Business. Unusual. So beschreibt Cupra sich selbst, wenn es gilt, User Chooser zu fangen. Denn, so Cupra weiter, ist der Cupra Formentor "Wie gemacht für Dein Business". Und "außergewöhnlich geformt. Schlanke Linienführung. Der neue Cupra Formentor. Verkörpert die Vision einer neuen, zeitgemäßen Sportlichkeit." Puhh, da wird dick mit dem Reklame-Lippenstift um den Mund gefahren … oder war das der Honig? Egal, wir schauen uns mal an, was von den vollmundigen Versprechen gehalten werden kann.
Sieben Motoren, Phev, Allrad, DSG
Den Formetor gibt es mittlerweile mit sieben Motorvarianten. Benziner und Diesel starten mit jeweils 150 PS. Mehr Selbstzünder gibt es nicht. Bei den Ottomotoren geht es mit 190 und 245 PS weiter. Wer bei der Versteuerung sparen möchte und emissionsfrei ins Büro pendeln kann, wählt einen der beiden Plug-in-Hybride mit entweder 204 oder 245 PS. Ganz oben rangiert aktuell noch der 2.0 TSI mit 310 PS. Die Spitze des Eisbergs? Nein, nicht ganz. In Kürze folgt ein Fünfzylinder-TSI mit fast 400 PS. Die Bandbreite ist also mächtig und spiegelt den Gedanken, den Cupra als sportliche Speerspitze versprach, souverän wider. Somit setzen wir einen Haken an die Behauptung: "Wie für Dein Business gemacht". Denn motorisch ist genau die Auswahl vorhanden, die sich die meisten User Chooser wünschen.
Ob die "schlanke Linienführung zeitgemäße Sportlichkeit verkörpert", muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist: Viertürige Coupés – noch dazu auf Stelzen – sind gefragt, wenngleich das Segment Coupé eher als Verkaufsargument dient, denn als Spezifizierung des Fahrzeugs. Zwar ist der Formentor mit einer langen Motorhaube und dem durchaus dynamischen Greenhouse designt worden – weshalb er auch fast als hochbeiniger Gran Tursimo durchgehen könnte, aber ein klassisches Coupé sieht eben doch anders aus. Macht nichts. Die Neuinterpretation und der Mix diverser Fahrzeuggattungen bildet eine spannende Melange, die auf unseren Testfahrten auf durchaus viel Beachtung und Zustimmung traf. Selbst die kupferfarbenen Elemente außen und innen sowie die Mattlackierung wurden von einigen "Fans" goutiert.
Dass dieses automobile Konglomerat einige Vorteile bietet, merkt man beim Einsteigen – vorne wie hinten. Die dezent erhöhte Sitzposition fühlt sich gleich gut an. Festes Leder (1.300 Euro) und eine nicht zu beanstandende Materialauswahl und ebensolche Verarbeitungsqualität lassen Freude aufkommen. Der Mittelbereich ist superclean. Schalter sucht man vergebens. Manchmal auch die Funktionen, die ehemals auf Knopfdruck erledigt wurden. Die meisten Dinge lassen sich nämlich übers 12-Zoll-Display steuern oder via einen der 19 Schalter, Tasten und Rollen am Lenkrad. Zwei davon sind ungewöhnlich, eine allerdings extrem wichtig. Der Motorstart und das Abstellen von selbigem gelingt durch die kreisrunde Taste rechts unten am Lenkrad. Das heißt, sie befindet sich nicht immer dort – je nach Lenkradstellung auch mal rechts oben, links drüber, unten daneben oder da sonst irgendwo. Das ist im besten Fall gewöhnungsbedürftig. Uns gefällt dieser Taster eigentlich besser dort, wo er sich bei den "Nicht-VZ-Modellen" mit weniger Leistung befindet. Im Bereich des Schalthebels. Aber das ist wohl weniger sportlich. Auf der zweiten kreisrunden Taste im Lenkrad prangt das Cupra-Logo. Ein langer Druck darauf erweckt den tieferen Sportgeist im Formentor und aus den Lautsprechern beginnt es zu brabbeln.
Das Brabbeln kommt also nicht vom VZ im Bug. VZ? Bedeutet veloz. Immer noch Fragenzeichen? Oke, es könnte auch "RP" für "rapido" lauten. Aha, genau: "schnell" bedeutet beides. Unser VZ ist bis dato der VZigste, also der schnellste. 310 PS. Wir sind bedient. Vollends. Der Formentor VZ ist schnell. Verdammt schnell. Der Vierzylinder ist aus dem Volkswagen-Regal zwar hinlänglich bekannt – im Grunde seit Golf 5 GTI (und genauer seit Audi S3 8P aus dem Jahr 2006). Er beeindruckt aber immer wieder aufs Neue. So tritt der TSI aus niedrigen Drehzahlen sehr kraftvoll an und dreht nach Jahren der Atemnot im obersten Drehzahlbereich für einen Turbo mittlerweile sauber und frei aus. Vehementer Vortrieb endet bis zum Begrenzer (bei 250) nicht. Das ist fast beängstigend, zaubert aber zugleich ein Grinsen ins Gesicht – zumindest bei Menschen, die der Faszination Automobil noch erliegen können – was sicherlich Cupra-Interessierten gelingt.
Leistetreter
Wir freuen uns über die zurückhaltende Tonalität im Normalmodus (Cupra-Taste nicht gedrückt). Die 400 Newtonmeter Drehmoment werden vom Siebengang-DSG seziert und im Normalfall wird bei rund 2.000 Touren in den nächsthöheren Gang geschaltet – automatisch. Wer meint, es besser zu können, darf mittels Schaltwippen eingreifen – benötigt dafür jedoch lange Finger. Die Paddles sind etwas kurz geraten. Behutsamer Umgang mit den Kraftreserven wird in jedem Fall belohnt. Unter acht Liter ist machbar, 16 auf morgengrauer Sonntagsautobahn ebenfalls. 55 Liter passen in den Tank, der für die volle Leistung mit Superplus befüllt werden will, aber auch mit Superbenzin noch Schnellkraft-Elixier in Richtung der vier Brennräume entsendet, um die rund 1.650 Kilogramm Leergewicht in Schwung zu bringen.
Dass Gewicht auch ein Garant für Fahrkomfort sein kann, ist hinlänglich bekannt. So ist auch der Formentor VZ durchaus noch komfortabel, wenngleich das vornehmlich an dem Kürzel DCC liegt. DCC ist serienmäßig an Bord und dahinter verbergen sich die Adaptivdämpfer, die im Komfortmodus wirklich Komfort bieten. Auf der rechten Seite des virtuellen Schiebereglers (zu bedienen über das Mitten-Display) steht Sport. Wir haben den Balken nur ganz kurz mal nach rechts gezogen. Schade, dass sich jedoch bei schneller Autobahnfahrt das Fahrwerk verselbstständigt und automatisch verhärtet. Je nach Autobahn-Abschnitt wird Schnellfahren damit zur Hoppelpartie.
Fifty-Fifty
Die Kraftverteilung des Allradantriebs changiert bis zu einer Verteilung von maximal 50 Prozent zwischen vorn und hinten; mehr kann der nach dem Haldex-Prinzip arbeitende Vierradantrieb nicht, der im Normalfall die Leistung auf kürzestem Weg umsetzt, also nach vorne abgibt. Kann die Vorderachse – etwa bei Nässe – die Kraft nicht mehr verarbeiten, entsendet sie den Überschuss an die Hinterachse. Funktioniert tadellos und gibt ein gutes Gefühl. Wer das ESP deaktiviert, kann den Formentor auch zum Ausfallschritt bewegen, gutmütig kommt das Heck oder aber die gesamte Fuhre schiebt bei Nichtkönnern stur über die Vorderachse – alles supersicher.
Dass der Formentor ein Alltagsheld sein will, äußert sich auch bei der Sitzperformance. Komfortabel sind die Cupra Sportschalensitze. Doch so richtig Schale spürt man nicht. Dafür bieten sie zu wenig Seitenhalt und es fehlt an Schenkelauflage für Langbeiner. Hier wäre ein Performance-Paket mit echten Schalensitzen und der für 1.950 Euro bereits jetzt erhältlichen Brembo-Bremsanlage wünschenswert. Denn die 370-Millimeter-Brembos sehen nicht nur nach Sport aus, sie fühlen und hören sich auch so an. Soll heißen: Sie beißen gnadenlos zu, besitzen einen sauberen Druckpunkt und wollen eine kräftige Hand am Steuer haben; und sie schleifen schon mal wie beim Rennwagen, wenn man langsam durch die Garage flaniert und dem Duo aus Bremsenschleifen und dem Knacken des sich abkühlenden Abgassystems lauscht. Das kennt man heute kaum noch und freut Petrolheads umso mehr.
Ach ja. Fast vergessen. In der zweiten Reihe sitzen die Passagiere luftig. Vor allem Knieraum gibt es viel. Die hintere Mittelarmlehne mit Durchreiche sowie die Gurtklammern sind pfiffig, schlabbern damit die ungenutzten Gurte nicht mehr. Zur Ladungssicherung im 420 Liter großen Kofferraum gibt es lediglich Verzurrösen. Dabei wäre ein Schienensystem gerade beim sportlichen Formentor wünschenswert. Schön ist das Panorama-Schiebedach. Bei echten Sportlern hingegen ein No-Go aufgrund des Mehrgewichts und des dann erhöhten Schwerpunkts, beim Formentor passt es wunderbar – wie eben die Sitze. Alles etwas ungewöhnlich, aber irgendwie selbst für den Geschäftstermin passend – vielleicht nicht unbedingt in der 1.730 Euro teuren Mattlackierung. Aber in aufpreisfreiem Weiß.