Hinter den Kulissen brodelt ein Konflikt, der auch im Schlagabtausch der Referenten im Saal deutlich zu spüren war. Es geht um die Ausrichtung der Datenmanagement-Plattform Caruso, die der freie Aftermarket als Gegengewicht zu den digitalen Geschäftsmodellen der Fahrzeugindustrie ins Leben rufen will. Bereits bis Mitte nächsten Jahres soll die Plattform arbeitsfähig sein, erklärte Alexander Haid, Projektleiter Caruso, anlässlich des diesjährigen GVA-Kongresses in Hannover.
Derzeit wird Caruso als Projekt maßgeblich von dem Datenlieferanten TecAlliance vorangetrieben. Geplant ist jedoch die Gründung einer eigenständigen Gesellschaft. Als Anteilseigner werden zunächst die Gesellschafter von TecAlliance hinter Caruso stehen, also vor allem die Unternehmen der Kfz-Teileindustrie, aber auch der Teilehandel, vertreten durch den Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA).
Die Idee hinter Caruso: Es geht um die Schaffung einer neutralen Datenplattform für Telematikdienste und andere neue Services, die auf gesammelten Fahrzeugdaten basieren. Auf der Grundlage solcher Daten sollen künftig neue Geschäftsmodelle aufgebaut werden, die der freie Servicemarkt dann unabhängig von markengebundenen Werkstätten anbieten könnte.
Das Problem: Bisher hat der IAM keinen definierten Zugriff auf diese Daten. Eine europäische gesetzliche Regelung hierzu steht immer noch aus - auch weil sich Fahrzeughersteller und Vertreter des freien Marktes nicht einigen konnten. Die Fahrzeughersteller übertragen bereits heute proprietäre Daten über die im Auto verbaute SIM-Karte auf ihre eigenen Server und beanspruchen diese hoheitlich für sich. Es sei nicht hinnehmbar, dass Daten erst von den Automobilherstellern gefiltert würden bevor Drittanbieter - womöglich kostenpflichtig - Zugriff darauf erhalten. Auf diese Weise entstünde eine digitale Abhängigkeit von der Automobilindustrie als Gatekeeper, erklärte Sylvia Gotzen, Generalsekretärin des europäischen Dachverbandes der Kfz-Teile-Händler. Genau dieses Modell mit dem Arbeitstitel "Extended Vehicle" favorisiert derzeit aber die Fahrzeugindustrie und deren Verband VDA. Caruso soll offenbar zunächst auf dieses umstrittene Modell einschwenken. Das wiederum empört Vertreter des freien Teilemarktes. Man befürchtet, dass es bei dieser Praxis bleiben werde, sobald sie erst einmal etabliert sei.
GVA-Präsident Hartmut Röhl betonte, dass der diskriminierungsfreie Zugang zu den im Fahrzeug erzeugten Daten eine Überlebensfrage für die Unternehmen des IAM sei. Ziel sei daher der direkte und ungefilterte Zugang über eine noch zu definierende offene Telematikplattform (OTP) im Auto. Man werde sich daher weiter in Brüssel für eine wettbewerbsneutrale gesetzliche Regelung einsetzen, die den direkten Datenzugriff erlaube - ohne den OEM als Filter, versprach Röhl den über 250 Teilnehmern des Kongresses.
Kurzfassung
Bei der Jahresmitgliederversammlung des GVA und dem anschließenden Kongress wurde heftig diskutiert, wie der Zugang zu Fahrzeugdaten für Telematikdienste wettbewerbsneutral gestaltet werden sollte. Der freie Teilemarkt steht unter Zeitdruck.
Ein zufriedenstellendes Jahr
Die GVA-Mitglieder sind mit dem wirtschaftlichen Verlauf des Jahres 2016 bislang insgesamt zufrieden. Das zeigen die Ergebnisse einer GVA-Mitgliederbefragung nach dem dritten Quartal. So konnten 76,6 Prozent der Unternehmen aus Kfz-Teilehandel und Kfz-Teileindustrie steigende Umsätze verbuchen, fast jeder dritte Betrieb konnte gar deutliche Zuwächse von mehr als fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum melden. 81,8 Prozent der GVA-Industriemitglieder konstatierten ein Umsatzplus, bei den GVA-Handelsmitgliedern waren es immerhin noch 72 Prozent. Rund 13 Prozent der Befragten berichteten von gleichbleibenden Umsätzen.Die Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr 2016 sind laut GVA ebenfalls positiv ( siehe Tabelle oben): Immerhin 72 Prozent der Kfz-Teilehändler sowie 86,4 Prozent der Kfz-Teilehersteller rechnen mit Zuwächsen (gesamt: 78,7 Prozent). Das Ergebnis passt gut zur wirtschaftlichen Situation im Kfz-Servicemarkt. Die Kfz-Servicebetriebe stellen die wichtigste Kundengruppe der GVA-Handelsmitglieder dar. Die Werkstätten erwarten laut Geschäftsklimaindex des Deutschen Kfz-Gewerbes (ZDK) ein positives viertes Quartal. 40 Prozent der Servicebetriebe rechnen mit einer besseren und 56,6 Prozent mit einer saisonüblichen Pkw-Werkstattauslastung gegenüber dem dritten Quartal.
- Ausgabe 12/2016 Seite 50 (249.8 KB, PDF)