asp: Es gab jüngst ein wichtiges Urteil im Zusammenhang mit dem Zugang zu Fahrzeugdaten, das auf eine Klage von Carglass und ATU zurückgeht. Welche praktischen Auswirkungen hat das Urteil?
D. Scharmer: Das Gericht hat noch einmal klargemacht, dass der Zugriff auf die OBD-Daten nicht an andere Bedingungen geknüpft sein darf als jene, die in der Verordnung (EU) 2018/858 benannt sind. Wir stellen aber fest, dass es in der Praxis durchaus eine Menge weiterer Bedingungen gibt, die von den Automobilherstellern diktiert werden. Es kann nicht sein, dass die Hersteller überall Gängeleien ausüben, sodass die praktische Anwendung unpraktikabel für Dritte wird. Es geht uns darum, dass solche Beschränkungen künftig nicht mehr stattfinden dürfen.
asp: Was haben die Werkstätten davon?
D. Scharmer: Laut der Typgenehmigungs-Verordnung (EU) 2018/858 Artikel 61 bis 63 ist der Zugang zu OBD-Daten klar geregelt. Der Zugang muss uneingeschränkt, standardisiert und diskriminierungsfrei erfolgen können. Das heißt ganz klar: Der OBD-Port muss offen sein und freie Werkstätten müssen das Gleiche und im gleichen Umfang tun können wie markengebundene Servicebetriebe. Es spricht nichts dagegen, dass die Hersteller Geld für technische Informationen verlangen. Der faktische Zugang zum OBD-Port hat damit aber nichts zu tun, die Verordnung sieht eine Gebühr dafür nicht vor. Auch für die technischen Informationen dürfen sie nur "angemessene und verhältnismäßige Gebühren" erheben. Letztlich geht das zulasten der Rendite in den Kfz-Betrieben. Und aus Sicht des Endverbrauchers geht es um die Wahlfreiheit, wo er sein Fahrzeug reparieren lassen möchte.
asp: Gibt es schon Reaktionen der Automobilhersteller?
D. Scharmer: Es gibt Hersteller, auch deutsche Hersteller, die angekündigt haben, die Zugangsbeschränkungen temporär auszusetzen. Jeder Hersteller handelt anders, wir müssen bei jedem selbst überprüfen, wie es in der Praxis läuft und ob das so in Ordnung ist. Das wird mit viel Aufwand gerichtsfest festgestellt.
asp: Das klingt nach viel Arbeit.
D. Scharmer: Wir haben eine sinnvolle strategische Auswahl getroffen und konzentrieren uns auf die wichtigen Fabrikate. Natürlich können wir nicht jeden Typ von jeder Konzernmarke testen. Wir setzen klare Prioritäten.
asp: Wie tragen Sie dem Sicherheitsbedürfnis der OEMs Rechnung?
D. Scharmer: Natürlich hat auch der GVA ein Interesse daran, dass das Autofahren sicher ist. Man muss auch anmerken, dass die Hacks, die es gegeben hat, medial sehr stark ausgeschlachtet wurden. Nur ein kleiner Teil davon waren tatsächliche Manipulationen über die Multimedia-Strukturen im Fahrzeug. Der GVA wird niemals etwas fordern, was die Sicherheit des Verkehrs gefährdet. Die Hersteller laufen Sturm gegen die Typgenehmigungs-Verordnung (EU) 2018/858; sie versuchen, diese Verordnung aufzubohren, mit der Argumentation: Das Gesetz sei falsch formuliert. Wenn man überhaupt eine Nachverfolgung und Dokumentation von Eingriffen am Fahrzeug will, sollte jedenfalls nicht der Fahrzeughersteller der Gatekeeper sein, der Zugriff hat. Das sollte nach unserer Auffassung vielmehr eine unabhängige Stelle sein.
asp: Wer könnte das sein?
D. Scharmer: Dazu findet derzeit die Gremienarbeit statt. Hier werden Ideen entwickelt. Die Kommission ist hier auch selbst schon aktiv geworden. Man macht derzeit unter den Stakeholdern unterschiedlichste Abfragen und Positions-Bestimmungen, um am Ende eine Entscheidung treffen zu können. Im Grunde zeichnet sich ein großes Einvernehmen ab, dass es sinnvoll ist, die Überwachung über eine unabhängige Stelle zu machen, die wettbewerbsneutral agiert. Es muss gewährleistet sein, dass der freie Markt alles machen kann, was auch der OE-Strang kann.
asp: Wer könnte das in Deutschland machen - wäre Serma im Rahmen der europäischen Sermi-Regelung ein taugliches Konstrukt?
D. Scharmer: Serma betrifft derzeit nur die sicherheitsrelevanten Vorgänge und ist noch nicht vollständig umgesetzt. Beispielsweise müssen noch einige Punkte gerade gezogen werden. So sind beispielsweise die Publisher noch nicht einbezogen. Es muss erst einmal zu Ende gedacht werden, dann kann man darüber nachdenken, ob man das Schema ausweitet.
asp: Die Mühlen in Brüssel mahlen sehr langsam und jetzt gab es Neuwahlen - bleibt die Arbeit erst einmal liegen?
D. Scharmer: Nein, viele Prozesse und Vorhaben laufen weiter. Die Kommission versucht derzeit, die Verordnung 858 so schnell wie möglich anzufassen - nicht zuletzt aufgrund des Drucks seitens der Fahrzeughersteller. Zudem wird von uns geltendes Recht durchgesetzt. Wir haben gerade eine Branchenallianz auf die Beine gestellt, die es so noch nie gegeben hat. Da sind wir auch ein Stück weit stolz darauf. Viele machen mit, der Anteil der Trittbrettfahrer ist gering. Ein weiteres Dauerthema ist, dass wir uns seit Jahren für eine sektorspezifische Lösung einsetzen, um den Datenzugang im Automobilbereich wettbewerbsneutral zu regeln. Der Data Act, der grundlegende Regelung für die Bereitstellung von Daten vorsieht, alleine reicht nicht, da ein Auto eben ungleich komplexer ist als eine Kaffeemaschine und eine wichtige sicherheitsrelevante Komponente hat.
- Ausgabe 7-8/2024 Seite 018 (859.5 KB, PDF)