Kurzfassung
Die Batterien neuer vollelektrischer Fahrzeuge belegen kontruktionsbedingt die gesamte Bodenplatte. Der Raum zum Ansetzen der Hebebühne wird umso kleiner. Eine kostengünstige Lösung sind spezielle Adapter für Schwenkarmhebebühnen, die freien Zugang zum Unterboden gewähren.
Die Elektromobilität nimmt Fahrt auf. Noch nie wurden so viele teil- oder voll elektrifizierte Fahrzeuge verkauft wie im letzten Jahr - staatlichen und auch stattlichen Förderprämien sei Dank. Für Servicebetriebe stellt sich die Frage, ob für die Wartung von Elektrofahrzeugen neue Investitionen in die Werkstattausrüstung notwendig sind. Im Zentrum eines Werkstattarbeitsplatzes steht stets die Hebebühne. Der optimale Hebebühnentyp ist immer schon von einigen Faktoren abhängig: von den Arbeiten, die durchgeführt werden sollen, von den Fahrzeuggewichten, aber auch von den Platzverhältnissen.
Neben dem E-Pionier Tesla kommen jetzt unter anderem auch die deutschen Automobilhersteller in Schwung und bringen Modelle mit brauchbaren Reichweiten um die 400 Kilometer auf den Markt. Die entsprechenden Akkus nehmen den kompletten Unterboden zwischen den Achsen in Anspruch. Die Aufnahmepunkte für die Hebebühne werden hingegen immer kleiner und rücken an den äußersten Rand des Unterbodens. Für den Ausbau des kompletten Akkus oder einzelner Module muss der Unterboden frei zugänglich sein. Die Tragelemente der Bühne dürfen dabei nicht stören. Das klingt nach teuren Sonderlösungen, doch die Werkstattausrüster beruhigen: Es braucht keine Spezialbühnen, lediglich die Typenvielfalt ist eingeschränkt.
Flexibles Tragarmdesign
So scheiden Scheren- oder Flachträgerbühnen aus, da die Auffahrbleche oder Flachträger zu weit in den Bereich des Unterbodens reichen. "Zwei-Säulen- oder Zwei- Stempel-Bühnen mit Tragarmen sind die Wahl der Stunde, um optimalen Zugang zum Unterboden zu ermöglichen", bringt es Wolf-Erik Schmitt, ASA-Fachbereichsleiter Hebetechnik und Marketingdirektor der VSG Vehicle Service Group (Ravaglioli, Rotary u.a.) auf den Punkt. Da der Trend zu immer größeren Akkus geht, um Reichweite zu realisieren, ist laut Schmitt zu erwarten, dass der Unterboden noch stärker in Beschlag genommen wird, als es bislang bei einem BMW i3/i8, einem Renault Zoe oder einem Smart der Fall ist. "Die Aufnahmepunkte liegen in Zukunft an anderer Stelle als bisher. Das bedeutet wiederum, dass das Tragarmdesign so flexibel sein muss, dass es die Aufnahmepunkte erreicht und gleichzeitig den Zugang zum Unterboden nicht stört", so Schmitt weiter.
Weiterhin betont er, dass die vorgeschriebenen Aufnahmepunkte unbedingt zu beachten sind: "E-Fahrzeuge dürfen auf keinen Fall am Akku aufgenommen werden." Während ältere E-Modelle, bei denen die Batterie nicht als Bodenplatte konstruiert ist, auch mit konventionellen Bühnen eine ausreichende Zugänglichkeit ermöglichen, sieht das gerade bei der neuesten Generation wie Audi e-tron, Porsche Taycan, den ID-Modellen von VW oder den Tesla-Modellen ganz anders aus. "Da sind die Batterien extrem groß und gehen fast bis zum äußersten Rand der Schweller. Hier muss man mit deutlich kleineren Drehtellern oder speziellen Adaptern arbeiten", erklärt Julien Lièvre, Produktmanager bei Nussbaum. So sind beispielsweise beim Tesla kleine, rechteckige Aufnahmen in den Unterboden eingelassen, in die ein entsprechender Adapter mit Sicherungsstift passt. Schon seit Längerem hat Nussbaum mit der HF 3S Otto eine Zwei- Säulen-Hebebühne im Angebot, die mit den patentierten Otto-Tragarmen ausgestattet ist. Während die kurzen Arme teleskopierbar sind, verfügen die längeren Arme über ein zusätzliches Gelenk. Damit sind nicht nur problematische Aufnahmestellen erreichbar, sondern das Fahrzeug kann auch mit unterschiedlichem Säulenabstand links und rechts positioniert werden. "Das bietet dem Monteur bessere Zugangsmöglichkeiten in den Innenraum, da die Türen voll geöffnet werden können", so Lièvre.
Angepasste Programme
Auch andere Werkstattausrüster haben ihr Programm bereits angepasst. "Wir haben unsere Schwenkarm-Hebebühnen mit neuen Gummi-Drehtellern ausgerüstet, die Fahrzeug und Bühne voneinander isolieren. Außerdem können an den Schwenkarmen spezielle Adapter zur Aufnahme von Sicherungsgurten angebracht werden", erklärt Holger Seeliger, Produktmanager bei MAHA. Letzteres kann im Falle eines Batterieausbaus notwendig sein, da sich dann die Gewichtsverteilung ändern kann. Für die aktuellen Modelle MA Star 3.5 und 5.5 bietet MAHA die Möglichkeit, Radgreifer zu montieren, um den Zugang zum Unterboden frei zu halten.
Auch AutopStenhoj hat seine Unterund Überflurhebebühnen modifiziert. So sind unter anderem die Tragarme in den Torsionseigenschaften verstärkt, um Radgreifer nachzurüsten. "In begrenztem Maße sind auch ältere Bühnen wie die Maestro 2.35 auf die neuen Tragarme umrüstbar. So können auch freie Werkstätten kostengünstig E-Fahrzeuge heben und warten", so Gebietsverkaufsleiter Jörg Passoke. Alternativ nennt Passoke die Unterflurbühne Masterlift 2.35 SAA, die ebenfalls freien Zugang zum Unterboden ermöglicht. AutopStenhoj bietet für die Bühnen ein umfangreiches Programm an Steckpilzen für verschiedene Aufnahmepunkte an, ebenso als Alternative die steckbaren Radgreifer mit 875 Kilogramm Tragkraft pro Stück.
Warten auf Herstellervorgaben
Werkstätten sind gut beraten, sich frühzeitig mit dem Thema E-Fahrzeuge zu befassen. Die Investition für einen reinen Elektrofahrzeug-Arbeitsplatz ist laut Anbieter nicht notwendig. Vielmehr sehen sie die Möglichkeit, mit der passenden Schwenkarmhebebühne und entsprechendem Zubehör einen Standardarbeitsplatz zu schaffen, der auch für E-Fahrzeuge nutzbar ist. Zumal es vonseiten der Automobilhersteller noch kaum konkrete Vorgaben gibt, wie ein entsprechender Arbeitsplatz aussehen soll. Wolf-Erik Schmitt ist sich allerdings sicher, dass es diese in absehbarer Zeit geben wird: "Wir stehen in engem Kontakt mit den Automobilherstellern und haben auch Freigaben für aktuelle Hebebühnen. Ich rechne aber damit, dass spätestens nächstes Jahr konkrete Vorgaben zu erwarten sind. Hier wird aber das Rad nicht neu erfunden, sondern das Design den Anforderungen angepasst."
Noch kaum Hersteller-Vorgaben
Die Vorgaben der Automobilhersteller für Hebebühnen bei E-Fahrzeugen sind bisher wenig konkret. Das könnte sich aber bald ändern.
Beispiel Audi
Für die Durchführung von Kundendienstarbeiten (jeglicher Art) sind gemäß des Audi-Servicepartnervertrags bestimmte Anforderungen bezogen auf den Arbeitsplatz vorgegeben. Die offizielle Richtlinie besagt in diesem Zusammenhang, dass Arbeiten an BEV an jedem Basis-Werkstattarbeitsplatz mit einer (handelsüblichen) Zwei-Säulen-Hebebühne mit einer Traglast von bis zu 3,5 t vorgenommen werden können. Darüber hinaus gibt es die Anforderung eines Starkstromanschlusses (Ladeleistung bis zu 22 kW) und es muss eine ausreichend große (temporäre) Logistikfläche von vier mal sieben Metern am Arbeitsplatz vorhanden sein. Spezielle Sicherheitseinrichtungen wie z. B. eine isolierte Hebebühne werden nicht benötigt.
Beispiel Mercedes
Zusätzlich zu den existierenden Vorgaben für die Montagetische für Verbrennerfahrzeuge gibt es für die Hebebühnen für Elektrofahrzeuge folgende weitere Vorgaben, um sicherzustellen, dass die Batterie rangiert werden kann:
- Es muss sich um eine Säulenhebebühne ohne Überfahrsteg handeln, die keinen Antriebskanal am Boden aufweist.
- Es muss sich um einen ebenen Arbeitsplatz handeln.
- Ausgabe 04/2021 S.38 (194.9 KB, PDF)