Von Wolfram Nickel/SP-X
Eine italienische Ikone feiert in diesen Wochen ihr Comeback – auf der Plattform des Mazda MX-5. Tatsächlich wird der neue Fiat 124 Spider sogar gemeinsam mit dem Japan-Roadster im Mazda-Werk in Hiroshima gebaut. Ob er aber die Erfolgsstory seiner Vorgänger fortführen kann, muss der neue Nippon-Fiat erst noch zeigen. Schließlich galt der vor 50 Jahren vorgestellte offene Sportwagen damals als Fiats Antwort auf den zur gleichen Zeit präsentierten Alfa Spider. Zwei 2+2-Sitzer, die beide von Pininfarina gezeichnet worden waren und sich doch deutlich differenzierten.
So verdankte der Fiat seine Technik dem vormaligen Ferrari-Motoreningenieur Aurelio Lampredi, musste sich aber im Gegensatz zum potenten Alfa anfangs mit einem 66 kW / 90 PS Vierzylinder begnügen. Leistungszuwächse und siegreiche Rallyeversionen gab es erst für die 1970er Jahre. Was den tollen Turiner nicht hinderte, die Amerikaner ins Herz zu treffen, die letztlich drei Viertel der Produktion kauften. Als Fiat 1975 seinen Spider in Europa still und leise zu Grabe trug, freute sich Alfa bereits über eine Alleinstellung. Zu früh – denn Pininfarina ließ seinen größten kommerziellen Erfolg nicht sterben, schenkte ihm stattdessen ein zweites Leben unter eigenem Label. Erst 1985 rollte der letzte Pininfarina Spidereuropa vom Band ins Museum. Ein Ehrenplatz, der dem mit 200.000 Einheiten meistgebauten Italo-Spider aller Zeiten zusteht.
Schon die Premierenfeier des sportlichen Bestsellers war spektakulär, denn sie war Bestandteil eines Jahrhundertfestes. Galt es im Jahr 1966 doch, die 100. Wiederkehr des Geburtstages von Giovanni Agnelli zu zelebrieren, des Unternehmers also, der die Fabricca Italiana di Automobili Torino (Fiat) gegründet hatte. Passend zu diesem Jubiläum übernahm der Enkel, Advokat Giovanni Agnelli, die Macht im Haus und richtete Fiat strategisch neu aus. Die Modelle wurden nun internationaler vermarktet und nicht mehr nach der Hubraumgröße benannt. Erstes Modell der neuen Nomenklatur war der Fiat 124, der auch als sowjetisches Volksauto Lada gebaut wurde und in insgesamt drei Kontinenten vom Band rollte. Nur die exklusivste Version des Fiat 124, der Spider, kam allein aus italienischen Werken. Verkauft wurde er dennoch weltweit, mit dem Hauptmarkt in Nordamerika.
Ein besonderes Geburtstagsgeschenk
Mit dem anfänglich "Sport Spider" genannten Cabrio machten die Turiner Techniker ihrem Konzerngründer ein besonderes Geburtstagsgeschenk, enthüllt auf der damals wichtigsten Designmesse, dem Turiner Salon. Die offene Version des Fiat 124 basierte auf der verkürzten Bodengruppe der Limousine und trug ein Kleid, das anfangs weitaus ausgewogener gezeichnet war als der gleichfalls von Pininfarina karossierte Alfa Spider mit Rundheck. So jedenfalls die Bewertungen zeitgenössischer Kritiker, die den Alfa erst in der 1969 eingeführten Fastbackversion uneingeschränkt bejubelten. Dagegen verriet der Fiat die Zahl seiner Jahresringe stets nur durch Details. Dazu zählen die Motorhaube, die ab 1970 zwei Powerdomes für stärkere Maschinen zeigte und die Mitte der 1970er Jahre eingeführten Stoßstangen für US-Sicherheitsnormen. Andererseits kündete noch in den 1980er Jahren ein klassisches Armaturenbrett mit Holzfurnier vom Zeitgeist der Swinging Sixties.
Damals beerbte der Fiat nicht nur seinen luftigen Vorgänger vom Typ 1600, sondern er konkurrierte gleich mit einem Dutzend offener Europäer. Allerdings fehlte es diesen fast immer am damals boomenden Dolce-Vita-Feeling, eine Italianita, die besonders in Amerika gefragt war. Auf diesem weltweit größten Sportwagenmarkt gelangen dem 124 Spider deshalb von Beginn an seine größten Erfolge. Tatsächlich hatte sich Pininfarina bereits bei der Linienfindung des Fiat inspirieren lassen durch einen US-Sportwagen, das von ihm 1963 gebaute Concept Car Corvette Rondine. Auch die Karosserie des 124 Spider wurde bei Pininfarina gefertigt und erst anschließend zur Endmontage in die Fiat-Fabrik geliefert. Trotz dieses Aufwandes und des anspruchsvoll konstruierten 1,4-Liter-Motors mit Leichtmetallzylinderkopf und Zahnriemenantrieb für die zwei Nockenwellen war der Fiat von Beginn an bezahlbar. Mit 10.980 Mark kostete der offene 124 deutlich weniger als ein Alfa Spider oder der Triumph TR 4. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis des Sportlers, der überdies verblüffend schnell war. Auf ersten Autostrada-Testfahrten bescheinigte die Presse dem Fiat Spider eine Vmax von fast 200 km/h, jedoch war die Werksangabe von 174 km/h im Alltag realistischer.
Weshalb Fiat mit dem ersten Facelift nachrüstete und 1970 einen 1,6-Liter-Vierzylinder mit 81 kW / 110 PS lancierte, dem wiederum drei Jahre später eine 1,8-Liter-Version mit nunmehr 87 kW / 118 PS folgte. Noch kräftiger war ab Ende 1972 eine Sonderserie zur Homologation für FIA-Rallyefahrzeuge: Der 94 kW / 128 PS starke Fiat 124 Abarth Rally in Kriegsbemalung mit mattschwarzen Hauben, Hardtop und Kotflügelverbreiterungen. Ein heiß begehrter Sportler, der das schon 1971 eingeleitete und durch zahlreiche Trophäen honorierte Rallye-Engagement des Fiat Spider erfolgreich fortführte bis 1976 der Fiat 131 Abarth ein gänzlich anderes Kapitel aufschlug. Heute zählt der 124 Abarth Rally zu den von Sammlern am höchsten dotierten Spielarten des Spider. Kein Wunder, dass Fiat von diesem Imageträger weiter profitieren will und deshalb auf dem Genfer Salon 2016 den Abarth 124 Spider aus der Mazda-Kooperation vorfuhr.
Im Jahr 1975 erging es den Straßenversionen des Abarth aber erst einmal ebenso wie allen anderen Fiat Spider: Mit dem neuen Mittelklassemodell 131 Mirafiori wurde die Ära 124 ad acta gelegt. Allerdings nur in Europa, denn die Amerikaner bezogen die Spider nach wie vor. Einzelne US-Fiat fanden zudem weiterhin den Weg nach Deutschland, belieferte doch bis 1980 eine Vertriebsfirma hier lebende US-Bürger mit der Turiner Sportwagenspezialität. Erst danach durfte die Heilbronner Fiat Automobil AG den Frischluftstar erneut ins Programm nehmen. Dort blieb er auch in seinem zweiten Leben, das 1982 begann.
Fiat ließ Spidereuropa-Produktion fortführen
Fiat ließ es damals zu, dass Pininfarina die Produktion des nun Pininfarina Spidereuropa genannten Sportwagens in Eigenregie fortführte. Und dies sogar mit einem Triebwerk temperamentvollster Natur und dem verheißungsvollen Namen Volumex. Dahinter verbarg sich ein Zweiliter-Vierzylinder aus dem Fiat Argenta mit Kompressoraufladung, der 99 kW / 135 PS freisetzte. Genug Biss, um den einzig verbliebenen Rivalen von Alfa bis 1985 in der Leistungsausbeute ebenso zu übertrumpfen wie in den Gesamtstückzahlen. Dann war der Fiat bzw. Pininfarina endgültig reif fürs Museum. Sergio Pininfarina erläuterte später nicht ohne Wehmut, dass es zu kompliziert geworden war, die alte Hinterradantriebstechnik von Fiat zu beziehen, wo inzwischen nur noch Frontantriebs- und Allradmodelle gebaut wurden.
Letzteres eine Situation wie heute. Vielleicht konnte Fiat kaum etwas Besseres passieren als den 124 Spider auf Basis des Mazda MX-5 und dessen klassischer Roadsterarchitekur zu revitalisieren.