Seit gut zehn Jahren ist die Farbe Weiß bei Automobilen aller Art wieder en vogue. Es wird Apple mit seinen Rechnern und den ersten ebenfalls in glänzendem Weiß gehaltenen iPods zugeschrieben, dass Weiß wieder zu einer Trendfarbe geworden ist. Positive Attribute wie hohe Innovationskraft und Modernität sowie auch Reinheit werden mit der Farbe verbunden.
Auch die Automobilindustrie hat auf diesen Trend gesetzt und offeriert ein ganzes Bündel an weißen Sonderlackierungen. Besonders beliebt sind die sogenannten "Perleffekt"-Lackierungen, die jedem Auto einen besonderen Glanz verleihen. Diese Lackierungen bestehen nämlich aus zwei Basislackschichten, die unter bestimmten Lichteinflüssen oder Blickwinkeln Effekte auf der Karosserie hervorrufen. Typische Beispiele dieser Perlglanzoder auch Perleffektlackierungen sind "Mystic White" von Mercedes-Benz und "Mineral White" von BMW.
Aufwendige Reparatur
Diese Lackierungen sind schön, haben aber einen entscheidenden Nachteil: Denn im Gegensatz zu klassischen Uni- oder Metallic-Farben sind Lackierarbeiten wesentlich aufwendiger, wenn ein Unfall-Fahrzeug instand gesetzt werden muss. Rainer Karmel, Kfz-Lackierermeister und -sachverständiger, kann ein Lied davon singen. "Als die ersten Dreischichtlackierungen in die Werkstätten zur Reparatur kamen, war noch kein entsprechendes Reparaturlacksystem auf dem Markt. Mittlerweile hat unter anderem der Lackhersteller Standox geeignete Reparaturanleitungen entwickelt, die hilfreich sind. Dennoch ist der Aufwand gegenüber einer klassischen Lackierung deutlich höher."
Musterbleche anfertigen
Harald Klöckner, Leiter Standox Training für Europa, den Nahen Osten und Afrika, erklärt: "Der entscheidende Faktor bei den weißen Perlglanz-Lackierungen ist die Effektschicht. Und für sie gilt: Die beste Annäherung an das Original wird mit Spritzmustern erreicht." Daraus resultiert die Empfehlung, vor dem Lackierprozess drei oder mehr Musterbleche im Grundfarbton anzufertigen. Auf diese werden dann, jeweils entsprechend abgestuft, ein, zwei oder drei Effektgänge appliziert. Weil wegen der unterschiedlichen Anzahl der Lackschichten der Perleffekt auf jedem Blech etwas anders ausfällt, lässt sich durch diese Vorgehensweise die beste Übereinstimmung mit dem Original bestimmen.
So logisch und nebensächlich wie es vielleicht klingen mag: Die Musterbleche müssen korrekt beschriftet werden. Harald Klöckner empfiehlt auf der Rückseite der Bleche die exakte Zahl der Effektgänge zu notieren. Macht man dies nicht, verliert man den Überblick und muss ganz von vorn beginnen. Vor der Lackierung, so empfiehlt es Rainer Karmel, sollte der alte Grundton mit einem Farbtonmessgerät festgestellt werden, um die Nuancen exakt zu bestimmen. Bei der Lackierung selbst wird im ersten Schritt der Basisfarbton deckend über die Schadstelle und in die daran angrenzenden Flächen aufgetragen. Harald Klöckner weist eindringlich darauf hin, dass eine Farbtonangleichung in angrenzende Bereiche oder Karosserieteile unerlässlich ist. "Zudem sollten bei der Reparatur von dreischichtigen Farbtönen Karosserieteile nie einzeln, sondern immer zusammen lackiert werden", erläutert Klöckner. Begründet wird dies vom Standox-Spezialisten mit wechselnden Umweltbedingungen. Der komplexe Lackaufbau der White Pearls ist am besten bei gleichen Verhältnissen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit nachzustellen. Zudem ist es wichtig, vor jedem Auftrag der Effektschicht Staub und Spritznebel sorgfältig zu entfernen, da ansonsten in der folgenden Basislackierung jede Art von Verunreinigung sichtbar bleibt.
Last but not least ist die Anzahl der Spritzvorgänge entscheidend für das beste Ergebnis einer Perleffekt-Lackierung. Dazu rät Klöckner: "Lackieren Sie bei der Applikation der Effektschicht vom äußeren Bereich nach innen. Nutzen Sie dabei den zur Verfügung stehenden Bereich, schränken Sie sich nicht selber ein." Und weiter: "Entscheidend ist bei dem Lackiervorgang, dass genau die gleiche Anzahl von Spritzgängen durchgeführt wird wie auf dem Musterblech, das am besten mit dem Original übereinstimmt. Nur dann wird ein optimales Reparaturergebnis mit White Pearls erzielt."
Sonderlackierungen
Das Vorgehen bei den Perleffekt-Lacken lässt sich auch auf andere Lacke übertragen. Effektfarbtöne wie beispielsweise herstellereigene Farben wie "Rosso Competizione" von Alfa Romeo oder "Blue Candy" von Ford sowie die immer beliebter werdenden Mattlackierungen sind ebenfalls nicht so einfach umzusetzen. Bei einer Reparaturlackierung von solchen Sonderfarben ist die Farbtonangleichung ein essentieller Baustein für ein optimales Ergebnis. Zudem sind wiederum zwingend Spritzmuster erforderlich. Die bis zu fünf Schichten umfassenden Lackierungen sind äußerst komplex und sollten grundsätzlich nur von einem erfahrenen und gut ausgebildeten Lackierer durchgeführt werden. Das Beispiel der Alfa-Farbe Rosso Competizione verdeutlicht dies eindrücklich. Die hohe Brillanz dieses Lackes erfordert einen vierschichtigen Lackaufbau mit zwei Basislackschichten und einer zusätzlichen eingefärbten Klarlackschicht. Standox empfiehlt zudem, dass Reparaturen stets großflächig und nur an ganzen Bauteilen durchgeführt werden. Bei Matt-Lackierungen wird von manchen Herstellern sogar zu einer Komplettlackierung geraten.
Eine hohe fachliche Kompetenz und saubere Umsetzung ist die eine Sache, jedoch gibt es bei der Instandsetzung von Perleffekt-Lacken und Sonderlackierungen auch noch weitere Dinge zu beachten. "Die Arbeitswerte für eine Lackierung von Kfz-Teilen sind seit Jahren immer gleichgeblieben. Da aber eine Uni- oder einfache Metallic-Lackierung wesentlich weniger Aufwand bedeutet als eine Perleffekt-Lackierung, ist diese Art von Berechnung nicht sachgerecht", findet Rainer Karmel. Nach Meinung des Kfz-Sachverständigen müssten bei der Reparatur der teureren und aufwendiger zu bearbeitenden Lackierungen die Arbeitswerte der Versicherungen höher sein, damit Kfz-Lackierwerkstätten kostendeckend arbeiten können.
Kurzfassung
Tipps zur Lackierung
Immer Spritzmuster mit drei Musterblechen anfertigenMusterbleche exakt beschriftenKarosserieteile immer zusammen lackierenImmer die gleiche Anzahl an Spritzgängen wie beim Musterblech durchführen
- Ausgabe 11/2017 Seite 30 (160.5 KB, PDF)