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Brandgefahr: Kühlen, bis der Arzt kommt

20.03.2020 11:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Fahrzeugbrand
Jeder Fahrzeugbrand stellt die Rettungskräfte vor besondere Herausforderungen. Bei Elektrofahrzeugen gibt es noch Unsicherheiten beim Umgang.
© Foto: picture alliance/Dennis Straubon/w-images.de

E-Mobile brennen nicht häufiger als Fahrzeuge mit anderen Antrieben. Aber wenn es zum Brand der Batterie kommt, sind die Folgen teils dramatisch. Deshalb müssen sich auch Abschleppdienste und Werkstätten auf den Ernstfall vorbereiten.

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Kurzfassung

Noch fehlen bei Rettungskräften, Abschleppdiensten und in Werkstätten Erfahrungswerte. Brände bei Elektroautos sind selten. In Servicebetrieben muss es für verunfallte E-Mobile Quarantäneflächen im Freien geben.

Berichte über die Folgen von Bränden bei Elektrofahrzeugen sind teilweise dramatisch und lassen nichts Gutes erwarten, wenn sich die Technik erst mal verbreitet. Immerhin soll es bis 2030 nach den Plänen der Bundesregierung hierzulande bis zu zehn Millionen E-Fahrzeuge geben.

Kommt es nach einem Unfall zum thermischen Durchgehen (Thermal Runaway) der energiegeladenen Akkus, ist das Löschen des Brandes kaum möglich. Die Feuerwehr setzt daher auf das Kühlen der Batterie mit großen Mengen Wasser. Rolf Erbe, Brandoberamtsrat bei der Berliner Feuerwehr, verweist auf die beschränkte Einsatzerfahrung bei Bränden mit Elektrofahrzeugen hin. Während die Löscharbeiten bei herkömmlichen Fahrzeugen Routine seien, könne die Feuerwehr bei brennenden Batterien nicht auf den gleichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die Schlagzeilen in der Presse, die häufig ein Bild von hilflosen und überforderten Rettungskräften zeichneten, seien aber fehl am Platz. "Es ist nicht so, dass man brennende E-Fahrzeuge nicht unter Kontrolle bekommen könnte", betont der Brandexperte.

Gutes Abschneiden im Crashtest

Der ADAC beobachtet den Hochlauf der Elektromobilität vor allem auch aus Verbrauchersicht. Beim Thema Brandgefahr ist der Automobilclub nicht beunruhigt. "Es gibt keine sachlichen und objektiven Hinweise, dass E-Autos hinsichtlich der Gefahren bei Unfall, Panne oder im Brandfall als kritischer einzustufen wären als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor", erklärt Matthias Vogt, Referent Fahrzeugtechnik Elektromobilität beim ADAC. Der Automobilclub hat E-Mobile im Crashtest für gut befunden: "Beim Crashtest schneiden Elektroautos nicht schlechter ab als herkömmliche Fahrzeuge - ganz im Gegenteil", heißt es in einer Mitteilung zum Test des neuen Porsche Taycan. Die Strukturen der Batterie blieben bei allen vier Euro-NCAP-Crashversuchen intakt.

Problematisch sind aus Sicht der Feuerwehr Unfallszenarien, bei denen das Fahrzeug stark verformt wird, beispielsweise bei seitlichem Aufprall an einen Baum. "Bei E-Antrieben müssen wir immer zuerst das Fahrzeug stromlos schalten, denn wir wissen nie, ob das Fahrzeug dies automatisch getan hat. Es gibt auch keine Möglichkeit, das von außen zu erkennen", erläutert Brandexperte Rolf Erbe. Nachdem das Fahrzeug stromlos geschaltet wurde, wird auf jeden Fall geprüft, ob die Batterie beschädigt ist, sich durch Beschädigungen erwärmt oder Elektrolyt aus der Batterie entweicht. Wenn die Batterie einmal in Brand geraten ist, kann man den Vorgang nicht direkt stoppen. Rolf Erbe: "Dann bleibt uns nur, die Batterie zu kühlen."

Abschleppdienste in Sorge

Problematisch für Abschleppdienste: Eine defekte Batterie kann auch nach mehreren Tagen noch in Brand geraten oder sich erneut entzünden. Bergungsdienste sind entsprechend geschult, aber theoretisch lässt sich nicht ausschließen, dass die Batterie auf dem Abschleppfahrzeug noch mal in Brand gerät. Wegen der fortdauernden Brandgefahr verlangen Automobilhersteller von ihren Händlern, für Unfallfahrzeuge einen Quarantäneplatz im Freien vorzuhalten. In der Broschüre "Ihr Weg zur Elektromobilität", die Volkswagen an Servicepartner geschickt hat, verlangt der Hersteller neben speziell geschultem Personal und sicher ausgelegten Hochvolt-Arbeitsplätzen auch einen speziell geschulten Hochvolt-Experten im Betrieb, der in der Lage ist, kritische Batterien zu verpacken. Jeder Servicepartner muss zudem eine Quarantänefläche mit "ausreichendem Abstand zum Schutz von Gebäuden, anderen Fahrzeugen, Batterien und Gefahrenquellen" bereithalten.

Die Prüforganisation TÜV SÜD sieht keinen Grund, Alarm zu schlagen. Florian Hockel von TÜV SÜD Product Service GmbH testet Endverbraucherprodukte und kennt sich aus mit Lithium-Ionen-Batterien. Hockel und sein Team prüfen rund 800 neu entwickelte Akkus jedes Jahr auf Hitze- und Kälteresistenz, Stabilität und Leistung. "Es ist wie bei allen neuen Produkten - je mehr auf den Markt kommen, desto mehr passiert dann auch. Bei Elektroautos ist die Anzahl der Vorfälle im Vergleich zur Anzahl an Produkten nach unseren Beobachtungen aber verschwindend gering." Aus Sicht der Prüforganisation sind die vorhandenen Vorschriften auf jeden Fall umfassend. In welchem Zustand sich eine Batterie nach einem Unfall befindet, ist allerdings nicht leicht festzustellen: "Man kann anhand des Lade- und Entladeverhaltens sowie der Zelltemperatur in entsprechenden fachbetrieblichen Einrichtungen herausfinden, ob Zellen Schaden genommen haben. Dazu ist aber spezielles Equipment notwendig, das ist sicher nicht flächendeckend in jeder Werkstatt verfügbar."

Abschleppen, Transportieren, Pannenhilfe und Verwahrung - so macht man es richtig

Was ist beim Verladen eines Elektro-/Hybrid-Fahrzeuges nach einem Unfall zu beachten?

- Vor dem Verladen sollte das Hochvolt-System deaktiviert sein (z. B. Zündung ausschalten, ggf. vorhandene Trennstelle nutzen, Zwölf-Volt-Batterie abklemmen).
- Bei der Übergabe an Bergeunternehmer muss die Feuerwehr die Antriebsart des Fahrzeugs und die erfolgten Maßnahmen (z. B. Hochvolt-Deaktivierung) mitteilen. Insbesondere ist auf eine mögliche Gefährdung durch beschädigte Hochvolt-Komponenten oder mit Wasser in Berührung gekommene Hochvolt-Komponenten hinzuweisen.
- Für das Verladen und den Transport sind nationale Vorschriften/Normen zu beachten (DGUV Information 214-010 und DGUV Information 205-022, DGUV Information 200-005 und DGUV Information 214-081 und die ADR-Vorschriften).
- Ergänzende Hinweise finden sich in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs bzw. dem Rettungsdatenblatt.
- Beim Heben mit einem Kran/Wagenheber und bei Arbeiten mit einer Seilwinde oder beim Verladen ist darauf zu achten, dass keine Hochvolt-Komponenten beschädigt werden.

Was ist beim Abschleppen von verunfallten Elektro-/Hybrid-Fahrzeugen zu beachten?
- Ein Fahrzeugtransport sollte grundsätzlich mit einem Plateaufahrzeug bzw. gemäß Herstellervorgaben erfolgen.
- Beim Abschleppen in der Hubbrille kann es zu Schäden am Elektro-/Hybridsystem kommen, wenn die Antriebsachse(n) auf der Straße verbleibt/ verbleiben.
- Fahrzeuge mit beschädigtem Hochvolt-Energiespeicher sollten möglichst zur nächstgelegenen geeigneten Fachwerkstatt bzw. zu einem sicheren Verwahrort transportiert werden.

Wie müssen verunfallte Elektro-/Hybrid-Fahrzeuge abgestellt und verwahrt werden?
- Verunfallte Elektro-/Hybrid-Fahrzeuge sind, wie konventionelle Fahrzeuge auch, aus Brandschutzgründen in einem abgesperrten Bereich auf einem Abstellplatz im Freien mit ausreichenden Abständen zu anderen Fahrzeugen, Gebäuden, brennbaren Gegenständen und brennbaren Untergründen abzustellen.
- Ein Abstellen eines Elektro-/Hybrid-Fahrzeugs mit beschädigtem Hochvolt-System in einer geschlossenen Halle wird in keinem Fall empfohlen.
- Herstellerspezifische Hinweise (z. B. Rettungsdatenblätter) sind zu beachten.
- Alternativ können verunfallte Elektro-/Hybrid-Fahrzeuge in dafür vorgesehenen Brandschutzsystemen abgestellt werden.
- Abgestellte verunfallte Elektro-/Hybrid-Fahrzeuge mit der Witterung direkt ausgesetzten Hochvolt-Komponenten sind mit einer wetterfesten Plane abzudecken.
Quelle: VDA

Fragen an Stefan Jacobs, Geschäftsführer im Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen (VBA)

asp: Wie gut sind Abschleppunternehmen auf die Elektromobilität vorbereitet?

S. Jacobs: Die Mitarbeiter der Abschleppunternehmen haben in der Regel die Weiterbildung nach DGUV-I 200-005 (BGI 8686 Stufe 1 der Hochvoltschulungen) das heißt, die Mitarbeiter sind in der Lage, nichtelektrotechnische Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltkomponenten auszuführen. Immer mehr haben auch die Qualifikation der Stufe 2 oder höher und sind damit in der Lage, die Fahrzeuge spannungsfrei zu schalten.

asp: Wo gibt es Probleme?

S. Jacobs: Ein Problem sieht der VBA in der nicht einheitlichen Kennzeichnungspflicht von Elektrofahrzeugen. Die Rettungskräfte, aber auch Abschleppunternehmer erkennen oftmals nicht sofort, dass sie es mit einem E-Fahrzeug zu tun haben. Abschleppunternehmen werden in der Regel von Vermittlungszentralen oder der Polizei verständigt, dass es einen Unfall gegeben hat. Die wichtige Information, dass es sich um ein E-Fahrzeug handelt, wird dabei meistens nicht mitgeliefert. Nur so kann ein Abschleppunternehmen dafür Sorge tragen, dass ein Mitarbeiter mit der hierzu notwendigen Qualifikation geschickt wird. Das Wichtigste bei Fahrzeugen mit Hochvoltkomponenten ist die Sicherheit der Pannenhelfer und Rettungskräfte!

asp: Wie groß ist die Gefahr, dass die Batterie brennt?

S. Jacobs: Bei schweren Unfällen mit starker Deformation des Fahrzeugs ist es möglich, dass die Batterie beschädigt sein könnte. Hier herrscht noch große Verunsicherung bei den Kollegen, da man von außen den Zustand der HV-Batterie nicht beurteilen kann. Klar, man kann die Temperatur messen oder mit einer Wärmebildkamera arbeiten, aber wer kann schon sagen, ob sich die Batterie dann im weiteren Verlauf nicht selbst entzündet? Man müsste die Batterie freilegen und begutachten, um letztlich eine sichere Aussage über den Zustand des Akkus zu bekommen, dies ist aber vor Ort von den Abschleppunternehmen nicht zu leisten.

asp: In welchem Zustand übernimmt ein Abschleppunternehmen ein verunfalltes E-Fahrzeug?

S. Jacobs: Das Problem ist einfach: In dem Moment, in dem der Abschleppunternehmer das Fahrzeug übernimmt, geht die Verantwortung dafür auf ihn über. Es wäre daher das Beste, wenn die Feuerwehr das Fahrzeug vorher eingehend begutachtet und freigibt. Dann könnte das Abschleppunternehmen das Auto gefahrlos übernehmen.

asp: Und wie geht es dann mit dem Fahrzeug auf dem Betriebshof oder in der Werkstatt weiter?

S. Jacobs: Auf dem Betriebshof angekommen muss das Auto dann sicher abgestellt werden können - und zwar im Freien. Dazu gehört ein Sicherheitsabstand zu möglicher Brandlast. In den Vorgaben der Berufsgenossenschaft heißt es dazu, das Fahrzeug ist in "ausreichendem" Abstand zu nächsten Brandlast zu lagern, das ist leider nur eine vage Vorgabe, die sehr viel Unschärfe birgt. Automobilhersteller fordern von ihren Händlern Quarantäneplätze zur sicheren Lagerung von verunfallten Elektroautos. So verlangt beispielsweise Opel, dass sich keine Brandlast im Umkreis von 15 Metern befindet, Skoda empfiehlt eine Quarantänefläche von 187,5 m².

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