Kurzfassung
Stoßdämpfer sind Verschleißteile mit Auswirkung auf die Verkehrssicherheit und sollten deshalb regelmäßig überprüft werden. Beim Austausch werden immer noch viele Fehler gemacht. Ein Bilstein-Experte gibt Tipps.
Stoßdämpfertests im Rahmen von Verkehrssicherheits-Aktionen zeigen immer wieder auf, dass rund 15 Prozent aller Autos mindestens einen defekten Stoßdämpfer haben, und das bereits bei Laufleistungen bis 50.000 Kilometer. Rainer Popiol, Leiter der Bilstein Academy, erklärt dazu: "Das Problem ist, dass sich der Verschleiß der Dämpfer nur schleichend einstellt und der Autofahrer durch den Gewöhnungseffekt das nicht merkt." Er empfiehlt deshalb den Werkstätten, jede Gelegenheit zumindest für eine Sichtkontrolle zu nutzen. Ölverlust, gerissene Staubkappen oder defekte Druckanschläge, aber auch das Abriebbild des Reifens oder Fahrwerksgeräusche, sind eindeutige Hinweise, die auch ohne Fahrwerkstester zu erkennen sind.
Zunehmende Last
Steigende Fahrzeuggewichte, insbesondere der E-Autos, und ein pandemiebedingtes, verändertes Freizeitverhalten lassen das Marktpotenzial weiter steigen. Insbesondere die wachsenden Zulassungszahlen für Camper und Wohnmobile, aber auch der vermehrte Einsatz von Fahrrad-Heckträgern in Verbindung mit schweren E-Bikes, ergeben neue Geschäftsfelder. So basieren Wohnmobile in der Regel auf einem Transporter-Chassis und stoßen mit ihren schweren Aufbauten plus Zuladung an die Belastungsgrenzen des Fahrwerks. In Verbindung mit dem hohen Aufbau kann dann von entspannter und sicherer Fahrt nicht mehr die Rede sein. Gleiches gilt für Fahrzeuge, die zum Transport der E-Bikes einen Heckträger auf der Anhängerkupplung nutzen. Dies belastet die Hinterachse nach Bilstein-Berechnungen mit weit über 100 Kilogramm und führt nicht nur zu schlechterem Fahrverhalten, sondern auch zu schnellerem Verschleiß der Dämpfer. Für beide Fälle rät Bilstein zu einem Dämpferwechsel, um Komfort und Fahrsicherheit auf hohem Niveau zu halten.
Obwohl ein Stoßdämpferwechsel keine hoch komplizierte Arbeit ist und Hersteller wie Bilstein seit vielen Jahren Einbau-Hinweise geben, kommt es laut Dimitris Kouvaras, als technischer Trainer bei Bilstein weltweit unterwegs, immer wieder zu den gleichen Einbaufehlern. "Der häufigste Einbaufehler ist der verspannte Einbau des Dämpfers", berichtet Kouvaras. Dies geschieht, wenn die Verschraubungen bereits bei noch frei hängenden Rädern auf der Hebebühne festgezogen werden. Insbesondere die Gummi-Metall-Verbindung im Stoßdämpferauge, die sich um rund 20 Grad bewegen darf, wird dabei bereits an ihre Grenzen gebracht. "Wird zum Festziehen der Schrauben auch noch ein Schlagschrauber benutzt und das Fahrzeug am Boden abgesetzt, ist der Dämpfer bereits verspannt", so Kouvaras. Die Folge ist eine einseitige, vermehrte Reibung, die einerseits das Fahrverhalten verschlechtert und gleichzeitig zu einem frühen Defekt des Dämpfers führt. Der Trainer weist außerdem darauf hin, dass unbedingt mit Drehmomentschlüssel und den richtigen Drehmomenten nach Herstellervorgabe zu arbeiten ist.
Gerne übersehen
Ein weiterer Fehler ist die Vernachlässigung von Druckanschlägen und Staubschutzmanschetten. "Der Druckanschlag wird heute in die Kennlinie des Dämpfers mit einberechnet. Er vermindert das Eintauchen bei hoher Beladung und schützt den Dämpfer vor Durchschlägen", erklärt Kouvaras. Die Staubschutzmanschette hält nicht nur Steinschläge ab, sondern verhindert auch das Eindringen von Schmutz und Salz. "Ist die Manschette eingerissen und Schmutz lagert sich ab, wird dieser mit der Zeit zu einer zähen Masse, die wie Schmirgelpapier an der Kolbenstange wirkt und zu Undichtigkeiten führt", so Kouvaras weiter. Beide Teile sollten bei jedem Stoßdämpferwechsel ersetzt oder zumindest überprüft werden, zumal sie nicht viel kosten. Gleiches gilt für das obere Stützlager des Dämpfers, das nach einem Dämpferwechsel Geräusche verursachen kann. "Die Kontrolle oder der Tausch des Stützlagers beim Austausch eines Dämpfers spart dem Kunden einen erneuten Werkstattbesuch - Stichwort Kundenzufriedenheit", ergänzt der Trainer.
Viele Fahrzeuge sind heute rundum oder an der Hinterachse mit einem Luftfeder-Fahrwerk bestückt. Auch hier wird häufig ein gravierender Fehler gemacht: "Beim Wechsel von Luftfedern ist das Fahrzeug niemals drucklos von der Bühne zu lassen. Werden auch nur Teile der Luftfederung, beispielsweise der Balg, getauscht, muss ich ein Diagnosegerät benutzen und den Balg befüllen, bevor der Wagen von der Bühne abgesenkt wird. Ansonsten knickt der Balg an der falschen Stelle ein und wird beschädigt", so Kouvaras. Für den Fall, dass kein Diagnosegerät verfügbar ist, gibt der Trainer noch einen Tipp: "Den Wagen ablassen, bis die Räder den Boden berühren, den Motor starten und wenige Minuten laufen lassen, bis der Kompressor anspringt. Anschließend kann man gefühlvoll den Wagen in kleinen Schritten ablassen", so der Tipp des Fahrwerk-Experten.
- Ausgabe 07/08/2022 S.24 (149.5 KB, PDF)