Millionen von Fahrzeugen in Deutschland verfügen zwar über eine OBD-Schnittstelle, sind aber noch nicht vernetzt", weiß Stefan Onken, der bei Matthies für das Carespia-Projekt verantwortlich ist. Mit der neuen Dongle-Lösung will man bei Matthies eine gewisse Chancengleichheit für freie Werkstätten herstellen. Denn die Fahrzeughersteller haben, zumindest bei Neufahrzeugen, den direkten Zugriff auf die Fahrzeugdaten und können die Kunden so frühzeitig an sich binden. "Unser Ziel war es, eine Lösung zu realisieren, mit der auch der freie Fachhandel seine Kundenklientel mit älteren Fahrzeugen an sich binden kann", erklärt Stefan Onken. Herausgekommen ist Carespia - die von Matthies entwickelte Anwendung besteht aus einer Smartphone-App sowie einem Web-Portal. Die OBD-Daten werden mit dem Continental OBD-Dongle ausgelesen, der innerhalb von circa fünf Minuten konfiguriert ist. "Der Dongle wird dann mit der Carespia-App auf dem Smartphone gekoppelt. Die Carespia-App überträgt die Daten in die Cloud-Lösung der Remote Vehicle Data Plattform von Continental, wo die Daten analysiert werden. Auf diese Daten greift Carespia zu und informiert bei Abweichungen den Autofahrer sowie die zuständige Werkstatt", beschreibt Stefan Onken den Prozess.
Herstellerspezifische Daten
Auf der Carespia Weboberfläche hat die Werkstatt alle von Continental ausgelesenen Daten wie fällige Inspektionen oder aktuelle Fehlermeldungen im Blick. Der Umfang der he hat nental e Insrmelg der Daten ist dabei fahrzeugabhängig. Denn Continental greift auch auf herstellerspezifische Daten zu ( siehe Interview). Ob zudem etwa Geodaten übermittelt werden, bestimmt der Fahrer auf seiner Smartphone-App selbst und auch, welche Daten er für die Werkstatt freigibt. Denn nicht jeder möchte seinen Standort oder sein Geschwindigkeitsprofil offenlegen.
Obwohl das im Falle einer Panne durchaus Obwohl das im Falle einer Panne durchaus hilfreich sein kann. "Die Werkstatt sieht dann den aktuellen Trip sowie den Fehlercode und kann dem Fahrer, je nachdem wie kritisch der Fehler ist, Anweisungen geben, ob er sofort rechts ranfahren muss oder ihm beispielsweise auch ein Pannenfahrzeug schicken", erklärt Stefan Onken. Denn wird auf dem Server ein Fehler bzw. eine Abweichung erkannt, löst das System ein vorher festgelegtes Ereignis aus, etwa eine Meldung bei der Werkstatt "Fehler vorhanden, Kunde kontaktieren" oder eine Mitteilung an den Kunden direkt, dass beispielsweise der Service fällig ist. Dieser Prozess kann in Carespia in Rücksprache mit der Werkstatt definiert werden.
Pilotphase geplant
In Kürze startet Matthies eine Pilotphase mit ausgewählten Kunden. Das Webportal sowie die App für iOS-Geräte stehen dabei aktuell zur Verfügung. Der Preis hingegen steht noch nicht fest. Und inwieweit in Zukunft auch die Autofahrer an den Kosten beteiligt werden, ist eine offene Frage. Patricia Stich, Leiterin des Bereichs Diagnostics and Services bei Continental, sieht darin für Betriebe vielmehr eine lohnende Marketingausgabe zur Kundenbindung.
Individualisierung möglich
Bei Matthies ist das Interesse an der Lösung, die man auf der Trans-Tech- Messe Mitte Juli vorgestellt hat, jedenfalls groß. Neben freien Werkstätten hätten auch Taxizentralen oder Rettungsdienste für ihre Flotten angefragt. Mit den ausgewählten Pilotbetrieben will man aber zunächst Erfahrungen sammeln und das Angebot weiterentwickeln. Voraussichtlich Ende 2017 oder Anfang 2018 soll Carespia dann auf dem freien Markt verfügbar sein. Mit Carespia ist Matthies der erste Kunde, bei dem die neue RVD-Lösung von Continental zum Einsatz kommt. Dabei nutzt das Unternehmen genau den Gestaltungsspielraum, den das RVD-System bietet. Denn das Webportal und die Smartphone-App hat der Werkstattausrüster aus Hamburg selbst entwickeln lassen. "Unsere heutige Erfahrung zeigt, dass die Kunden ein größeres Interesse haben, ihre eigene Lösung zu entwickeln oder eine bestehende zu integrieren", erklärt Patricia Stich und fügt hinzu: "Über diesen Aspekt differenzieren wir uns von anderen, dass wir eine sehr flexible, modular aufgebaute Technologie anbieten - der Kunde kann sich das aussuchen, was er will. Unser Ziel ist es, mit der Technologie so viele Kunden wie möglich zu befähigen Fahrzeuge zu konnektivieren und ihren Kunden daraus Dienste anzubieten."
Kurzfassung
Auch Continental kommt jetzt mit einer eigenen Remote Vehicle-Data-Lösung auf den Markt. Was unterscheidet die Lösung von Wettbewerbsprodukten und welche Vorteile bringt sie der Werkstatt? asp hat nachgefragt.
"Wir sprechen alle Herstellersprachen"
Patricia Stich, Leiterin des Bereichs Diagnostics and Services bei Continental, zu den Einsatzmöglichkeiten der RVD-Lösung.asp: Aus welchen Bestandteilen besteht die Remote Vehicle Data Plattform von Continental?P. Stich: Das System besteht aus drei wesentlichen Komponenten: erstens der Hardware, um die Verbindung vom Fahrzeug in die Cloud herzustellen. Die zweite Komponente ist unsere RVD-Plattform. Der wesentliche Benefit dabei ist, dass wir standardisiert herstellerspezifische Daten aus dem Fahrzeug zur Verfügung stellen können. Die dritte Komponente ist letztlich ein klassisches Back-End mit Data-Management und Analytics-Applikationen.asp: Auf welche Daten greifen Sie zu?P. Stich: Es gibt unterschiedliche Daten im Fahrzeug. Einmal standardisierte frei verfügbare Daten rund um das Thema Emission, die per Gesetz zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese finden sich in den heute gängigen Dongle-Lösungen. Daraus kann man relativ einfach Fahreranalysen erstellen. Wir nehmen das als gegeben an und interessieren uns vor allem für die herstellerspezifischen Daten wie Kilometerstände, Tankfüllstände sowie sehr viele servicerelevante Informationen wie dynamische Serviceintervalle, und je nach Hersteller auch Bremsenverschleiß, Ölfüllstand und dazugehörige Fehlercodes. Insgesamt lesen wir rund 101 herstellerspezifische Parameter aus. Denn das ist ja der Mehrwert für die Werkstatt. Sie möchte ihre Kunden optimal bedienen. Daher sprechen wir die unterschiedlichen Herstellersprachen, greifen auf die herstellerspezifischen Daten zu und stellen sie in einem einheitlichen Format mit der dazugehörigen Fehlerbeschreibung unseren Kunden wie Matthies zur Verfügung.asp: Worin liegt der Nutzen für die einzelne Werkstatt?P. Stich: Der Vorteil für die Werkstatt ist, dass wir einen Prozess digitalisieren, der heute analog oder nicht vorhanden ist. Wir können damit Überraschungseffekten entgegenwirken, wenn die Werkstatt beispielsweise im Vorfeld weiß, wo Probleme im Fahrzeug liegen. Benötigte Teile sind bereits vor Ort, was die Reparatur beschleunigt. Starke saisonale Schwankungen lassen sich ausgleichen, indem Fahrzeuge, die in nächster Zeit zum Service müssen, proaktiv mit vergünstigten Angeboten in die Werkstatt geholt werden. Die Werkstatt kann ihre Kunden also viel gezielter bedienen und ihre Effizienz steigern.
- Ausgabe 09/2017 Seite 40 (255.9 KB, PDF)