asp: Herr Dilchert, mit Chiptuning kann die Leistung eines Autos ohne mechanische Eingriffe am Motor erhöht werden. Wie wirkt sich das auf die Herstellergarantie des Fahrzeugs aus?
U. Dilchert: Die meisten Garantiebedingungen der Hersteller enthalten Klauseln, wonach die Garantie nicht mehr besteht, wenn ein Schaden auf Teile zurückzuführen ist, die in das Fahrzeug eingebaut worden sind und deren Verwendung der Hersteller nicht genehmigt hat. Insofern dürfte die Garantie der Hersteller bei Schäden am Motor, die im kausalen Zusammenhang mit Chiptuning stehen, erlöschen.
asp: Die Herstellergarantie greift aber weiterhin bei Schäden, die nicht mit Chiptuning im Zusammenhang stehen?
U. Dilchert: Wenn beispielsweise an einem Auto mit Chiptuning die Beleuchtung ausfällt, hat das offensichtlich damit nichts zu tun und es wird die Garantie des Fahrzeugherstellers greifen. Bei einer defekten Zylinderkopfdichtung wird man aber sicherlich untersuchen, ob das im kausalen Zusammenhang mit dem Chiptuning steht.
asp: Nicht alle Chiptuning-Hersteller informieren den Nutzer beim Kauf vor dem Garantieverlust.
U. Dilchert: Das sollten sie aber, denn wenn der Chiptuner den Kunden nicht über solche Fragen aufklärt, dann wird er hierfür in der Regel auch haften müssen. Allerdings nicht wegen eines potenziellen Schadens, sondern wegen mangelhafter Aufklärungspflicht. Hier können vom Kunden Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Das gilt übrigens auch für zulassungs- und versicherungsrelevante Fragen.
asp: Einige Chiptuner bieten eine eigene Garantie an, die durch die Leistungssteigerung verursachte Motorschäden abdeckt. Ist der Kunde damit nicht auf der sicheren Seite?
U. Dilchert: Das kommt auf den Chiptuning-Anbieter an. Wenn der Anbieter eine Verantwortung von sich weist und auch der Fahrzeughersteller keine Garantie gewährt, sitzt der Kunde zwischen den Stühlen. Er wird schon einen Sachverständigen einschalten müssen, um die Schadensursache durch Chiptuning nachzuweisen. Das kann natürlich teuer werden. Chiptuning-Anbieter können aber im Schadenfall durchaus großzügig sein, um sich und ihr Geschäft nicht in Misskredit zu bringen. Kein seriöser Chiptuner wird seine Produkte zudem so auslegen, dass ein Motorschaden vorprogrammiert ist. Das würde sich in der Chiptuning-Szene sehr schnell rumsprechen.
asp: Wie sieht es mit der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs bei Chiptuning aus?
U. Dilchert: Die Zulassungsvorschriften besagen, dass an einem Fahrzeug keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen, wenn andere Verkehrsteilnehmer gefährdet werden können oder sich das Abgas- und Geräuschverhalten des Fahrzeugs verschlechtert. Gerade das Abgasverhalten wird beim Chiptuning in der Regel aber in irgendeiner Form beeinflusst. Dann erlischt grundsätzlich erst einmal die Betriebserlaubnis. Sie erlischt nur dann nicht, wenn eine Genehmigung der Änderung oder ein Teilegutachten vorhanden sind oder die Bestätigung von einem amtlich anerkannten Sachverständigen nach dessen Abnahme erteilt wird. Im Regelfall wird das dann in die Fahrzeugpapiere eingetragen. Der Kunde sollte also darauf achten, dass ein entsprechendes Gutachten mitgeliefert wird.
asp: Muss das Chiptuning der Kfz-Versicherung ebenfalls mitgeteilt werden?
U. Dilchert: Das sollte man auf alle Fälle tun. Es ist eine Obliegenheit in allen Versicherungsverträgen, dass gemeldet werden muss, wenn eine Gefahrerhöhung verursacht wird. Wenn ich beispielsweise einen Garagentarif für mein Auto habe und in eine neue Wohnung ohne Garage umziehe, muss ich das der Versicherung melden. Das Gleiche gilt für eine Leistungssteigerung des Autos, denn das ist auch eine Gefahrerhöhung aus Sicht des Versicherers. Unter Umständen wird sich dann der Versicherungsbeitrag erhöhen.
asp: Gibt es weitere rechtliche Besonderheiten, die beim Chiptuning beachtet werden müssen?
U. Dilchert: Das OLG Düsseldorf hat geurteilt, dass mit Chiptuning eine höhere thermische Belastung und ein erhöhter Verschleiß gegeben sind, was wiederum eine geringere Gesamtfahrleistung des Autos bedeutet. Beispielsweise erreicht das Fahrzeug dann nicht mehr übliche 200.000, sondern nur noch 150.000 Kilometer. Das kann beim Weiterverkauf des Fahrzeugs Probleme verursachen, wenn das Chiptuning beispielsweise nicht in die Papiere eingetragen wurde und der Verkäufer den Käufer nicht darauf hinweist. Dann liegt ein Sachmangel vor und der Käufer kann vom Kaufvertrag zurücktreten. Gleiches gilt, wenn der Käufer das Chiptuning nachträglich erst erkennt.
asp: Chiptuning mit Zusatzboxen lässt sich leicht entfernen und angeblich ist der Nachweis nur schwer zu führen, da das Steuergerät des Autos nicht angetastet wird. Sind solche Produkte nicht eine Einladung für Missbrauch?
U. Dilchert: Da habe ich in der Tat ein bisschen Bauchgrimmen. Wir diskutieren derzeit sehr viel über Tacho-Manipulation, bei der ein echter volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Da handelt es sich mehr oder weniger um Betrug, wenn man wissentlich den Kilometerstand manipuliert. Wo liegt der Unterschied dann zum Chiptuning, wenn es verschleiert wird? Es tritt nach dem OLG Düsseldorf mehr Verschleiß am Motor auf, den es ohne das Tuning nicht gegeben hätte. Da liegt es nahe, den gleichen Bewertungsmaßstab anzusetzen.
asp: Also raten Sie generell vom Chiptuning ab?
U. Dilchert: Wer Spaß am Chiptuning hat, der soll es machen. Aber er sollte auch die rechtlichen Besonderheiten beachten und es beim Weiterverkauf des Fahrzeugs offenbaren. Dann ist da vom Ansatz her nichts dagegen einzuwenden. Wenn derjenige, der sein Fahrzeug tunen lässt, Spaß mit seinem Fahrzeug hat und auch der Gebrauchtwagenkäufer daran Spaß hat, dann gibt es keine Probleme.
asp: Herr Dilchert, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch und die interessanten Einblicke.
Das Interview führte Alexander Junk.
- Ausgabe 03/2016 Seite 36 (274.6 KB, PDF)