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Fahrbericht Rolls Royce Ghost: Ein bisschen mehr Zeitgeist

23.10.2020 07:00 Uhr
Der Ghost ist das sogenannte Einstiegsmodell in den Auto-Olymp, denn als einziger Rolls ist er für unter 300.000 Euro zu haben.
© Foto: Rolls-Royce

Der Ghost gilt als Einstiegsmodell in die noble Welt von Rolls Royce und ist das meistverkaufte Modell der britischen BMW-Tochter. Jetzt startet die die zweite Generation der großen Limousine.

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Von Peter Maahn/SP-X

Eine Gleichung, die eigentlich nicht aufgehen kann: "Weniger und gleichzeitig mehr" forderte Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös von seinen Ingenieuren und Designern bei der Neuauflage des Ghost. Denn Nachfragen bei Kunden des meistverkauften Modells der englischen Traditionsmarke ergaben: Ein neuer Ghost sollte klarer und sachlicher aussehen und dank Verzicht auf einige Schalter und Hebel einfacher zu bedienen sein. Andererseits wünschten sich die wohlhabenden Klienten mehr hochmoderne Technik und vor allem noch mehr Qualität.

Der Ghost ("Geist) ist eben nicht irgendein neuer Rolls Royce, sondern der Nachfolger des mit 18.000 gebauten Fahrzeugen in zehn Jahren erfolgreichsten Modells aller Zeiten, das die legendäre Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy" je vor sich hertragen durfte. Der Ghost ist das sogenannte Einstiegsmodell in den Auto-Olymp, denn als einziger Rolls ist er für unter 300.000 Euro zu haben. Zum Vergleich: Der Rolls-Rocye-Klassiker Phantom kostet ab 450.000 Euro.

Neue Schlichtheit schon von außen: Eine sanft gen Heck abfallenden Dachlinie, glatte Flächen an den Seiten unterbrochen durch eine akkurat gemalte Horizontal-Linie. Die einzige zarte Karosserie-Falz ist knapp über dem Schweller zu entdecken. Fast nüchtern präsentiert sich auch die neue Motorhaube, die sich in Richtung des berühmten Kühlergrills optisch verjüngt. Knapp über dem Asphalt dann noch ein länglicher Lufteinlass, der den recht schmalen Stoßfänger umklammert. Alles wirkt modern und doch gediegen, unterscheidet sich deutlich vom zwar kraftvollen, aber eben recht klobigen Gesicht des Vorgängers.

Der Längenzuwachs um acht Zentimeter auf jetzt 5,55 Meter sorgt zudem für ein gestreckteres Äußeres. Dimensionen, bei denen ein paar Zentimeter mehr schließlich keine Rolle mehr spielen. Die neue Größe kommt der nochmals gestiegenen Beinfreiheit in der zweiten Reihe zugute. Denn schließlich ist der Ghost eine Luxuslimousine, deren betuchte Passagiere First-Class-Ambiente erwarten.

Gut 100 Kilogramm Dämmmaterial

Die erste "Geisterfahrt" beginnt mit einer Überraschung. Hat der Rolls Royce etwa einen Elektromotor? Keineswegs, unter der Haube flüstern im Leerlauf zwölf Zylinder, verteilt auf 6,75 Liter Hubraum. Sie lauern darauf, mit Hilfe von zwei Turboladern ihre gewaltige Durchzugskraft von 850 Newtonmetern auf alle vier Räder gerecht zu verteilen. Der Hör-Irrtum ist neben der Laufkultur des Benziners dem auf die Spitze getriebenen Einsatz von Dämmmaterial geschuldet, das allein gut 100 Kilogramm auf die Waage bringt. Ob als Folie zwischen der doppelten Verglasung, hinter dem Motor- oder vor dem Kofferraum oder sogar in den Reifen. Kein Teil des 2,5-Tonners blieb vom Lauschangriff der Akustiker verschont. Und in der Tat herrscht bei nicht aktiver Audioanlage (18 Lautsprecher, 1.300 Watt) eine Stille, die dem Modellnamen Ghost gerecht wird – fast gespenstisch also.

Dazu passt die herzerwärmende Anmutung des Rolls-typischen Sternenhimmels in der Dachverkleidung mit seinen 1.340 winzigen LED-Lämpchen. Funkelndes auch vor dem Beifahrer neben dem Zentralmonitor. Hier ist ein beleuchteter Ghost-Schriftzug zu sehen, der von 850 Sternen umgeben ist, die ihrerseits von 152 LED mit Licht versorgt werden. So ein an sich unwesentliches Detail ist typisch für die Philosophie von Rolls Royce, den Kunden etwas anzubieten, was sie in keinem anderen Auto finden.


Rolls-Royce Ghost (2021)

Rolls-Royce Ghost (2021) Bildergalerie

Ein kurzer Druck auf den Stockhebel rechts vom Lenkrad, ein sanftes Zucken der rechten Zehen öffnet die so fremde Welt der Superreichen, die es sich leisten können, mit 420 kW / 571 PS unterwegs zu sein. Der Ghost ist ein Gigant, dessen Besitzer zu 80 Prozent selbst hinterm Steuer sitzen und auf die Dienste eines livrierten Chauffeurs gerne verzichten. Das Fahrerlebnis aus überbordender Kraft gepaart mit reinstem Luxus-Ambiente ist eines der Erfolgsgeheimnisse dieses Rolls Royce, hat viele neue Käufer angelockt, die zuvor noch nie ein Auto der Marke besessen haben.

Im Münchner Stadtverkehr schwimmt der Ghost wie selbstverständlich mit all den anderen aller Preisklassen geduldig mit. Der Motor bleibt kaum hörbar, der Lärm des richtigen Lebens da draußen ist ausgesperrt. Das ändert sich, wenn das runde schwarzweiße Schild am Rand der Autobahn die Freiheit des Gasgebens eröffnet. Ein energischer Tritt lässt ihn sofort völlig unaufgeregt galoppieren, nur der kurze Blick auf die Tachonadel beweist, dass die 200 km/h schon weit überschritten sind. Kein Gebrüll aus dem Motorraum, alles bleibt gelassen sanft wie in einem ICE. Selbst das sonst übliche Dröhnen der Reifen oder ein Zischen des Fahrwindes bleibt weitgehend aus.

Der Ghost ist kein Sportwagen, ist nicht dafür gebaut, um auf Landstraßen um enge Ecken zu räubern. Kein echter Rolls-Royce-Fahrer will so unterwegs sein. Er erwartet aber zu Recht, dass sein sündhaft teures Gefährt nicht wegen seiner Masse und seiner Dimensionen abseits breiter Autobahnpisten zum Ungetüm wird. Keine Sorge, die präzise Lenkung wirkt auch auf die Hinterräder, die von Kameraaugen entdeckten Unebenheiten werden frühzeitig an die elektronisch geregelten Dämpfer und Feder gemeldet, die Achtgang-Automatik sucht sich selbsttätig die ideale Stufe, ist dafür mit GPS-Satelliten verbunden, die die Landkarte im Blick haben. Alles aufeinander abgestimmt, um die Insassen stets zu verwöhnen. Dazu gehört auch die sensorgesteuerte Filterung der Innenluft.

Bestimmte Assistenzsysteme wurden aussortiert

Natürlich ist der Ghost bei diesem Preis schon von Haus aus mit den üblichen Assistenzsystemen gesegnet. Dazu gehören Abstandsradar, Spurthalte-Warnung, halbautomatisches Einparken oder Notbremsassistent. Nach den erwähnten Befragungen der Kunden verzichtet Rolls Royce aber auf das selbsttätige Weglenken von der Trennlinie beim Spurthalten oder ein Start-Stopp-System. Diese Fahr- bzw. Sparhelfer fielen glatt durch und tauchen so nicht einmal gegen Aufpreis auf. Serienmäßig ist dagegen eine Kombination aus LED- und Laserlicht, dass 600 Meter weit strahlen kann.

Dafür gibt es andere nette Details wie das Schließen der breiten und schweren Türen per Knopfdruck in der Mittelkonsole, das Öffnen der Fondausstiege funktioniert ebenfalls mit elektrischer Hilfe. Natürlich ist auch eine Bremsanlage an Bord, sie dich nach einem Regenguss selbst trocknet, zwei Regenschirme stehen in gesonderten Ablagen bereit. Es ist halt die Summe der vielen durchdachten Details, die das Auto so wertvoll und so teuer machen. Immerhin dauert es wegen der vielen Handarbeit im Werk gut 800 Stunden, bis ein Ghost fertig vom Band rollt. Manche Großserienmodelle sind schon nach zwölf Stunden bereit zur Auslieferung.

Natürlich ist der Ghost in den Augen vieler Kritiker aus der Zeit gefahren, ist zu groß für unsere engen Städte, braucht zu viel Benzin (15,5 Liter auf 100 km) und stößt zu viele Schadstoffe aus (bis 358 Gramm/km). Er wird aber in viel zu kleinen Stückzahlen verkauft, um in einer Klimabilanz in Gewicht zu fallen. Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös sieht für seine Marke aber auch eine Zukunft in der neuen, der elektrischen Welt. "Wir arbeiten an einem Rolls Royce mit reinem Elektroantrieb, standesgemäßer Reichweite und all dem Komfort, den unsere Kunden von uns erwarten." Noch verrät er nicht, wann so ein Stromer mit Kühlerfigur zu haben sein wird. Aber: "Es wird schneller gehen als man denkt."


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