicht eine gangabhängige Adaption oder die Wahl eines Sportmodus, was bisher Automatikgetrieben vorbehalten war.
Als dritte E-Clutch-Variante ist das elektronische Kupplungsmanagement ("EKM") identisch zu Clutch-by-Wire, verzichtet jedoch auf das Kupplungspedal. Das Signal zum Auskuppeln liefert ein Sensor in dem Moment, in dem der Fahrer zum Schalten ansetzt. Ebenso erfolgt das Einkuppeln automatisch, wenn der Gang eingelegt ist. Der noch höhere Automatisierungsgrad von EKM bietet gute Voraussetzungen, um einen Elektromotor in den Antriebsstrang zu integrieren. Bei entsprechend dimensionierter Batterie in einem 48-Volt-Bordnetz übernimmt dieser den Vortrieb in allen Fällen, in denen der Verbrennungsmotor unwirtschaftlich arbeitet - zum Beispiel beim Einparken, im Stop-and-Go-Verkehr oder im Stadtbetrieb bei geringer Geschwindigkeit. "EKM ermöglicht einen technisch eleganten und wirtschaftlichen Einstieg in die milde Hybridisierung, wie er so mit einem Automatikgetriebe nicht darstellbar wäre", erläutert Dr. Roland Welter, Leiter Produktlinie Gesamtsystem Kupplungen bei Schaeffler. Mit E-Clutch ermöglicht Schaeffler den hybridisierten Antrieben somit neue Märkte.
Kurzfassung
Mit E-Clutch von Schaeffler lassen sich Schaltvorgänge ohne Kupplungspedal oder mit elektronischem Kupplungspedal durchführen. Das Fahrzeug kann auch im Segelmodus betrieben werden. Das System ist eine Alternative zur Automatik.
- Ausgabe 05/2016 Seite 32 (245.9 KB, PDF)