Seit der Einführung des HU-Adapters im Jahr 2015 und der entsprechenden Vorgaben zur Nutzung der elektronischen Fahrzeugschnittstelle (eFS) werden die Umfänge der Untersuchungen kontinuierlich weiterentwickelt. Rein auf das Potenzial der möglichen Nutzung bei den relevanten Fahrzeugen haben die Sachverständigen von TÜV SÜD inzwischen schon eine Anwendungsquote von über 90 Prozent erreicht. Damit ist TÜV SÜD branchenweit führend.
Ein neuer Bestandteil der Hauptuntersuchung ist die sogenannte Untersuchung des Zustands unter Nutzung der elektronischen Fahrzeugschnittstelle (eFS). Grundlage für diese Prüfmethoden ist die Anlage VIIIa zum Paragraf 29 der StVZO und die Europäische Richtlinie 2014/45/ EU zur periodisch technischen Überwachung. Wie auch bei den anderen Untersuchungskriterien hat diese Untersuchung zerstörungsfrei und ohne Ausbau von Fahrzeugeinrichtungen und -teilen zu erfolgen. Bei Untersuchungen über die elektronische Fahrzeugschnittstelle ist sicherzustellen, dass die vor der Untersuchung im elektronischen Ergebnisspeicher abgelegten Einträge nicht gelöscht werden, die implementierten Diagnosefunktionen nicht beeinträchtigt und keine sonstigen negativen Beeinträchtigungen der Fahrzeuge oder Fahrzeugeinrichtungen durch die Untersuchung vorgenommen werden können.
Auslesen der Steuergeräte
Auf Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben hat die Fahrzeugsystemdaten GmbH (FSD) in Dresden für die Sachverständigen entsprechende Prüfmethoden entwickelt. Bisher erfolgte bei der Untersuchung des Zustandes nur die visuelle Kontrolle der Anzeige von Warneinrichtungen (Kontrollleuchten im Fahrzeug) sowie die visuelle/manuelle Kontrolle der Bauteile.
Bei der jetzt neuen angewandten elektronischen Zustandsprüfung werden die Steuergeräte oder Steuergerätecluster für jedes verbaute untersuchungsrelevante elektronisch geregelte Fahrzeugsystem ausgelesen. Dadurch werden Auffälligkeiten bei diesen Systemen erkannt, die bei einer alleinigen Untersuchung nur durch Sicht- und Funktionsprüfung nicht erkannt würden.
Dazu werden nur Ereignisspeichereinträge ausgewertet, die HU-relevant sind, also Bezug zu den sicherheitsrelevanten Fahrzeugsystemen haben. Außerdem müssen die Einträge im Systemspeicher permanent vorliegen. Sind diese Bedingungen erfüllt, werden die auffälligen Bauteile beziehungsweise Systeme dem Sachverständigen mit standardisierten Beschreibungen in der Prüfsoftware angezeigt. In Kombination mit weiteren visuellen Ergänzungsuntersuchungen ergibt sich für den Prüfer eine technisch nachvollziehbare Grundlage, anhand deren er den vorschriftsmäßigen Zustand des Fahrzeuges beurteilen kann.
Klartext für den Prüfer
Wesentliche Grundlage dieser Prüfmethode sind das Verstehen und die Analyse der im Betrieb des Fahrzeuges auftretenden Fehlfunktionen und deren Identifikation mittels sogenannter Diagnostic Trouble Codes (DTC). Jeder Fehlfunktion ist in der Regel eine hexadezimale Kennziffer, also ein DTC, zugeordnet. Dieser wird in den Ereignisspeicher des verbauten Steuergerätes eingetragen und dort mit dem HU-Adapter bei der elektronischen Zustandsprüfung ausgelesen und für den Sachverständigen in seiner Prüfsoftware "übersetzt".
Die Herausforderung für Erstellung dieser Prüfvorgaben ist und war es, die relevanten DTC von den irrelevanten Informationen zu unterscheiden und die herstellerspezifischen DTC-Texte zudem noch universell zu beschreiben. Als Voraussetzung für die Erstellung der Prüfvorgaben wurden von den Ingenieuren der Fahrzeugsystemdaten GmbH enorme Datenmengen aufgenommen und ausgewertet. Je nach Fahrzeughersteller und Modell sind bis zu 100 Steuergeräte verbaut, dazu kommen in etwa 70.000 DTC-Texte, die sich wiederum auf mehr als 180.000 einzelne DTC pro Hersteller verteilen können. Des Weiteren müssen die Beschreibungen der Auffälligkeiten unter Beachtung des einheitlichen Mangelbaums erstellt werden und auch zur Systematik nach der Unterscheidung zu den jeweiligen Baugruppen, Bauteilen und Orten passen. Das alles ist hervorragend in der Prüfsoftware "FSD.HU" umgesetzt und leicht für die Prüfer zu handhaben. Natürlich verlangt die neue Methode auch den Sachverständigen zusätzliches Wissen und neues technisches Verständnis ab, wobei die jüngeren Ingenieure üblicherweise ihr Diagnose-Know-how aus ihrem Studium mitbringen. Die FSD unterstützt uns hier zusätzlich mit thematischen E-Learning-Modulen.
Sind Fensterheber sicherheitsrelevant?
Bei der HU werden zwischen 50 und 100 Steuergeräte ausgelesen. Für jeden Fahrzeughersteller mussten bis zu 180.000 sogenannte Trouble Codes (DTC) definiert werden, die Fehlfunktionen beschreiben.Bei Einführung der neuen Methode gab es seitens der Prüfer anfänglich unterschiedliche Interpretationen bei den Systembeschreibungen und Zuordnungen sowie deren Auffälligkeiten. Auch sind zu globale Beschreibungen von Systemauffälligkeiten bei der Kommunikation gegenüber dem Fahrzeughalter nicht immer einfach zu erläutern.Als anschauliches Beispiel bei der Bemängelung können elektrische Fensterheber genannt werden. Waren sie vor Jahren ein reines Komfortsystem, sind sie inzwischen Teil sogenannter Pre-safe-Systeme, deren Ziel es ist, Insassen und Auto auf einen drohenden Zusammenstoß vorzubereiten, sodass Gurte und Airbags beim Aufprall ihre volle Schutzwirkung entfalten können. Dazu gehören dann auch Fensterheber, die entweder sich automatisch schließen oder auch leicht geöffnet werden, um einen Druckausgleich im Fahrzeug zu ermöglichen, sollten die Airbags auslösen. Dem Prüfer war bei der Einführung dieser Untersuchung nicht immer sofort ersichtlich, ob die Störung des elektrischen Fensterhebers für dieses System relevant war. Hier wird die Prüfsoftware jetzt laufend optimiert, sodass wir im Laufe des Jahres zu einem routinierten Verfahren kommen.
Der Autor
Philip Puls ist Leiter Technische Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern bei TÜV SÜD Auto Service GmbH.
- Ausgabe 05/2020 S.40 (186.0 KB, PDF)