Ein bisschen ironisch ist es schon: Da debütiert auf dem Mercedes-Stand des Genfer Salons (bis 18. März) die überarbeitete C-Klasse, die ab Werk noch mit Halogenscheinwerfern vorfährt; zeitgemäßes LED-Licht muss extra bezahlt werden. Und nur wenige Meter daneben erblickt in der ebenfalls aufgefrischten Mercedes-Maybach S-Klasse die Zukunft des Auto-Scheinwerfers das Licht der Öffentlichkeit: HD-Qualität, zwei Millionen Pixel Auflösung und die Möglichkeit, per Lichtsignal mit dem Fahrer zu kommunizieren stehen ausgewählten Maybach-Kunden noch im ersten Halbjahr 2018 zur Verfügung.
Das besondere am Digital Light sind in den Scheinwerfer integrierte Chips mit jeweils über einer Million Mikrospiegeln pro Seite. Über sie lässt sich der von Hochstrom-Leuchtdioden erzeugte Lichtkegel höchstpräzise gestalten. Wo wie viel Licht benötigt wird und welche Stellen ausgespart werden müssen – zum Beispiel um niemanden zu blenden – ermittelt das System mit Hilfe von Kameras, Radarsensoren und den Navigationskarten in Millisekunden und passt die Lichtausbreitung kontinuierlich an.
Nach ähnlichem Prinzip arbeiten heutige Lichtsysteme auch schon, allerdings erlaubt die Auflösung von über zwei Millionen Pixel ein viel genaueres Formen des Lichtkegels. Momentan sind mit Highend-Scheinwerfern "nur" rund 8.200 Lichtpunkte einzeln ansteuerbar. Damit lässt sich in hundert Meter Entfernung ein gut vier Quadratmeter großes Feld entweder beleuchten oder eben nicht – künftig liegt die Größe einer einzeln ansprechbaren Fläche bei nur noch zehn Quadratzentimetern.
Hinweise in HD-Qualität
Das eigentliche Highlight der neuen Technik ist allerdings die Möglichkeit, wie mit einem Beamer Hinweise und Informationen in HD-Qualität auf die Straße zu projizieren. Darüber soll das Auto mit dem Fahrer kommunizieren und ihn unterstützen: In Baustellen werden zwei Lichtspuren auf die Fahrbahn gezeichnet, die genau der Breite des eigenen Autos entsprechen und dem Fahrer in Engstellen anzeigen, ob der Wagen problemlos hindurch passt. Zusätzlich wird beim Einstellen des Abstandsregel-Tempomats die gewählte Distanz zum Vordermann auf der Straße angezeigt; die Visualisierung soll besser verständlich sein als die aktuell recht vereinfachte Anzeige des Abstands mit Balkengrafik im Kombiinstrument.
Außerdem gibt das Digital Light dem Fahrer mit Symbolen Hinweise. Wird zum Beispiel ein Fußgänger im Gefahrenbereich erkannt, zeigt ein Pfeil auf der Fahrbahn in diese Richtung. Auch Glatteis-Warnungen, Baustellen-Ankündigungen und verschiedene Anzeigen der Fahrassistenten werden direkt ins Blickfeld des Fahrers auf die Straße projiziert. Dort sollen sie noch deutlich besser sichtbar sein als in einem Head-up-Display. Apropos sichtbar: Nur der Fahrer kann die Symbole und Hinweise sehen, alle anderen Verkehrsteilnehmer bekommen davon nichts mit. Für sie verschwinden die Anzeigen im Lichtkegel.
Die ersten Maybach-Fahrzeuge mit Digital Light gibt Mercedes an handverlesene Flottenkunden aus. Es ist allerdings wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis das High-Tech-Licht jedem, der sich einen Maybach (ab 135.000 Euro) leisten kann, zur Wahl steht. Mit der nächsten S-Klasse-Generation dürfte die Technik in den günstigeren Versionen und später auch in E-Klasse, C-Klasse und weiteren Modellen erhältlich sein.
Künftig soll mit den HD-Scheinwerfern auch die Kommunikation mit Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern möglich sein. Eine erste Vision davon haben die Stuttgart schon vergangenes Jahr vorgestellt: Möglich ist beispielsweise, dass das Auto einen Zebrastreifen auf die Straße projiziert und damit Passanten signalisiert, dass sie gefahrlos die Fahrbahn überqueren können. Solche Funktionen sind spätestens dann von Nöten, wenn Autos autonom unterwegs sind. Noch allerdings verbietet der Gesetzgeber derartige Spielereien. (SP-X)
Martin Hartmann