Kurzfassung
Bei der Anbindung der Bremsprüfstände an die Systeme der Prüforganisationen per ASA-Livestream kommt es zu Problemen. Das sorgt für Verärgerung in den Werkstätten. Der Beitrag erklärt Hintergründe und Lösungsansätze.
Gut neun Jahre Zeit hatten Überwachungsorganisationen und Kfz-Werkstätten, um die Bremsprüfstandrichtlinie von Oktober 2011 umzusetzen. Während die grundlegenden technischen Voraussetzungen der Rollenoder Plattenprüfstände in den Prüfstellen und Werkstätten durch Aufrüstung, Umrüstungen oder komplett neuer Technik bis zum 1. Januar 2020 im Großen und Ganzen erreicht wurde, ist insbesondere die Umsetzung des ASA-Livestreams noch eine aktuelle technische Herausforderung.
Eine zentrale Vorgabe der Richtlinie: Bremsenprüfstände, die bei der HU eingesetzt werden, müssen über eine standardisierte ASA-Livestream-Datenschnittstelle verfügen. Konkret geht es um die Fähigkeit, die ermittelten Bremswerte bei der Bremswirkungsprüfung auf den Bremsenprüfstand in Echtzeit in die Prüfersysteme der jeweiligen Überwachungsorganisation zu übertragen. So ist es möglich, eine Messung im mittleren Bremsbereich ohne Blockieren der Räder durchzuführen. Dabei werden über dem Livestream die am Rollenprüfstand erfassten Messwerte komfortabel in Echtzeit mit der über die OBD-Diagnose und dem HU-Adapter ermittelten Pedalkräfte ins Verhältnis gesetzt.
Asanetwork bei TÜV SÜD
TÜV SÜD setzt in der eigenen Organisation auf die etablierte Infrastruktur des Asanetwork. So sind die Bremsenprüfstände in den TÜV SÜD Prüfstellen ebenso wie die Abgasmess-Systeme integriert und mit dem Prüfer-Equipment verbunden. Interne erste Stichproben ergeben eine Erfolgsquote von bis zu 80 Prozent, bei der die Bremskräfte mittels Livestream in das Prüfersystem übernommen wurde. Grundlage für das gute Ergebnis ist der Fokus auf weitgehende Standards bei der IT-Infrastruktur und der Verwendung gleicher Prüfstandtechnik. Trotzdem mussten insbesondere in den ersten Monaten viele Bremsenprüfstände in den TÜV SÜD Prüfstellen mit einer neuen Software ausgestattet werden oder zusätzliche technische Anpassungen wie die Aktivierung der Prüfstandssensorik vorgenommen werden.
Situation in den Prüfstützpunkten
Ganz anders stellt sich dagegen die Nutzung des ASA-Livestreams in den Werkstätten dar. Im Prinzip besitzen bis auf wenige extra behördlich genehmigte Ausnahmen alle von den Überwachungsorganisationen betreuten Werkstätten einen richtlinienkonformen Bremsenprüfstand. Folgerichtig erwarten Werkstattinhaber, dass die Schnittstelle ihres Prüfstands auch funktioniert. Im Praxistest bei der tatsächlichen Nutzung des Livestreams durch den Prüfer der jeweiligen Prüforganisation wird diese Erwartung aber oft enttäuscht. Der Prüfer ist bei der Anbindung seines Systems an den Prüfstand nicht selten mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert.
Um die anfänglichen Herausforderungen hinsichtlich der Interpretation der Schnittstelle in den Griff zu bekommen, wurde 2014 im Rahmen einer Branchenvereinbarung versucht, mögliche Grauzonen verbindlich auszuräumen. Mit der Branchenvereinbarung wurde unter Beteiligung des ASA-Verbands festgelegt, dass bis zum Start der neuen Bremsprüfstandsrichtlinie zu Beginn dieses Jahres die Verwendung einer Ethernet-Schnittstelle (RJ45) mit dem Protokoll ASA- Livestream als Standard zu verwenden ist. Die Datenschnittstelle ist zudem am Bremsprüfstand mit einem Aufkleber zu kennzeichnen. Die Vereinbarung geht davon aus, dass eine vorhandene Datenschnittstelle nur dann einwandfrei mit der Produktionssoftware der Prüfer zusammenarbeitet, wenn die Schnittstelle vorgabekonform konfiguriert ist. Dies ist Aufgabe der Bremsenprüfstand-Hersteller bzw. der Kundendienstpartner. Zudem ist vorgesehen, dass die ASA-Livestream-Schnittstelle im Rahmen der zweijährlichen Stückprüfung mitgeprüft und ein Protokoll über die Funktionsfähigkeit des ASA-Livestreams zur Stückprüfung beigefügt wird. Des Weiteren wurde vereinbart, dass die ASA-Livestream-Schnittstelle des Prüfstands und das Werkstattnetzwerk für die Dauer der HU-Durchführung "netzwerktechnisch" voneinander getrennt ausgeführt werden sollen.
Probleme in der Praxis
Bei der Anwendung des ASA-Livestreams ergeben sich für den Prüfer jedoch nach wie vor viele Probleme vor Ort.
- Fehlende RJ45-Schnittstelle: Wenn die vorgesehene RJ45-Schnittstelle fehlt, lässt sich die Übertragung nicht aufbauen oder bricht ständig ab. Die Übertragung ist fehlerhaft oder unvollständig. Des Weiteren gibt es auch Infrastrukturprobleme mit dem Prüferequipment, der jeweilige genutzte ASA-Adapter verbindet sich entweder nicht mit dem Bremsenprüfstand oder dem PC des Prüfers.
- Bauliche Ausgestaltung/Erreichbarkeit der Schnittstelle: Entgegen der Forderung der Branchenlösung sind RJ45-Schnittstelle und Steckdose oft nicht in erreichbarer Nähe zum Bremsprüfstand, oder die Schnittstelle befindet sich auch schon mal in der Bremsprüfstandsanzeige in drei Metern Höhe.
- Datenübertragung: Oft bricht die Datenübertragung während der Prüfung ab und lässt sich teilweise nicht wieder aufbauen. Dann müssen teilweise alle Systeme inkl. des Bremsenprüfstands neu gestartet werden. Kunden müssen bei der Hauptuntersuchung erhebliche Verzögerungen in Kauf nehmen. Das Vertrauen in den Prüfer und in die Werkstatt ist ob der technischen Umsetzung dann erwartungsgemäß nicht sehr hoch. Dabei können die technischen Hintergründe sehr vielfältig sein: vom "verschmutzten", also nicht gesicherten oder gestörten WLAN-Umfeld bis hin zu nicht EMV-zertifizierten Anlagen oder Elektroinstallationen in der Werkstatt, die die Übertragung massiv stören. Ältere Hebebühnen, Kompressoren oder auch ältere Getränkeautomaten können hier die Ursache sein.
Selbst wenn alle technischen Hürden gemeistert wurden, der Prüfer die Bremsenprüfung durchführt und die Werte in sein Prüferprogramm übernehmen kann, stellt er in vielen Fällen fest, dass entweder nur ein Teil der Daten übertragen wird oder gar keine Daten in seiner Software angezeigt werden. Dies ist ein grundsätzliches Problem des verwendeten ASA-Protokolls und der jeweils aktuell eingesetzten Software/des Betriebssystems des Bremsenprüfstands. Erste Analysen haben gezeigt, dass auch hier die vom Prüfstand erzeugten Daten nicht dem Standard genügen oder so frei von den Prüfstandsherstellern interpretiert wurden, dass die Werte von der Prüfersoftware nicht verarbeitet werden können.
Großer Interpretationsspielraum
Als die freiwillige Branchenlösung 2014 veröffentlicht wurde, wurde sie schon damals nur von einem Teil der Hersteller mitgetragen, und im weiteren Zeitverlauf sind weitere Prüfstandhersteller in den Markt gegangen, die nicht Teil der Branchenlösung bzw. Mitglied im ASA-Verband sind.
Leider lässt auch die Richtlinie von 2011 großen Interpretationsspielraum, wird doch nur ganz allgemein von einer Schnittstelle zur Datenübertragung gesprochen. Aus gutem Grunde wurde auf die technische physikalische Ausgestaltung der Schnittstelle in der Richtlinie verzichtet, sollte doch die Richtline ggf. zukünftige Technologien bei der Datenübertragung nicht von vornherein verhindern. Aufgrund der langen Übergangszeit der Richtlinie wäre es aber zumindest sinnvoll gewesen, die Anhänge der Richtlinie mit den technischen Spezifikationen zusammen mit dem ASA-Verband und den Überwachungsorganisationen aktuell zu halten oder in einen dynamischen Leitfaden zur Richtlinie zu überführen. Somit sind nach jetzigem Stand auch andere Schnittstellen, wie zum Beispiel herstellerspezifische Anbindungen über serielle Schnittstellen (RS232, RS485) oder USB-Schnittstellen im Sinne der Richtlinie, zulässig.
Eigene Lösung der Prüforganisation
Gerade diese ungewollte Vielfalt zwang die Überwachungsorganisationen dazu, eigene technische Lösungen für einen ASA-Adapter zu finden, der die Übertragung der Daten, unabhängig von Bremsenprüfstandmodell und Schnitttstellenanbindung, sicherstellt. Im Grundsatz handelt es sich immer um einen klassischen WLAN-Router, der noch zusätzlich mit einem kleinen Rechner aufgerüstet ist und im Design robust für den Werkstatteinsatz gestaltet wurde.
Aktuell findet man derzeit vier bis fünf unterschiedliche technische Lösungen, die bei den Überwachungsorganisationen eingesetzt werden. Diese Adapter wurden im Regelfall mit den Organisationen zusammen entwickelt, damit diese auch gut in die jeweilige IT-Infrastruktur zu integrieren sind. Die finanziellen Aufwände und Investitionen waren und sind für die Überwachungsorganisationen nicht unerheblich, wenn man bedenkt, dass solch ein Adapter gut mehrere Hundert Euro kosten kann und mittlerweile zur individuellen Ausstattung jedes Prüfers gehört.
- Ausgabe 09/2020 S.36 (232.4 KB, PDF)
Kommentar Philip Puls, Leiter Technische Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern
Zusammenfassend ist die derzeitige Lösung für die Prüfer bei der Nutzung des ASA-Livestreams in den Werkstätten noch nicht befriedigend. Die Überwachungsorganisationen haben im Detail jeweils unterschiedliche Probleme und Lösungen, arbeiten aber intensiv mit dem ZDK, dem ASA-Verband und der Zentralen Stelle/FSD zusammen, um hier standardisierte Lösungen für die Zukunft zu etablieren. Eine Option wäre, die technischen Anforderungen an den ASA-Livestream aus der jetzigen Anlage 3 der Bremsprüfstandsrichtlinie auszugliedern und in einen eigenen technischen Leitfaden, ähnlich dem AU-Leitfaden, zu überführen. Ob dieser Vorschlag, der vom ASA-Verband eingebracht wurde und auch von TÜV SÜD unterstützt wird, eine realistische Chance hat, bleibt abzuwarten. Im ersten Schritt wäre die Aktualisierung der Bremsprüfstandsrichtlinie von 2011 erforderlich. Hier gibt es zumindest im Entwurfsstand von 2017 schon wesentliche Klarstellungen zu den technischen Anforderungen an die ASA-Schnittstelle. Dies würde die Nutzung des ASA-Livestreams in der Praxis deutlich erleichtern.