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60 Jahre Lamborghini: Im Sternzeichen des Stiers

24.03.2023 06:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Mit dem Countach läutete Lamborghini die Ära keilförmiger Supersportwagen ein.
© Foto: Lamborghini

War wirklich Enzo Ferrari "schuld", dass Treckerfabrikant Ferruccio Lamborghini die mächtigsten V12-Supersportwagen ihrer Zeit auf die Straßen schickte? Auf jeden Fall sorgt die Marke im Zeichen eines Kampfstiers mit dramatisch designten Racern wie Miura, Espada, Countach, Diablo oder Sterrato seit 60 Jahren für Aufreger.

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Der als Sohn eines Bauern geborene Ferruccio Lamborghini (1916-1993) wusste, was die italienische Seele der frühen Nachkriegsjahrzehnte liebte: buon cibo e buno vino sowie begehrenswerte belle macchine. Gutes Essen und guter Wein, dafür etablierte Lamborghini 1948 eine erfolgreiche Landmaschinenfabrik in der fruchtbaren Poebene, ehe er 15 Jahre später im verträumten Städtchen Sant'Agata Bolognese eine Manufaktur für schöne und vor allem furiose Supersportwagen aufzog. Als Logo für die aufregend geformten V12-Boliden wählte Lamborghini sein persönliches Sternzeichen, den Verlässlichkeit und Kraft vermittelnden Stier, allerdings zeigte das Signet auf den Autobahnrasern die Silhouette des wilden Kampfstiers Murciélago.

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Hatte Ferruccio Lamborghini wirklich so viel Wut gegen Enzo Ferrari im Bauch, wie es die Legende besagt? Kampfstiere aus der Miura-Zucht vs. Maranellos Cavallino Rampante also? Automobilenthusiast und -sammler Ferruccio Lamborghini soll mit seinem neu erworbenen Ferrari 250 GT unzufrieden gewesen sein, aber Enzo Ferrari hatte ihn angeblich nur abgefertigt und zurück zu seinen Traktoren geschickt. Tatsächlich erkannte Lamborghini bei der Fehlersuche in seinem Ferrari 250 GT, wieviel Großserientechnik und damit Potential zum Geldverdienen in Supercars steckte. Vor allem, wenn die Gewinne nicht wieder im Motorsport verbrannt wurden. Also schickte er die radikalsten Renner der 1960er und 1970er auf die Straße, Ikonen wie Miura, Espada, Jarama und Countach. Heute gehört Lamborghini längst zu Audi, aber das Duell Sant'Agata vs. Maranello hält an.


60 Jahre Lamborghini Sportwagen

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Zur Geschichte einer großen italienischen Automobilmarke gehört neben klangstarken Motoren und kunstvollen Karosserieformen natürlich auch eine gute Portion Drama. Tatsächlich hat Lamborghini alles zu bieten, was die Welt auch an der italienischen Oper goutiert, also wunderschöne Höhepunkte und berührende Niederlagen. Als Ferruccio Lamborghini 1993 an einem Herzanfall starb, hatte er sein Sportwagenwerk längst verkaufen müssen. Konnte er 1971 noch den visionären Jahrhundertsportwagen Countach vorstellen, führten schon ein Jahr später Liquiditätsprobleme und Auseinandersetzungen mit streikenden Gewerkschaften dazu, dass Ferruccio Lamborghini seine Sportwagen- und Traktorenwerke verkaufte und er sich selbst ganz dem Weinbau widmete. Ein Entschluss, den Lamborghini genauso konsequent umsetzte wie den Start der Sportwagenentwicklung ein Jahrzehnt zuvor.

Damals galt der Großindustrielle als einer der reichsten Männer Italiens, der nun sein Imperium aus Traktoren- und auch Klimageräte-Fabrikation um eine neue Goldader erweiterte. Dafür gewann er den routinierten Rennwageningenieur Giotto Bizzarrini (Ferrari 250 GTO), die jungen wilden Fahrwerksspezialisten Gian Paolo Dallara und Paolo Stanzani sowie Stardesigner Franco Scaglione. Während Bizzarini mit einem 255 kW / 347 PS starken V12 für den Lamborghini 350 GTV den Ferrari 400 Superamerica deklassierte, schuf Scaglione für den Stier Numero Uno eine verwegene Form, die Pininfarinas Ferrari-Couture verblassen ließ.

Dann das Debakel: Der V12 passte nicht ins Blechkleid des 350 GTV, so debütierte der erste Lamborghini mit schweren Ziegelsteinen unter der zugeklebten Haube auf dem Turiner Salon 1963. Keiner bemerkte den Trick, denn Signore Lamborghini hatte das Premierenpublikum kurzerhand ins Allerheiligste nach Sant'Agata eingeladen, wo der V12 auf dem Prüfstand zu Prosecco und feinen Antipasti ein soundstarkes Konzert gab. Erst der ein Jahr später vorgestellte 350 GT schaffte es mit leicht entschärftem, aber zuverlässigem V12 in die Serienfertigung.


Lamborghini Invencible und Autentica

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Den ersten ganz großen Triumph über den Commendatore aus Maranello feierte Ferruccio Lamborghinis mit dem 1966 eingeführten Miura. Dieser exaltierte Gran Turismo verblüffte nicht nur durch eine Formensprache, die die Welt bis dahin nicht gesehen hatte. Es war auch das direkt aus dem Rennwagenbau übernommene Mittelmotorprinzip plus V12, das die Maserati, Ferrari, Iso-Rivolta, Aston Martin oder Porsche 911 jener Jahre alt aussehen ließ. Wie eine Raubkatze auf dem Sprung gab sich das nach Stierzüchter Antonio Miura benannte Biest, dessen in Ruhestellung zum Himmel gerichtete Scheinwerfer harmlos wirkten. Bis sie aufblendenden, um den bis zu 283 kW / 385 PS im Miura SV freie Bahn zu brechen.

Werks-Testfahrer Bob Wallace erzielte Rekordgeschwindigkeiten im öffentlichen Straßenverkehr – etwa von Mailand nach Modena in 38 Minuten (170 Kilometer Distanz) – und das genügte. Die Reichen und Berühmten, von Formel-1-Pilot Jean Pierre Beltoise über Jazz-Legende Miles Davis oder später Popstar Rod Stewart stürmten zu Lamborghini, wie sie es zuvor bei Ferrari gemacht hatten. Geld spielte keine Rolle, nur die Frage: "Wann bekomme ich das Auto?" Dass der Miura erst in Kundenhand qualitativen Feinschliff erfuhr, über solche Petitessen sahen sie hinweg.

Espada und Countach hießen die nächsten großen Würfe, von denen ihr Designer Marcello Gandini sagte: "Die Leute sollen mit offenem Mund vor den Autos stehen bleiben". Während sich der Espada 1968 bemühte, als schnellster Viersitzer der europäischen Vmax-Meute davon zu fahren, schien der keilförmige Countach schon als Concept 1971 die Schallmauer durchbrechen zu wollen. Rebellischer und radikaler als diese Rakete auf Rädern war in den 1970er und 1980er Jahren kein Racer. Dezenter fielen Islero (1968) und Jarama (1970) sowie Urraco (1972) aus, Ferruccios persönliche Favoriten.


Lamborghini-Showroom München

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Aber die Kunden wollten es wild. Und deshalb verdankte die Marke mit dem Stier ihr Comeback aus den finanziellen Katastrophen der 1970er mit Streiks und Ölkrisen weder harmlosen Geschossen wie dem Jalpa (ab 1981), noch dem Geländegänger LM002 (ab 1986), sondern allein dem Ruhm des alternden Countach. So überlebte Lamborghini den Konkurs von 1978, die Neugründung als Nuova Automobili Lamborghini (1981), die Übernahme durch Chrysler (1987) und den Weiterverkauf an asiatische Investoren (1994), denen trotz des erfolgreichen Diablo 1998 das Geld ausging. Jetzt war Audi am Zug und die Modelle Murciélago (2001), Gallardo (2003), Aventador (2011) sowie Huracán trieben die Verkaufszahlen der betörenden Bestien aus Sant’Agata in bis dahin ungeahnte Höhen.

Gleichwohl, die Stückzahlen der Ferrari-Modelle erreichte Lamborghini bislang nicht, nicht einmal das SUV Urus vermochte dies. Trotzdem, das SUV-Fieber hat auch die Piemonteser infiziert. Neuer Spitzentyp der Urus-Baureihe ist deshalb der Urus Performante, der beim Pikes Peak Hill Climb einen Rekord für Serien-SUV aufstellte. Und der Huracán Sterrato zeigt, wie sich Lamborghini einen Donnerkeil für Fahrspaß abseits des Asphalts vorstellt. Passgenau zum 60. Geburtstag präsentiert die automobile Stierzucht ihre erste Bestie des elektrischen Zeitalters: Das V12-Hybrid-Supercar LB744. Der Zweikampf Sant'Agata gegen Maranello geht also weiter. Patrizia Lamborghini wird es beobachten und in der Tradition ihres Vaters auch künftig Qualitätsweine erzeugen – inklusive eines edlen V12-Tropfens.

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