Die EU-Initiative ProSafe hat 47 Hebebühnen überprüft und dabei neben kleineren auch sicherheitsrelevante Mängel festgestellt. Wir haben das als Anlass genommen und bei Wolf-Erik Schmitt, Fachbereichsleiter Hebetechnik beim ASA-Verband, nachgefragt. Im Interview erklärt er, was es mit der EU-Initiative ProSafe genau auf sich hat, wie die Sicherheit von Hebebühnen nachgewiesen wird und was Werkstattbetreiber im Alltag beachten müssen.
asp: Welche Funktion hat die Initiative ProSafe?
W.-E. Schmitt: Bei ProSafe handelt es sich um eine EU-Initiative zur Überprüfung von Fahrzeug-Hebebühnen hinsichtlich CE-Konformität und Sicherheit. Der Fokus liegt auf Zweisäulen- und Scherenhebebühnen, wobei Überwachungsbehörden aus insgesamt neun Mitgliedsstaaten daran beteiligt sind. Bisher wurden 47 Hebebühnen unter der Leitung von zwei unabhängigen Experten überprüft. Neben vielen kleineren Mängeln, zum Beispiel keine Herstellerangabe auf dem Typenschild, gab es zahlreiche konstruktive und damit sicherheitsrelevante Mängel. So wurde zum Beispiel bei 18 Hebebühnen ein mangelnder Schutz festgestellt, der zu Quetschungen führen kann. Davon betroffene Hersteller wurden bereits informiert und zu Nachbesserungen aufgefordert. Vier Hebebühnen wurden bisher von der EU vom Markt zurückgerufen.
asp: Inwiefern sind Hebebühnen asiatischer Anbieter sicherheitstechnisch besonders problematisch?
W.-E. Schmitt: Konstruktionsmängel und die nicht vollständige Einhaltung der EG-Maschinenrichtlinie führen zu massiven Sicherheitsproblemen bei Hebebühnen. Sicherheitsprobleme, die im schlimmsten Fall zum Tode führen. Dies ist jedoch nicht ein rein asiatisches Problem, auch wenn wir mehrheitlich Produkte aus asiatischer Fertigung davon betroffen sehen.
asp: Wie wichtig sind Projekte wie ProSafe und warum ist Deutschland nicht beteiligt?
W.-E. Schmitt: Nationale Überwachungsbehörden haben selbst keine Möglichkeit Produkte hinsichtlich CE-Konformität und Sicherheit zu überprüfen. Erst nach einem Unfall können rechtliche Schritte mit Unterstützung der Berufsgenossenschaften eingeleitet werden. Die Bedeutung von ProSafe ist daher sehr groß - die EU besitzt die Möglichkeit Produkte, die nicht den gängigen Sicherheitsanforderungen entsprechen, vom Markt zu nehmen. Dies gilt nicht nur für Hebebühnen, auch andere Produkte des Alltags sind davon betroffen. Es ist schade, dass Deutschland selbst nicht Teil der Initiative ist. Der Europäische Werkstattverband EGEA, zu dem auch der ASA-Verband gehört, wurde zu spät über die Initiative informiert - Korrekturen waren zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr möglich.
asp: Welche sicherheitsrelevanten Normen und Richtlinien muss eine Hebebühne erfüllen?
W.-E. Schmitt: Hebebühnen unterliegen dem Anwendungsbereich der EG- Maschinenrichtlinie. Diese wird für Fahrzeughebebühnen konkretisiert durch die EN 1493 in ihrer aktuellen Ausgabe 2010.
asp: Was besagt die Richtlinie EN 1493 im Groben?
W.-E. Schmitt: Die EN 1493:2010 regelt im Wesentlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Anforderungen, die ein Hersteller bei der Konstruktion und dem Bau von Hebebühnen erfüllen muss.
Über die an der Hebebühne angebrachte CE-Kennzeichnung und der beigelegten Konformitätserklärung bescheinigt der Hersteller, dass die Hebebühne der EG-Maschinenrichtlinie entspricht.
asp: Aktuell wird an einer Revision der Richtlinie EN 1493 gearbeitet. Wie ist der Stand und welche Inhalte kommen neu dazu?
W.-E. Schmitt: Seit 2016 erarbeiten nationale Vertreter aus Europa in der Arbeitsgruppe CEN/TC 98/WG3 einen Vorschlag für eine Neufassung der EN1493. Auch der ASA-Verband beteiligt sich aktiv an dieser Neufassung. Ziel ist es, im Rahmen der nächsten Treffen einen finalen Vorschlag zu verabschieden. Darin enthalten sind unter anderem Regelungen für die Verwendung von Fernbedienungen, Überarbeitung der Normativen Fahrzeuge, die auch alternative Antriebskonzepte mit berücksichtigen, sowie zusätzliche Prüfvorschriften.
asp: Welche Bedeutung hat die Richtlinie im Werkstattalltag? Wird sie regelmäßig überprüft?
W.-E. Schmitt: Gemäß Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung muss der Werkstattbetreiber zahlreiche Pflichten beachten. Neben einer Gefährdungsbeurteilung und Erstellung einer Betriebsanweisung inklusive regelmäßiger Unterweisung der Mitarbeiter, zählt auch die regelmäßige Prüfung der Hebebühne durch eine befähigte Person dazu (mindestens einmal pro Jahr). Detaillierte Informationen sind in der Branchenvereinbarung für Hebebühnen zusammengefasst, die von der ASA-Webseite heruntergeladen werden kann ( siehe Kasten rechts). In der Praxis wird nach unserer Erfahrung die regelmäßige Prüfung weitestgehend umgesetzt. Ein größeres Problem stellt die Qualifikation der befähigten Person dar - häufig sind die für eine Prüfung erforderlichen Kenntnisse nicht vollständig vorhanden.
asp: Um welche Kenntnisse handelt es sich hier genau und wer ist eine befähigte Person?
W.-E. Schmitt: Die befähigte Person sollte wissen, wie das zu prüfende Produkt genau funktioniert - unabhängig davon, ob es sich bei der befähigten Person um den Mitarbeiter einer Prüforganisation handelt oder um das Servicepersonal der Vertriebspartner. Prinzipiell kann die Werkstatt auch einen eigenen Mitarbeiter dafür auswählen, der entsprechend auf das Produkt geschult ist und die weiteren Anforderungen bezüglich Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften etc. erfüllt. Alle Vorgaben dazu können in der Branchenvereinbarung für Hebebühnen nachgelesen werden.
asp: Was sollten Werkstattbetreiber beim Kauf einer neuen Hebebühne beachten?
W.-E. Schmitt: Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Hebebühne der Wahl alle unter den ersten beiden Antworten beschriebenen Anforderungen erfüllt. Darüber hinaus sollten Werkstattbetreiber nicht nur auf den Preis der Hebebühne schauen. Entscheidend sollte vielmehr das Gesamtkonzept sein, welches auch Service und Wartung nach dem Kauf mit abdeckt.
asp: Herr Schmitt, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Valeska Gehrke
Kurzfassung
Eine Hebebühne gehört zur Grundausstattung jeder Werkstatt. Damit Mechatroniker bei ihrer Arbeit keinen Gefahren ausgesetzt sind, unterliegen Hebebühnen daher besonderen Sicherheits- und Prüfvorschriften. Bei einer aktuellen Untersuchung der EU-Initiative ProSafe wurden jetzt u.a. sicherheitsrelevante Mängel aufgedeckt.
Prosafe
Auch für B2B-ProdukteProSafe ist eine EU-Initiative, die Konsumer-Produkte aus verschiedenen Bereichen hinsichtlich ihrer Sicherheit überprüft, vom Kinderspielzeug über den Rasenmäher bis zur Hebebühne. 2014 wurde ein Projekt "Fahrzeug-Hebebühnen" ins Leben gerufen. Von 47 getesteten Hebebühnen wiesen allein 18 Hebebühnen konstruktive Mängel beispielsweise hinsichtlich des Schutzes vor Quetschungen auf, vier Hebebühnen wurden komplett vom Markt genommen. Details zu den betroffenen Hebebühnen können unter folgendem Short-Link, der zur Original-Webseite der EU-Kommission führt, abgerufen werden. Den Link finden Sie auch im asp ePaper.Link:http://shortlinks.de/784x (englisch) Dazu bitte in der Suche ("search all notifications") in der Kategorie "Machinery" im Freitext nach "Vehicle lift" suchen.
- Ausgabe 12/2017 Seite 36 (1.7 MB, PDF)