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Alles Bio – oder was?

25.04.2014 12:02 Uhr
Alles Bio – oder was?

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Neue Gesetzeslage zu Hydraulikölen

Das Bundeskabinett hat am 26. Februar der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) zugestimmt. Stimmt der Bundesrat zu, wird die AwSV noch dieses Jahr auf Bundebene in Kraft treten. Alle Betriebe, die bisher die Anforderungen ihrer Bundesländer erfüllen mussten, fallen unter die neue Regelung.

Erstmals werden mit der AwSV bundesweit einheitliche technische und organisatorische Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen festgelegt, die sich aus den Stoffeigenschaften und ihrer Gefährlichkeit für Gewässer herleiten.

Die neue Regelung betrifft auch hydraulische Unterflur-Hebebühnen, und hier vor allem solche, die mit konventionellem Hydrauliköl gefüllt sind. Als so genannte HBV-Anlagen (herstellen, behandeln, verwenden) sind sie gemäß dem Wasserrecht anzeige- beziehungsweise prüfpflichtig (§ 19 g WHG). Das heißt, der Betreiber muss periodisch ergänzt durch einen Sachverständigen (§18 VAwS) die Dichtheit und die Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen ständig überwachen (siehe: WHG (2009) §§ 5 - allg. Sorgfaltspflicht), § 62 - Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen; VAwS; BetrSichV (2002); ggf. Schutzgebietsbestimmungen, wie Wasserschutzgebiet, Naturschutzgebiet usw.). Der Umfang der Prüfpflicht ist dabei abhängig von der Gefährdungsstufe (GS). Sie ergibt sich aus der Menge und Wassergefährdungsklasse (WGK 1 bis 3 sowie die GS A, B, C, und D) des in der Anlage befindlichen Hydrauliköls. Hier muss die Werkstatt nachweisen können, dass sie sich beim Umgang mit den Wasser gefährdenden Stoffen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (Wasserhaushaltsgesetz und bisher VAwS) verhält.

Bio-Öl zur Sicherheit gewählt

Um regelmäßigen Prüfungen und Problemen aus dem Weg zu gehen, sind einige Hebebühnen-Hersteller in der Vergangenheit dazu übergegangen, die Hydraulik ihrer Hebebühnen mit so genannten Bio-Hydrauliköl zu füllen. Damit waren sie bisher auf der sicheren Seite, da Bio-Hydrauliköle als unschädlich für die Umwelt eingestuft wurden (die alte Bezeichnung „WGK 0 = im allgemeinen nicht wassergefährdend“ wird durch „nicht wassergefährdender Stoff“ ersetzt).

Schärfere Anforderungen

Mit der neuen AwSV wird sich das jedoch ändern. Ob dabei für die Betriebe wirklich Handlungsbedarf besteht, hängt von den bereits bestehenden Verordnungen in den jeweiligen Bundesländern ab. So weiß Thomas Wagner, vom Referat 68, Gewässerschutz industrielle und gewerbliche Anlagen beim Bayerischen Landesamt für Umwelt in Augsburg, dass mit dem Inkrafttreten der AwSV Anlagen mit Bio-Hydrauliköl dieser zukünftig auch unterliegen, da der Stoff beziehungsweise das Gemisch jetzt in die Kategorie „aufschwimmender flüssiger Stoff“ fällt und als „allgemein wassergefährdend (WGK 1)“ eingestuft wird. Die Neuklassifizierung steht damit im krassen Gegensatz zu den Informationen, die bisher aus den Sicherheitsdatenblättern der verschiedenen Bio-Hydrauliköle entnommen werden konnten. Rainer Janz, Bereichsleiter Produkt- und Qualitätsmanagement bei der Herrman Bantleon GmbH aus Ulm erklärt in einem Interview der Fachzeitschrift „fluid“ die Gründe: „Obwohl Bio-Hydrauliköle die Mindestanforderungen der DIN ISO 15380 erfüllen müssen, können sie für die Umwelt durchaus schädlich sein. So haben Labortests gezeigt, dass selbst bei konstanten Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad Celsius die Abbaubarraten der Bio-Öle in einer Mineralsalzlösung abhängig vom verwendeten Impfmaterial (d.s. Bakterienkulturen aus unterschiedlichen Klärbecken) stark variieren können.“ Ringversuche haben zudem gezeigt, dass die Wiederholbarkeiten von solchen Abbautest sehr schlecht sind. Hinzu kommt, dass je trockener das Milieu ist, desto geringer auch die Abbaurate ist.

Abbauprozess nur mit UV-Licht

„Gelangt Bio-Hydrauliköl in einen trockenen Boden, wird es gar nicht abgebaut“, so Rainer Lanz. Er bemängelt auch, dass in der DIN ISO 15380 lediglich die aquatische Toxizität und Bioabbaubarkeit gefordert wird. Pflanzen, Bodenorganismen und andere Lebewesen sind außen vor. Jürgen Maier, Marketingleiter bei Nussbaum, weiß zudem, dass der Abbauprozess mit Hilfe von UV-Licht abläuft. Fehlt dieses, dauert der Abbau auch entsprechend länger. Ein Fallbeispiel hierzu erklärt Philipp Schneider, zuständig für Konstruktion und Dokumentation beim Hebeanlagenhersteller Herrmann AG in Pösing: „Ist die Hydraulikkassette (Wanne) undicht und es tritt Bio-Öl aus, so kann es durch mangelnden Sauerstoff (und fehlendes Licht) im Erdreich oder ungenügende Bodenfeuchte schlecht abgebaut werden und findet schließlich seinen Weg nach unten in grundwasserführende Schichten.“

Sicherheit muss nachgewiesen sein

Besonders dramatisch kann es dabei werden, wenn die Kassette in den Grundwasserspiegel hineinreicht, da ein Abbau im Erdreich dann nicht möglich ist. Für Werkstätten besteht damit bereits bei der Planung der Unterflur-Hebebühne konkreter Handlungsbedarf, wenn nicht zu einhundert Prozent nachgewiesen werden kann, dass die Bio-Hydrauliköle nicht in ein ober- oder unterirdisches Gewässer gelangen können. Diesen Nachweis zu führen, dürfte für viele Werkstattbetreiber jedoch nicht einfach sein. Vor allem bei Wannen, die ins Grundwasser reichen, können sich aufgrund des ständigen hohen Wasserdrucks zu jeder Zeit Undichtheiten einstellen. Auch Undichtheiten, bedingt durch mechanische Überbeanspruchung, können ebenfalls nicht zur Gänze ausgeschlossen werden. Da ein Betrieb aber in vollem Umfang haftbar gemacht werden kann für alle Schäden, die der Umwelt, Bauern, Fischern und anderen entstehen, wird der Betreiber einer Unterflur-Hebebühne mit (Bio-)Hydrauliköl durch angemessene Sicherheitsvorkehrungen und regelmäßige Prüfungen dafür sorgen müssen, dass ein solcher Fall nicht eintritt.

Konditioniertes Wasser

„Um diesen Problemen, vor allem im Bereich der Nachweispflicht der Umweltverträglichkeit, aus dem Weg gehen zu können, setzen wir bei unseren Hebebühnen konditioniertes Wasser ein“, sagt Philipp Schneider. „Im Gegensatz zu konventionellen und Bio-Hydraulikölen sind bei konditioniertem Wasser keine Rückhaltevorrichtungen oder regelmäßigen Prüfungen vorgeschrieben. Eine Entsorgung kann sogar über die Kanalisation erfolgen.“

Thomas Wagner vom Bayerischen Landesamt für Umwelt formuliert es so: „Für einen Kunden wird es zukünftig schon einen Unterschied bedeuten, vielleicht mehr psychologisch als faktisch, ob er Bio-Öl oder konditioniertes Wasser einsetzt.“ Der Umweltexperte will damit sagen, dass Bio-Hydrauliköl ähnlich wie konventionelles Hydrauliköl verwendet werden muss, da es zukünftig wohl als WGK 1 (schwach wassergefährdend) eingestuft wird, konditioniertes Wasser aber bisher als nicht wassergefährdender Stoff gilt.

Bio-Öle mit leichten Vorteilen

Auch der Unterflur-Hebebühnen-Hersteller autop Maschinenbau GmbH, der in den letzten Jahren auf Bio-Öl gesetzt hat, räumt ein, dass trotz entsprechender OECD-Tests (derzeitiger Stand der Technik) beim Abbau der Bio-Hydrauliköle durchaus auch toxische Stoffe entstehen können. Trotzdem empfiehlt der Hebebühnen-Spezialist aus Rheine seine Bio-Hydrauliköle, da sie in der Regel bessere Wassergefährdungsklassen (siehe: http://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/wassergefaehrdende-stoffe/rechtliche-regelungen) und Standzeiten aufweisen als konventionelle Öle.

Nicht wassergefährdend

„Speziell Produkte mit NWG-Einstufung (nicht wassergefährdend) sollten immer dann eingesetzt werden, wenn die Gefahr besteht, dass Hydrauliköl den Boden, das Grundwasser oder Oberflächengewässer gefährden können“, sagt Karsten Meinshausen von autop. „Unsere eingesetzten Bio-Hydrauliköle sind nicht wasserlöslich und werden bei Ölaustritt weitgehend in den oberen Erdschichten festgehalten und dort biologisch abgebaut. Wie mit der WGK bei einem Unfall umzugehen ist, entscheidet immer die untere Wasserbehörde. Bio-Öle können vorteilhaft sein. Erst recht unter dem Aspekt der NWG-Einstufung. Bei Mineralölen kann das sehr viel anders sein.“

Vor diesem Hintergrund empfiehlt Jürgen Maier von Nussbaum, dass man bereits während der Planungsphase einer Unterflur-Hebebühne genau prüfen und klären sollte, wie man die Einstufung als unterirdische Anlage vermeiden kann. „Dann kann unter Umständen die so genannte Bagatellgrenze geltend gemacht werden“, so Jürgen Maier. Sie gilt für oberirdische Anlagen außerhalb von Schutzgebieten mit einem maßgebenden Öl-Volumen bis 200 Liter. Eine Anzeige-, Eignungsfeststellungs-, Fachbetriebs- und Prüf-Pflicht entfallen dann (siehe u.a: http://www.izu.bayern.de/recht/detail_rahmen.php?ID=73&kat=11&sub=1&sub_sub=1&th=4). Gelingt dies nicht, müssen die geforderten Maßnahmen angewendet und umgesetzt werden (Doppelwandigkeit, Überwachung, dauerhaft geeigneter Korrosionsschutz).

Entwarnung für bestehende Bühnen

Auch Maha setzt sich zurzeit mit den Auswirkungen der neuen Verordnung auseinander. „Wir überprüfen gerade mit Hochdruck, wie wir auf die VAwS reagieren werden“, sagt Holger Seeliger, Produktmanager bei Maha in Haldenwang. „Zurzeit diskutieren wir drei Varianten.“ Sobald konkrete Ergebnisse vorliegen, wird Maha seine Kunden darüber umgehend informieren.

Für die in den Werkstätten bereits installierte Unterflur-Hebebühnen kann hingegen Entwarnung gegeben werden. Für diese gelten die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung rechtskräftigen Regeln der Länderverordnung weiter (siehe AwSV § 69 Abs. 1 und 2). Das gilt allerdings nur bis zm nächsten Austausch der Hubeinheit. Marcel Schoch

▶ Neuklassifizierung steht im krassen Gegensatz zu Infos der bisherigen Sicherheitsdatenblätter für Bio-Hydrauliköle.

▶ Vor allem bei Wannen, die ins Grundwasser reichen, können sich zu jeder Zeit Undichtheiten einstellen.

▶ Für bestehende Unterflur-Hebebühnen kann hinsichtlich des Öls Entwarnung gegeben werden

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