asp: Herr Straten, Continental plant den Automotive-Bereich abzuspalten, Stellen zu reduzieren und Werke zu schließen. Betrifft das auch das Aftermarket-Geschäft?
E. Straten: Keine Frage, die Automobilbranche macht derzeit eine sehr schwierige Transformation durch, da kommen viele Faktoren zusammen, wie etwa die geringe Nachfrage, der langsame Hochlauf der E-Mobilität und die technologische Transformation. In Zeiten wie diesen ist der Aftermarket ein Stabilitätsanker: Im aktuellen Konjunkturklima sind die Verbraucher vorsichtig, was Neuanschaffungen angeht. Damit steigt der Bestand älterer Fahrzeuge, wovon wir im Aftermarket profitieren. Wir hatten insgesamt ein gutes Jahr mit solide steigenden Umsätzen, die Neuausrichtung im Automotive-Aftermarket ist abgeschlossen, und zwar sozialverträglich. Zum Thema Abspaltung muss ich etwas ausholen: Die Automotive-Sparte von Continental, zu der unter anderem das Geschäft mit Software, Fahrassistenz-Systemen, Bremsen und Fahrzeugdisplays gehört, soll über einen sogenannten Spin-off an die Börse gebracht werden - und zwar als eigenständiges Unternehmen mit neuem Namen. Teil davon ist das von mir verantwortete Aftermarket-Geschäft von Automotive, zu dem unter anderem Bremsen und Elektronik gehören. Die übrigen Geschäftsfelder Contitech und Reifen verbleiben inklusive ihres Aftermarket-Business bei Continental. Den Spin-off hat der Vorstand schon beschlossen, nun muss der Aufsichtsrat zustimmen und die Hauptversammlung den Beschluss fassen. Bis Ende 2025 ist geplant, Automotive als eigenständiges Unternehmen an die Börse in Frankfurt zu bringen.
asp: Continental möchte das Portfolio im Bereich Sensorik ausbauen. Was ist geplant?
E. Straten: Bei Sensoren für Fahrerassistenzsysteme haben wir seit jeher eine starke Position in der Erstausrüstung und daher wollen wir unser Portfolio um Kameramodule und Radarsysteme im Laufe des Jahres 2025 erweitern. Bislang war der Bedarf an solchen Sensoren auf dem Aftermarket noch nicht so groß und wenn Produkte vertrieben wurden, dann eher über die OES-Schiene. Wir merken aber nun, dass sich der Bedarf erhöht und diese Sensoren auch vermehrt in den freien Werkstätten verbaut werden. Durch neue gesetzliche Regulierungen wie die General Safety Regulation der Europäischen Union nehmen Fahrerassistenz-Systeme weiter an Fahrt auf.
asp: Welche Fahrzeuge sollen mit den Sensoren abgedeckt werden?
E. Straten: Natürlich schauen wir auf Volumenmodelle. Neben BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Audi haben wir auch Nissan im Portfolio. Dort, wo wir bereits in der Erstausrüstung sind, werden wir die Produkte auch für den Independent Aftermarket zur Verfügung stellen. Und wir werden sukzessive neue Fahrzeuge hinzufügen. Auch Lidar-Sensoren sind mittelfristig eine Option, zunächst starten wir aber mit Kamera- und Radarmodulen.
asp: Wo werden die Sensoren produziert? Auch in Deutschland?
E. Straten: Die Sensoren produzieren wir weltweit. Oftmals haben wir mehrere Werke in unterschiedlichen Ländern für eine Produktgruppe. Der Vorteil für uns ist, dass wir solche Systeme bereits inhouse für die Hersteller entwickeln und die entsprechende Kompetenz haben.
asp: Gibt es auch Schulungen zu den neuen Produkten?
E. Straten: Erklärungsbedürftige Produkte wie Fahrerassistenz-Systeme muss man immer im Paket mit einer Schulung anbieten. Seit Jahren zeigen wir in der Theorie und in Praxistrainings, wie man Kamera- und Radarsysteme einbaut und kalibriert. Dieses Trainingsangebot werden wir noch weiter ausdifferenzieren. Da sich viele Technologien aktuell verändern, spielen Trainings und Werkstattservice ganz allgemein eine immer wichtigere Rolle. Gleichzeitig ändert sich die Art und Weise, wie Werkstätten sich weiterbilden. Wir bieten daher Schulungen auf unterschiedlichen Ebenen an. Das kann beispielsweise ein virtuelles Training sein, wir haben natürlich auch TrainingsCenter in Deutschland und Europa. Zusätzlich verstärken wir unsere Hotlines und wollen mit den Möglichkeiten der Digitalisierung noch näher bei der Werkstatt sein - etwa mit unserem "Remote Expert", der 2025 live geht. Dabei kann sich die Werkstatt per Videocall sehr einfach mit uns verbinden und wir können sie direkt bei der Reparatur unterstützen.
asp: Sind Sensoren für Verbrenner auch noch interessant?
E. Straten: Ja, unbedingt. Mit VDO haben wir auch Sensoren für Verbrennungsmotoren im Portfolio und wir werden das deutlich ausbauen, und zwar auf über 700 Sachnummern im Bereich Motormanagement, sodass die Abdeckung durchschnittlich um 50 Prozent steigt. Da E-Fahrzeuge deutlich langsamer den Markt durchdringen als gedacht, werden Sensoren für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch eine lange Zeit relevant bleiben. Wir glauben daran, dass der Automotive Aftermarket für Verbrennungsmotoren erst im Jahr 2035 bis 2040 seinen Peak erleben wird und erst dann langsam abflacht. Dann werden E-Fahrzeuge relevanter und wir werden unser Portfolio entsprechend weiter anpassen.
R. Sudmann: Uns spielt auch in die Karten, dass der Fahrzeugbestand immer älter wird und ältere Fahrzeuge oft gewartet werden müssen, was gute Nachrichten für das Aftermarket-Geschäft sind. Im TecDoc-Katalog ist momentan immer noch der VW Golf IV am stärksten nachgefragt, der vor über 20 Jahren zugelassen wurde. Das sind die Fahrzeuge, die heute noch in den Werkstätten repariert werden.
"Wir wollen das Sensoren-Portfolio um Kameramodule und Radarsysteme erweitern." Enno Straten, Continental
asp: Continental setzt zukünftig auch stärker auf Nachhaltigkeit. Was ist hier geplant?
E. Straten: Wir setzen vermehrt auf nachhaltig produzierte Produkte, um zu zeigen, was wir als Premiumzulieferer können, aber auch um uns auf künftige gesetzliche Vorgaben vorzubereiten. Dafür müssen wir auch unsere Lieferketten nachhaltig machen und unsere Lieferanten danach auswählen. Unter der komplett neuen Produktlinie "ATE New Original" bieten wir beispielsweise Bremsenprodukte für die neue Mobilität, etwa Bremsscheiben und Beläge sowie eine neue Bremsflüssigkeit. Sprich, wir wollen eine hohe Performance sicherstellen, aber nachhaltig sein, um Emissionen zu reduzieren und Umweltstandards zu erfüllen.
asp: Was zeichnet die Bremsflüssigkeit aus?
E. Straten: Unsere neue Bremsflüssigkeit ATE SecuBrake ist größtenteils aus nachwachsenden Materialien hergestellt, was den CO2-Fußabdruck um rund 80 Prozent reduziert, und sie ist frei von Gefahrstoffen. Die Flüssigkeit wird zudem in Deutschland produziert.
- Ausgabe 01/2025 Seite 016 (304.3 KB, PDF)
Auto-Neuheiten 2025
Bildergalerieasp: Bietet die Bremsflüssigkeit dieselbe Performance wie eine herkömmliche?
E. Straten: Ja, sie übertrifft die Anforderungen für DOT-4-Bremsflüssigkeiten, bremst mit einer entsprechenden Performance und ist für Elektrofahrzeuge geeignet. Auch das Handling in der Werkstatt ist einfacher, da ATE SecuBrake keine kennzeichnungspflichtigen Gefahrenstoffe wie Borsäureester enthält. Daher muss sie nicht im Gefahrstofflager aufbewahrt werden.
asp: Herr Sudmann, welche nachhaltigen Produkte soll es bei Contitech geben?
R. Sudmann: Vor zwei Jahren haben wir einen nachhaltig produzierten Keilrippenriemen als eine Konzeptstudie aufgrund einer Kundenanfrage entwickelt. Das Feedback des Kunden war so gut, dass wir uns dazu entschlossen haben, diesen Keilrippenriemen nun als Aftermarket-Produkt auf den Markt zu bringen.
asp: Was zeichnet diesen Riemen aus?
R. Sudmann: Im Keilrippenriemen kommen 65 Prozent nachhaltige Inhaltsstoffe, beispielsweise Ruß aus Altreifen, zum Einsatz. Auch recycelter Kunststoff aus PE-Flaschen wird für den Zugstrang verwendet. Darüber hinaus besitzt der Keilrippenriemen eine zellulosebasierte Deckschicht und die Verpackung besteht aus 98 Prozent Altpapier. Ganz wichtig war uns auch die Zertifizierung der Materialien, die nicht etwa durch eine CO2-Kompensation geschieht. Unser Naturkautschuk ist beispielsweise ISCC-Plus-zertifiziert, was wir nachweisen können. Die Gummimischungen produzieren wir selbst in zwei Werken in Deutschland.
asp: Gibt es technische Einschränkungen?
R. Sudmann: Unser nachhaltig produzierter Keilrippenriemen ist - Stand heute - nur für den Nebentrieb erhältlich, für den Zahnriemen funktioniert das Prinzip technologisch noch nicht. Die Belastung ist dort nochmals deutlich höher. Die Performance darf nicht schlechter als beim konventionellen Produkt sein. Das wird auch so vom OEM verlangt.