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GVA-Interview: "Die Hersteller laufen Sturm"

24.07.2024 08:28 Uhr | Lesezeit: 4 min
GVA Dirk Scharmer
Der GVA-Geschäftsführer Dirk Scharmer bringt neuen Wind in die Verbandsarbeit.
© Foto: GVA / asp-Montage

Seit einem Jahr ist Dirk Scharmer Geschäftsführer des GVA (Gesamtverband Autoteile-Handel GVA e. V.). Wir haben mit ihm über die Rolle des Verbands, die anstehende Neuregelung des Zugangs zu Fahrzeugdaten und die mühsame Kommunikation Richtung Europapolitik gesprochen.

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Der GVA-Geschäftsführer Dirk Scharmer bringt neuen Wind in die Verbandsarbeit. In der Kommunikation nach außen und Richtung Politik sollen künftig neue Formate eine stärkere Rolle spielen.

asp: Es gab jüngst ein wichtiges Urteil im Zusammenhang mit dem Zugang zu Fahrzeugdaten, das auf eine Klage von Carglass und ATU zurückgeht. Welche praktischen Auswirkungen hat das Urteil?

D. Scharmer: Das Gericht hat noch einmal klargemacht, dass der Zugriff auf die OBD-Daten nicht an andere Bedingungen geknüpft sein darf als jene, die in der Verordnung (EU) 2018/858 benannt sind. Wir stellen aber fest, dass es in der Praxis durchaus eine Menge weiterer Bedingungen gibt, die von den Automobilherstellern diktiert werden. Es kann nicht sein, dass die Hersteller überall Gängeleien ausüben, sodass die praktische Anwendung unpraktikabel für Dritte wird. Es geht uns darum, dass solche Beschränkungen künftig nicht mehr stattfinden dürfen.

asp: Was haben die Werkstätten davon?

D. Scharmer: Laut der Typgenehmigungs-Verordnung (EU) 2018/858 Artikel 61 bis 63 ist der Zugang zu OBD-Daten klar geregelt. Der Zugang muss uneingeschränkt, standardisiert und diskriminierungsfrei erfolgen können. Das heißt ganz klar: Der OBD-Port muss offen sein und freie Werkstätten müssen das Gleiche und im gleichen Umfang tun können wie markengebundene Servicebetriebe. Es spricht nichts dagegen, dass die Hersteller Geld für technische Informationen verlangen. Der faktische Zugang zum OBD-Port hat damit aber nichts zu tun, die Verordnung sieht eine Gebühr dafür nicht vor. Auch für die technischen Informationen dürfen sie nur "angemessene und verhältnismäßige Gebühren" erheben. Letztlich geht das zulasten der Rendite in den Kfz-Betrieben. Und aus Sicht des Endverbrauchers geht es um die Wahlfreiheit, wo er sein Fahrzeug reparieren lassen möchte.

asp: Gibt es schon Reaktionen der Automobilhersteller?

D. Scharmer: Es gibt Hersteller, auch deutsche Hersteller, die angekündigt haben, die Zugangsbeschränkungen temporär auszusetzen. Jeder Hersteller handelt anders, wir müssen bei jedem selbst überprüfen, wie es in der Praxis läuft und ob das so in Ordnung ist. Das wird mit viel Aufwand gerichtsfest festgestellt.

asp: Das klingt nach viel Arbeit.

D. Scharmer: Wir haben eine sinnvolle strategische Auswahl getroffen und konzentrieren uns auf die wichtigen Fabrikate. Natürlich können wir nicht jeden Typ von jeder Konzernmarke testen. Wir setzen klare Prioritäten.

asp: Wie tragen Sie dem Sicherheitsbedürfnis der OEMs Rechnung?

D. Scharmer: Natürlich hat auch der GVA ein Interesse daran, dass das Autofahren sicher ist. Man muss auch anmerken, dass die Hacks, die es gegeben hat, medial sehr stark ausgeschlachtet wurden. Nur ein kleiner Teil davon waren tatsächliche Manipulationen über die Multimedia-Strukturen im Fahrzeug. Der GVA wird niemals etwas fordern, was die Sicherheit des Verkehrs gefährdet. Die Hersteller laufen Sturm gegen die Typgenehmigungs-Verordnung (EU) 2018/858; sie versuchen, diese Verordnung aufzubohren, mit der Argumentation: Das Gesetz sei falsch formuliert. Wenn man überhaupt eine Nachverfolgung und Dokumentation von Eingriffen am Fahrzeug will, sollte jedenfalls nicht der Fahrzeughersteller der Gatekeeper sein, der Zugriff hat. Das sollte nach unserer Auffassung vielmehr eine unabhängige Stelle sein.

asp: Wer könnte das sein?

D. Scharmer: Dazu findet derzeit die Gremienarbeit statt. Hier werden Ideen entwickelt. Die Kommission ist hier auch selbst schon aktiv geworden. Man macht derzeit unter den Stakeholdern unterschiedlichste Abfragen und Positions-­Bestimmungen, um am Ende eine Entscheidung treffen zu können. Im Grunde zeichnet sich ein großes Einvernehmen ab, dass es sinnvoll ist, die Überwachung über eine unabhängige Stelle zu machen, die wettbewerbsneutral agiert. Es muss gewährleistet sein, dass der freie Markt alles machen kann, was auch der OE-Strang kann.

asp: Wer könnte das in Deutschland machen - wäre Serma im Rahmen der europäischen Sermi-Regelung ein taugliches Konstrukt?

D. Scharmer: Serma betrifft derzeit nur die sicherheitsrelevanten Vorgänge und ist noch nicht vollständig umgesetzt. Beispielsweise müssen noch einige Punkte gerade gezogen werden. So sind beispielsweise die Publisher noch nicht einbezogen. Es muss erst einmal zu Ende gedacht werden, dann kann man darüber nachdenken, ob man das Schema ausweitet.

asp: Die Mühlen in Brüssel mahlen sehr langsam und jetzt gab es Neuwahlen - bleibt die Arbeit erst einmal liegen?

D. Scharmer: Nein, viele Prozesse und Vorhaben laufen weiter. Die Kommission versucht derzeit, die Verordnung 858 so schnell wie möglich anzufassen - nicht zuletzt aufgrund des Drucks seitens der Fahrzeughersteller. Zudem wird von uns geltendes Recht durchgesetzt. Wir haben gerade eine Branchenallianz auf die Beine gestellt, die es so noch nie gegeben hat. Da sind wir auch ein Stück weit stolz darauf. Viele machen mit, der Anteil der Trittbrettfahrer ist gering. Ein weiteres Dauerthema ist, dass wir uns seit Jahren für eine sektorspezifische Lösung einsetzen, um den Datenzugang im Automobilbereich wettbewerbsneutral zu regeln. Der Data Act, der grundlegende Regelung für die Bereitstellung von Daten vorsieht, alleine reicht nicht, da ein Auto eben ungleich komplexer ist als eine Kaffeemaschine und eine wichtige sicherheitsrelevante Komponente hat.

GVA Dirk Scharmer
© Foto: GVA

Zur Person

Seit 1. Juli 2023 führt Dirk Scharmer als Geschäftsführer die Geschicke des GVA. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und konnte umfangreiche Erfahrungen als Führungskraft in den Bereichen IT, Vertrieb, Unternehmensführung und Verbandstätigkeit sammeln. Zuletzt war Scharmer CEO der Fachschule des Möbelhandels e. V. in Köln.


asp: Nun ist Brüssel mit sich selbst beschäftigt - geht die Lobbyarbeit trotzdem weiter?

D. Scharmer: Nach den Europawahlen werden die Posten in Brüssel neu verteilt und man hat es mit neuen Personen in den Ministerien zu tun. Wir haben für uns einen Fahrplan erstellt, was die Kommunikation Richtung Politik betrifft. Wir wollen die Art und Weise der Kommunikation ein Stück weit verändern. Wer nur das macht, was er immer schon gemacht hat, der kriegt auch nur das raus, was er schon immer rausgekriegt hat.

asp: Wie soll das konkret aussehen?

D. Scharmer: Wir wollen stärker die Kosten-Nutzen-Argumentation in den Vordergrund stellen. Man muss klarmachen, warum es sinnvoll ist, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Diesen Transfer müssen wir in der Lobbyarbeit hinbekommen. Die neue Art der Kommunikation schließt auch die Nutzung neuer Medien mit ein. Man muss neue Dinge ausprobieren, ohne das Bewährte zu lassen. Es bedarf also zusätzlicher Aktivitäten. Der Trend geht in der Kommunikation zu mehr emotionaler Darstellung von Sachthemen. Nicht alles, was in den sozialen Medien stattfindet, muss gefallen. Aber wir können uns den neuen Trends in der medialen Welt auch nicht verschließen. Das müssen wir noch stärker in die Verbandsarbeit aufnehmen.

"Unseren Mitgliedern geht es deutlich besser als der Gesamt­wirtschaft." Dirk Scharmer, Geschäftsführer GVA

asp: Aber die Automotive-Branche ist eher konservativ geprägt. Kann das gutgehen?

D. Scharmer: Wir müssen im Zweifel einen 25-jährigen Abgeordneten im EU-Parlament für die Sache interessieren. Hier gilt: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Wir haben sehr gute Gründe, die Dringlichkeit unserer Themen beim Endverbraucher zu schärfen! Wir müssen dem Autofahrer klarmachen, wie wichtig der freie Markt ist, um auch künftig noch einen fairen Preiswettbewerb zu haben, der letztlich dem Endverbraucher zugute kommt. Alle wollen schließlich zu fairen Preisen Auto fahren. Wenn eine breite Öffentlichkeit Bescheid weiß, könnte das einen Politiker veranlassen, sich mit dem Thema zu beschäftigen - denn es geht dann um Wählerstimmen.

asp: Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten Thomas Vollmar?

D. Scharmer: Das Miteinander klappt sehr gut; als Team sind wir erfolgreich unterwegs. Die Arbeitsteilung ist klassisch: Ich bin als Geschäftsführer für das operative Geschäft zuständig, der Präsident Thomas Vollmar präsentiert den Verband nach außen. Er ist auch das Bindeglied auf Präsidiumsebene zu unserem Dachverband, dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), in dem unter anderem die Handelsverbände organisiert sind. Ich selbst bin mit der Geschäftsführerebene dort in enger Abstimmung. Ich bin Thomas Vollmar sehr dankbar dafür, dass er mich sehr zügig mit allen wichtigen Stakeholdern bekannt gemacht hat.

asp: Wie ist die wirtschaftliche Situation Ihrer Mitglieder?

D. Scharmer: Gesamtwirtschaftlich wird die Lage als schlecht eingeschätzt. Wir haben in der Branche aber immer noch ein reales Wachstum von drei bis vier Prozent. Auch die Aussichten der GVA-Mitglieder sind gut, wenn auch nicht in allen Bereichen gleichermaßen. Im Bereich Nkw ist zu spüren, dass die Bauaktivitäten eingebrochen sind. Insgesamt gehen Dreiviertel der Mitglieder von steigenden Umsätzen aus. Unseren Mitgliedern geht es glücklicherweise deutlich besser als der Gesamtwirtschaft.

asp: Wie positioniert sich der Verband zum Thema Elektromobilität?

D. Scharmer: Wir sind technologieoffen und wir halten die Regelung für richtig, dass man Grenzwerte für die CO2-Emissionen vorgibt. Das ist im Sinne des Klimas. Wie die Grenzwerte dann erreicht werden, sollte unserer Meinung nach aber technologieoffen sein. Die Unternehmen werden Lösungen im Wettbewerb erarbeiten und dann wird man schon sehen, was sich im Markt durchsetzt, wirtschaftlich ist und die Zielvorgaben erreicht. Wir erleben gerade, dass uns die E-Mobilität, die als favorisierter Weg politisch vorgeschrieben wurde, einen Weg geebnet hat, der uns in eine Abhängigkeit von China geführt hat, was Rohstoffe und Grundelemente der Batterietechnologie betrifft.

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