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Borgwarner: Großes Potenzial für Turbolader

18.02.2016 11:00 Uhr

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asp: Herr Boe, als Vice President und General Manager Global Aftermarket verantworten Sie das weltweite Aftermarket-Geschäft für die Bereiche Turbo und Emissions von BorgWarner. Was sind Ihre Ziele?

M. Boe: Wir haben die BorgWarner Aftermarket Europe GmbH gegründet, um unseren Aftermarket-Produkten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wir wollen einen guten Service und Lösungen für unsere Partner bieten. Dazu müssen wir auch die richtige Menge an Produkten auf den Markt bringen, um den Bedarf von unseren Endkunden wie Flotten und Werkstätten zu erfüllen, sodass sie sich nicht nach einer Alternative umsehen müssen. Wenn sie leicht ein BorgWarner-Produkt bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie unsere Produkte weiterhin kaufen. Denn sie wissen, dass wir für Qualität stehen.

asp: Was sind denn die wichtigsten Märkte in Europa?

M. Boe: Der wichtigste Markt ist für uns dort, wo der Anteil an Autos mit Turboladern am größten ist. Wenn man die unterschiedlichen Regionen vergleicht, ist Deutschland hier ein sehr wichtiger Markt für uns, ebenso wie auch Frankreich. Danach kommen Italien, Spanien und Großbritannien. In Osteuropa zählt Polen zu den größten Märkten, auch Russland ist ein großer Absatzmarkt.

asp: Sie verkaufen im Aftermarket also nur Turbolader?

M. Boe: Nicht nur, aber hauptsächlich, denn das ist unsere größte Unternehmenssparte. Gerade in den letzten fünf Jahren haben sich Turbolader durch das Downsizing der Motoren sehr gut etabliert. Im Dieselbereich sind in Europa inzwischen rund 95 Prozent der Pkw damit ausgestattet, bei benzinbetriebenen Fahrzeugen liegt der Anteil auch schon bei rund 90 Prozent. Ganz anders in den USA: Dort haben zwar alle Trucks Turbolader, aber im Pkw-Bereich ist die Verbreitung sehr niedrig, besonders in Benzinmotoren. Und der Pkw-Dieselbereich ist in den USA ohnehin kaum ausgeprägt. Das Gleiche gilt für Asien und Südamerika. Gerade in den USA sehe ich noch viel Potenzial, denn Turbolader sind bei Verbrennungsmotoren immer ein guter Weg, um CO2-Emissionen zu verringern. Hier wird sich im Benzinbereich noch sehr viel tun.

asp: Was für Produkte vertreiben Sie noch?

M. Boe: Seit Anfang des Jahres kooperieren wir mit den BorgWarner-Kollegen von Emissions Systems, die Abgassysteme im Portfolio haben. Wir verkaufen nun auch Produkte aus diesem Bereich, beispielsweise Thermostate, Thermoschalter und AGR-Module unter der Marke Wahler.

Momentan kann ich noch nicht verraten, was als Nächstes kommen wird. Es wird aber nicht das letzte Produktportfolio sein, das wir im Aftermarket anbieten werden. Wir haben beispielsweise gerade den Elektrik-Spezialisten Remy gekauft, der Anlasser und Komponenten für den elektrischen Antriebsstrang produziert.

asp: Wie groß ist der Aftermarket-Bereich von BorgWarner im Vergleich zur OE- Sparte?

M. Boe: Der Gesamtumsatz von BorgWarner betrug 2014 8,3 Milliarden Dollar. Der Anteil des Aftermarket-Bereichs beträgt rund sechs Prozent am gesamten BorgWarner-Unternehmen. Unser Ziel ist es, zehn Prozent des OE-Volumens zu erreichen.

asp: Wird der Aftermarket für BorgWarner in Zukunft an Bedeutung gewinnen?

M. Boe: Ja, der Aftermarket wird immer wichtiger, da es immer mehr Fahrzeuge gibt. Und je mehr Fahrzeuge auf dem Markt verfügbar sind, desto wichtiger ist es, dass diese Fahrzeuge in Zukunft auch gewartet werden können. Denn wenn ein Autobesitzer mit seiner Marke zufrieden ist, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder dieselbe Marke kaufen. Es ist deshalb wichtig, dass er nach Ablauf der Garantie eine günstige Reparatur auf dem freien Markt bekommen kann. Der Service ist das entscheidende Element. Borg Warner hat sich die letzten Jahre stark darauf konzentriert.

asp: Wie werden BorgWarner-Produkte auf dem Aftermarket vertrieben?

M. Boe: Wir haben in Europa rund 100 Distributionspartner, die entweder direkt an die Werkstätten oder als Zwischenschritt an Teile-Großhändler verkaufen. Für beide Bereiche haben wir Spezialisten bei uns. In Deutschland haben wir allein zehn Distributionspartner für den Turbolader-Bereich. Mit der Kooperation mit Emissions Systems hat sich das Netzwerk deutlich erweitert. Wir wollen den bestmöglichen Vertrieb für Pkw, Lkw und industrielle Anwendungen haben. Das sind oftmals sehr unterschiedliche Vertriebsstrukturen, da das Kaufverhalten sehr unterschiedlich ist.

asp: Wie unterscheidet sich denn der Vertrieb im Pkw-Bereich von anderen Bereichen?

M. Boe: Pkw-Kunden können für einen bestimmten Zeitraum auf ein defektes Fahrzeug verzichten, da es lediglich für den Transport von A nach B gedacht ist. Die Kosten der Reparatur stehen im Vordergrund. Bei Lkw sieht das anders aus: Wenn der Lkw wegen eines Defekts den ganzen Tag steht, kostet das den Besitzer mehrere Tausend Euro. Das Interesse des Besitzers ist es also, das Fahrzeug so schnell wie möglich wieder auf die Straße zu bekommen. Der Reparaturpreis ist dabei eher nebensächlich. Im Industriebereich haben wir wiederum Maschinen, die vielleicht nur 20 Tage im Jahr laufen, dann aber zu hundert Prozent zuverlässig funktionieren müssen. Unsere Vertriebspartner haben deshalb einen unterschiedlichen Fokus. Manche Partner können alles, andere nur einen Industriebereich abdecken.

asp: Was für Schulungen und Trainings bietet BorgWarner an?

M. Boe: Wir bieten unseren Vertriebspartnern Standardtrainings an, in denen Borg-Warner vor Ort erklärt, wie Turbolader funktionieren und wie sie sich reparieren lassen. Wir haben auch ein Online-Tool für Distributoren, das sich "Interactive TurboXpert" nennt. Das ist eine Art Forum, wo der Nutzer technische Fragen an Technik-Experten stellen kann, die dann die Antwort veröffentlichen. Jeder, der das gleiche Problem hat, kann die Antwort dort dann nachlesen. Ich denke auch, dass eLearning in Zukunft das richtige Instrument sein wird, um ein größeres Publikum anzusprechen und Online-Kurse zu halten. Wir sind bislang noch nicht so weit. Mit dem System "TurboAcademy", das wir momentan für interne Schulungen nutzen, möchten wir jedoch in Zukunft in diese Richtung auch für externe Partner gehen.

asp: Was hat BorgWarner für Besitzer älterer Autos im Angebot? Gibt es hier eine Budgetmarke oder spezielle Produkte, die günstiger sind?

M. Boe: BorgWarner steht in allererster Linie für Qualität. Das soll das Erste sein, an was Leute denken, wenn sie unseren Namen hören. Wir achten jedoch auf die Bedürfnisse, die Kunden im Laufe des Lebenszyklus eines Fahrzeugs haben. Nach einem gewissen Zeitraum wollen sie nicht unbedingt immer ein neues Teil kaufen. Für diese Klientel bieten wir ein wiederaufbereitetes Produkt. Am Ende des Lebenszyklus, wenn nicht klar ist, wie lange das Fahrzeug noch durchhält, offeriert BorgWarner Komponenten-Kits, mit denen Werkstätten in der Lage sind, einen Turbolader mit Originalteilen zu reparieren. Das ist eine besonders günstige Lösung für den Endkunden, denn es wird nur das Innenleben des Turboladers ausgetauscht und das Außengehäuse bleibt bestehen. Das können Werkstätten relativ einfach reparieren.

asp: Was wird bei der Aufbereitung eines Turboladers genau gemacht?

M. Boe: Bei der Wiederaufbereitung werden die Turbolader zerlegt, gereinigt, und die einzelnen Teile auf Qualität geprüft. Nicht mehr verwendbare Teile werden dabei durch neue ausgetauscht. Das Ziel ist es aber, so viele alte Teile wie möglich wieder zu verwenden. Mit dieser zeitwertgerechten Reparatur kann der Turbolader rund 25 bis 30 Prozent günstiger als ein neues Produkt verkauft werden. Der Vorteil ist darüber hinaus, dass die Umweltbilanz dabei deutlich besser aussieht, denn 50 bis 70 Prozent des Materials werden nicht weggeworfen.

asp: Und die Funktionalität ist dabei genauso hoch wie beim neuen Produkt?

M. Boe: Wiederaufbereitete Turbolader sind oftmals sogar besser als neue. Das liegt daran, dass die Turbolader auf den "neuesten Stand" gebracht werden, also eventuelle Verbesserungen bereits eingeflossen sind. Das ist ein bisschen mit einem Motor vergleichbar: Wenn der nicht rostet, hält der ewig. Man muss den Motor nur warten und auf dem neuesten Stand halten. So ein Motor ist dann oft besser als ein neuer, da er perfekt eingelaufen ist. Ich denke, dass die Bedeutung von Wiederaufbereitung in Zukunft zunehmen wird.

asp: Macht Ihnen die steigende Anzahl an elektrisch betriebenen Fahrzeugen Sorgen?

M. Boe: Elektro-Fahrzeuge sind interessant für uns. Generell muss der unabhängige Aftermarket lernen, mit diesen neuen Technologien umzugehen und die Fahrzeuge zu reparieren. Dabei ist es auch sehr wichtig Informationen über diese Fahrzeuge von den Herstellern zu bekommen. Wenn es eine Nachfrage nach diesen Technologien gibt, werden wir sehen, wie wir diesen Markt in Zukunft bedienen können.

asp: In Deutschland sollen bis 2020 eine Million elektrisch betriebene Fahrzeuge auf den Straßen rollen.

M. Boe: Wir sollten hier ganz realistisch sein. 2015 wurden weltweit über 80 Millionen Pkw hergestellt, davon aber nur ein Bruchteil mit elektrischem Antrieb. In Deutschland gibt es gerade einmal rund 19.000 elektrische Fahrzeuge, über 44 Millionen sind dagegen mit Verbrennungsmotoren ausgestattet. Selbst wenn 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen rollen, ist das immer noch ein geringer Prozentsatz. Die nächsten 15 bis 20 Jahre wird Elektromobilität keine große Relevanz für uns haben, denn der Aftermarket bedient Fahrzeuge, die fünf Jahre und älter sind. Es gibt immer noch ein sehr großes Potenzial für Turbolader.

asp: Was planen Sie für die Zukunft?

M. Boe: Unser Ziel ist es, immer den besten Service und die besten Produkte für unsere Partner und Endkunden zu liefern. Wenn sie zufrieden mit unseren Leistungen sind, werden sie auch weiterhin auf BorgWarner-Produkte setzen. Wir möchten auch unser Produktportfolio erweitern und wir möchten so effizient wie möglich in allen Märkten in Europa, Asien und Afrika sein. Gerade in letzteren beiden sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. Wir wollen auch dort ein profitables Wachstum erreichen. BorgWarner konzentriert sich auch weiterhin auf Technologien, die den Treibstoffverbrauch reduzieren, die Effizienz erhöhen und gleichzeitig die bestmögliche Leistung abrufen.

Interview: Alexander Junk

Kurzfassung

Michael Boe sieht für das Aftermarket-Geschäft von BorgWarner eine große Zukunft, da das Fahrzeugvolumen stetig anwächst. Neben Turboladern werden seit Anfang 2016 auch Abgassystem-Produkte wie Thermostate und AGR-Module angeboten.

Vita

Michael Boe (45) stammt aus Dänemark und war die letzten 20 Jahre in verschiedenen Positionen in der Automobilbranche beschäftigt, einen Großteil davon im Aftermarket-Bereich. Seine Karriere startete Boe bei Philips, danach wechselte er zu Mannesmann VDO, Siemens VDO und Delphi.Beim Automobilzulieferer Meritor in Zürich verantwortete er das Aftermarket-Geschäft für Achsen und Bremsen im Heavy-Duty-Bereich. Seit Januar 2015 ist Boe bei BorgWarner Vice President und General Manager Global Aftermarket. Dort ist er für das Aftermarket-Geschäft für Nord- und Südamerika, Asien und Europa zuständig.

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