Bei den Schwaben hat’s gefunkt. Aus ihrer Sicht gibt es nun in fast jedem Segment einen Rein-Stromer. Gut, dass Mercedes-Chef Ola Källenius vor rund zwei Jahren betonte, dass die Zukunft von Mercedes im Luxus angesiedelt sei. Dieser verkauft sich bekanntlich einfach und lukrativ – da auch in der Elektromobilität.
Mercedes EQE streckt sich auf fast fünf Meter
Der EQE ist das neueste Beispiel des Perfektionsstrebens. Wie der Name suggeriert, fühlt sich er sich in der oberen Mittelklasse zuhause – Stammgebiet der E-Klasse, deren Limousine aus dem Programm gestrichen ist. Die Lücke soll der EQE schließen. Vielfahrer willkommen. Denn genau für sie sei der EQE gemacht. Mit 4,95 Metern Länge und 1,96 Metern Breite ist der im Bremer Werk gefertigte Benz in der Innenstadt ebenso unpassend wie der identisch breite Bruder EQS.
Mercedes EQE Fahrbericht (2022)
BildergalerieWer ihn dennoch universell einsetzen möchte und mehr Fahrspaß wünscht, ist gut beraten, eine der Hinter-Achs-Lenkungen (HAL) zu bestellen. Die kleine Version lenkt mit bis zu 4,5 Grad, kostet stramme 1.300 Euro und reduziert den Wendekreis von 12,5 auf 11,6 Meter. Wer das Premium-Paket bestellt, bekommt 5,5 Grad mehr für denselben Aufpreis – so geht heutzutage der Verkauf von Extras. Denn das Premium-Paket kostet 11.860 Euro.
Die 10-Grad-Version reduziert den Wendekreis auf 10,7 Meter. Dieses Fahrgefühl ist zugegebenermaßen phänomenal und macht aus einem finnischen Gewichtheber einen brasilianischen Capoeira-Kämpfer – egal ob in der Frankfurter City oder hoch zum Feldberg. Dass sich beim Rangieren die Lenkanschläge akustisch zu Wort melden, schreiben wir der Vorserie zu. Luxus klingt anders.
Zur Definition von Luxus gehört oft auch der Begriff Komfort. Den bietet der EQE mit der Luftfederung für 1.750 Euro. Auf der anderen Seite hilft sie, dass sich der EQE nicht nach 2,4 Tonnen anfühlt. Gut 500 Kilogramm dürfen Menschen und Gepäck wiegen. Eine Anhängekupplung gibt’s für 840 Euro. 750 Kilogramm Anhängelast sind indes mager, reichen aber für den Fahrradträger.
Kofferraum nicht allzu üppig
Denn in den Kofferraum passt nicht viel. 430 Liter sind 120 weniger als in der Verbrenner-E-Klasse. Und es gibt, analog zur E-Klasse, keine Heckklappe, sondern eine kleine Öffnung. Laut Mercedes würden die Scharniere oben an den C-Säulen viel Bauraum einnehmen und Kopfraum rauben. Tatsächlich sitzt es sich im Fond kommod, wenngleich der Dacheinzug an den Seiten weit nach unten reicht, man sich daher beim Einsteigen stark verbeugen muss und beim Drinsitzen nicht immer sieht, was draußen passiert. Das mit dem Sehen ergeht auch dem Fahrer beim Blick in die winzige Heckscheibe so.
Vorn tut sich dafür Weite auf – auch ohne Hyperscreen (7.200 Euro), der zwar imposant wirkt, aber dessen drei Bildschirme verzichtbaren Zusatz-Nutzen mit sich bringen. In der Basis ist das Infotainment gut bedienbar, viele Funktionen, die man nicht findet, findet die MBUX-Dame. Was verwundert: dass das Mercedes-Navi noch immer nicht die Suchqualitäten von Googlemaps besitzt.
Mercedes EQE qualitativ sehr hochwertig
Qualitativ macht dem Benz kaum einer was vor. Genau dann stören aber so Dinge wie die Spaltmaße der Motorhaube, die zum Kotflügel hin Briefeinwurf-Größe haben, oder der Plastikstopfen am Ladeanschluss. Strom fasst der EQE hinten rechts. 170 kW in der Spitze, was den 90 kWh-Akku in gut einer Stunde füllen könnte. An der Wallbox klappt das mit 11 kW und ab Sommer optional mit 22 kW. 640 Kilometer sollen mit einer Ladung möglich sein.