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Kurs auf Elektromobilität

22.04.2019 11:00 Uhr
Kurs auf Elektromobilität
Mit dem Ausbau der Elektromobilität brechen für Servicebetriebe schwere Zeiten an.
© Foto: bluedesign/fotolia.com

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VW-Chef Herbert Diess hat es kürzlich auf den Punkt gebracht: Der Elektromotor soll bei VW künftig die Schlüsselrolle übernehmen, andere alternative Technologien wie Fahrzeuge mit Brennstoffzelle sollen außen vor bleiben. Bis 2028 möchte der Autobauer 70 neue E-Auto-Modelle auf den Markt bringen. Damit nimmt VW eine Besonderheit ein, denn viele andere Autohersteller und Zulieferer wie ZF sprechen sich für eine Technologieoffenheit bei alternativen Antrieben aus - so wie auch der ASA-Verband ( siehe Interview Frank Beaujean auf S. 20). Trotzdem werden sich rein batteriebetriebene Fahrzeuge (BEV) oder zumindest eine Hybridisierung des Antriebs wohl auf längere Sicht durchsetzen. Denn die Effizienz des E-Antriebs ist unangefochten: Was an Energie in der Batterie des Fahrzeugs mitgeführt wird, kann fast 1:1 wieder in Vortrieb umgewandelt werden. Alternativen wie Wasserstoff bringen es nur auf einen Wirkungsgrad von maximal 30 Prozent, synthetische Kraftstoffe liegen sogar nochmals darunter ( siehe Interview mit Martin Winter vom MEET- Batterieforschungszentrum der Uni Münster auf S. 18).

Dennoch gibt es viele Baustellen bei der Elektromobilität, die bearbeitet werden müssen, damit die Technologie auch für die breite Masse interessant wird. Da wäre zum einen die noch mangelhafte Ladeinfrastruktur und der Mangel an "grünem" Strom in Deutschland, der Elektroautos bislang nicht wirklich umweltfreundlich macht. Auch die Herstellung des Fahrzeugs ist momentan nicht nachhaltig, da sie sehr energieintensiv ist, oft mit Kohlestrom geschieht und das Recycling der Batterien derzeit noch in den Kinderschuhen steckt. Die Batterie selbst muss ebenfalls weiterentwickelt werden, da die aktuell verwendete Lithium-Ionen-Technik deutlich weniger Energie mitführen kann als herkömmlicher getankter Ottooder Diesel-Kraftstoff. Auch die Ladung der Batterie, vor allem die Schnellladung, muss optimiert werden, zumal die Kapazitäten der Batterien weiter steigen.

Hybrid vor Elektroauto

Die Verkäufe der reinen Stromer kommen deshalb nicht richtig in Schwung, zumal die Kosten für die Autos selbst sehr hoch sind. 2018 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt gerade einmal 36.000 Elektroautos in Deutschland zugelassen, was einem Marktanteil von rund einem Prozent entspricht. Nicht viel besser sieht es bei der Hybridtechnik aus: 31.442 Plug-in-Hybride ( siehe Grafik Antriebsarten rechts) wechselten den Besitzer. Gerade Letztere erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, da sich die relativ kleine Batterie schnell laden lässt und besonders für Kurzstrecken bis maximal 50 Kilometer ausreicht, während bei längeren Strecken der Verbrennungsmotor anspringt. Darüber hinaus locken seit Anfang des Jahres steuerliche Vorteile für Plug-in-Hybride, wenn sie mindestens 40 Kilometer weit kommen und nicht mehr als 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen.

Ganz anders sieht der Markt in Norwegen aus, dem Spitzenreiter in Sachen Elektromobilität in Europa: Dort beträgt der Marktanteil rund die Hälfte der Autos, was auf umfangreiche Föderungen und Steuererleichterungen zurückzuführen ist. Ein Stromer ist dort günstiger zu haben als ein Auto mit Verbrenner. Auch die Ladeinfrastruktur ist in Norwegen sehr gut ausgebaut und der Strom stammt hauptsächlich aus emissionsfreien Wasserkraftwerken. In Sachen Verkaufszahlen ist jedoch China der größte Markt: Dort beträgt der Marktanteil der Stromer zwar "nur" 4,6 Prozent, 2018 wurden jedoch erstmals über eine Million Fahrzeuge zugelassen.

Der Absatzsieger bei den E-Auto-Modellen in Deutschland ist Renault mit dem Zoe, von dem 2018 über 6.000 Fahrzeuge zugelassen wurden - inzwischen sind es fast 18.000 auf Deutschlands Straßen. Auf Platz 2 findet sich der e-Golf von Volkswagen (5.743 Zulassungen), gefolgt vom Smart EQ Fortwo (4.304 Zulassungen). Der Elektroauto-Pionier Tesla erreicht hierzulande nur Platz 9 mit dem Model S. Bei einem Einstiegspreis von 72.000 Euro nicht weiter verwunderlich, zumal die Förderung von E-Autos beim Tesla flachfällt. Fairerweise sollte man erwähnen, dass das neue Model 3 erst ab 2019 auf den deutschen Markt kam und sich voraussichtlich besser verkauft. Dennoch wird es knapp für Tesla, da auch die deutschen Hersteller nachziehen und für dieses Jahr neue Modelle angekündigt haben.

Service ist Verlierer der E-Mobilität

Aus Sicht der Servicebetriebe lautet die spannendste Frage im Zusammenhang mit der Elektromobilität: Gibt es bei Elektroautos künftig für Werkstätten überhaupt noch etwas zu tun? Bei den rein batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen zeigt schon der Blick unter die Haube: Nix los. Außer dem kompakten Elektromotor, einem Getriebe und einigen Steuergeräten ist nicht viel da, was man reparieren oder warten müsste. Die Bremsen verschleißen deutlich weniger, weil der Motor zur Rückgewinnung von Energie mitbremst. Reine Stadtfahrten kann man durch geschickte Nutzung der Rekuperation fast ohne Bremspedal erledigen. Ölwechsel, Steuerkette, Turbolader, Ölfilter - künftig wird es diese Verschleißteile nicht mehr geben.

Vor wenigen Wochen verkündete Tesla, dass die jährlichen Serviceintervalle abgeschafft werden. Der Grund: Die Autos verschleißen weniger als man dachte. Der Hersteller gibt an, dass 90 Prozent der Probleme per Ferndiagnose erkannt und Reparaturen über Softwareupdates erledigt werden könnten, die Over-the-Air, also per Datenübertragung, erfolgen. Daher sollen Kunden nur noch in die Werkstatt, wenn es nötig ist. Allerdings empfiehlt der Hersteller die Bremsflüssigkeit alle zwei Jahre prüfen zu lassen. Im Voraus bezahlte Wartungspläne soll es aber nicht mehr geben. Gleichzeitig will Tesla den mobilen Service mit Servicemobilen ausbauen. Das Motto lautet: Der Service kommt bei Bedarf zum Kunden und nicht umgekehrt.

Der ZDK hat genauer untersucht, wie sich die neuen Antriebe auf die Umsatzsituation in der Werkstatt auswirken. Es wurde anhand von 15 ausgewählten Fabrikaten verglichen, wie sich sowohl Arbeitswerte als auch Ersatzteileumsatz bei der "Großen Wartung" darstellen, die in der Regel nach vier Jahren oder 60.000 Kilometern durchgeführt wird. Zusätzlich zu den gängigen Positionen wie dem Tausch von Kraftstoff- und Innenraumfilter, dem Ölwechsel inklusive Ölfilter und diversen optischen Prüfungen sind auch die Positionen Bremsflüssigkeitswechsel und Tausch der Zündkerzen berücksichtigt, da diese bei den meisten Fabrikaten ebenfalls zur Großen Wartung gehören. Verglichen wurden Verbrennungsmotor, Hybridantrieb und batterieelektrisches Fahrzeug. Das Ergebnis: Hybridautos sind gut für die Werkstatt - Batteriestromer sind ein Desaster.

76 Prozent weniger Teileumsatz

Schaut man auf die Arbeitswerte, so fallen beim Hybridauto durchschnittlich sogar rund 13 Prozent höhere Arbeitswerte an als beim vergleichbaren Verbrenner. Beim Elektroauto mit Batterie fällt der Wert dagegen um 30 Prozent niedriger aus als beim Verbrenner. Der Blick auf die Umsätze für Ersatzteile ist da nicht beruhigender: Liegt beim Verbenner der Ersatzteileumsatz bei durchschnittlich 260 Euro, sind es beim Hybrid nur noch 203 Euro und beim Elektroauto sogar nur noch 61 Euro, die die Werkstatt für Verschleißteile in Rechnung stellen kann. Anders gesagt: Bei batterieelektrischen Autos verliert die Werkstatt etwa 200 Euro Ersatzteileumsatz im Vergleich zum Verbrenner. Der einzige Trost: der ZDK geht davon aus, dass im Jahr 2025 der Verbrenner immer noch die dominierende Antriebsart sein wird. Hybridautos und Elektrofahrzeuge werden demnach nur einen Anteil von 20 Prozent in der Gesamtflotte ausmachen.

Laut einer umfassenden Untersuchung von UBS Investment Research aus dem Jahr 2017 könnte der klassische Aftermarket bis 2030 durch die Elektromobilität deutlich schrumpfen. Bei einem Elektroauto sinkt laut UBS der Aftersalesumsatz um 400 US-Dollar pro Jahr und Fahrzeug oder 60 Prozent im Vergleich zu einem Verbrenner. Konkret wurden die Servicekosten eines Chevrolet Bolt (BEV) mit denen eines VW Golf (Verbrenner) vergleichen. Inklusive Teile, Flüssigkeiten und Arbeitszeiten stehen 610 Dollar jährliche Servicekosten beim Golf gegen nur noch 255 Dollar beim Chevy Bolt. Kein Wunder: beim Bolt umfasst der Antriebsstrang gerade mal 24 bewegliche Teile im Vergleich zu 149 Teilen beim Golf. UBS geht davon aus, dass in Europa der Anteil der Elektrofahrzeuge bei den Neuzulassungen 2030 bereits bei 30 Prozent liegen dürfte.

Anlässlich einer Veranstaltung zur E- Mobilität präsentierte der Hersteller Kia Zahlen aus dem eigenen Aftersalesbereich. Vergleicht man die Wartungskosten eines Kia Soul in den Varianten Benziner, Diesel und E-Motor, so liegen die Kosten inklusive Lohn und Teile des Elektroautos mit 800 Euro nach sieben Jahren bei gerade einmal der Hälfte im Vergleich zum Benziner (1.600 Euro). Interessant: Auch der Diesel ist mit etwa 1.000 Euro Wartungskosten vergleichsweise verbraucherfreundlich. Kia hat ausgerechnet, dass der vollständige Ersatz von Diesel- und Benzinern durch reinelektrische Autos gut ein Fünftel (21 Prozent) der Mitarbeiter im Service überflüssig machen würde. Schlechte Zeiten für Schrauber. Man kann es aber auch so sehen: Laut den meisten Prognosen fahren 2025 immer noch 75 Prozent aller Autos mit einem Verbrennungsmotor.

Kurzfassung

Die Automobilindustrie wird die Elektromobilität massiv ausbauen, um die Vorgaben für CO2-Emissionen zu erreichen. In der Praxis gibt es noch viele Hindernisse. Servicebetriebe verdienen am Elektroauto so gut wie nichts.

Prof. Dr. Martin Winter - MEET Batterieforschungszentrum Uni Münster

asp: Herr Winter, VW hat sich klar zur batteriebetriebenen Elektromobilität bekannt. Sind die Brennstoffzelle oder synthetische Kraftstoffe keine Alternativen?
M. Winter: Wenn das Budget beschränkt ist, ist es vorteilhaft sich auf eine Technologie zu fokussieren und nicht zu versuchen alles ein bisschen zu machen. Die Lithium-Ionen-Batterietechnologie ist am weitesten entwickelt und hat den höchsten Wirkungsgrad, deswegen sollte man sich in näherer Zukunft auf diese Technik konzentrieren. Natürlich wäre es schön, einen alternativen Energieträger zu haben, der so leicht und schnell zu tanken ist wie Benzin. Hier muss man aber effizientere Wege finden als bisher.

asp: Eignet sich überschüssiger grüner Strom für die Produktion von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen?
M. Winter: Da müsste man sehr viel Überschussenergie haben, die man aber momentan auf Dauer noch nicht hat. Man darf nicht vergessen, dass bei der Produktion von Wasserstoff durch Strom mehrere Umwandlungsschritte erforderlich sind. Wasserstoff lässt sich nur sehr ineffizient herstellen und im Vergleich zur Batterie auch eher ineffizient in der Brennstoffzelle verstromen. Bei synthetischen Brennstoffen liegen wir sogar nur bei 10 bis 15 Prozent Gesamtwirkungsgrad.

asp: Braucht Deutschland eine Batteriezellen-Produktion?
M. Winter: Die Absicherung der Wertschöpfungskette bedingt, dass wir alle deren Segmente bedienen und auch die Zellfertigung beherrschen. Sonst kann es passieren, dass Asien uns bald bei den Endprodukten überholt. In der portablen und Unterhaltungselektronik ist das schon passiert, für den Erhalt des Automobilbaus und auch anderer batterieabhängiger Industrien müssen wir vorsorgen. Wenn wir nur zehn Prozent des Marktes der Zellfertigung beherrschen, könnten wir die Technologie vor Ort weiterentwickeln und es ließen sich daraus leicht 50 Prozent Marktanteil machen, wenn notwendig. Die Elektrifizierung ist nicht mehr aufzuhalten. Wenn wir in Deutschland keine Elektroautos bauen, werden es andere machen. Wir müssen uns an die Spitze der Bewegung setzen, um auch mitgestalten zu können.

asp: Was steht Ihrer Meinung nach der batterieelektrischen Mobilität noch im Wege?
M. Winter: Alles ist wichtig, aber ich sehe die größten Hemmnisse momentan bei der Infrastruktur. Wenn wir die Energiewende mit erneuerbarer Energie umsetzen und dafür das Stromnetz ausbauen müssen, ist es sinnvoll, auch gleich die Ladeinfrastruktur mit auszubauen, denn dann halten sich die Kosten in Grenzen. Mit Blick auf die Batteriezelle gibt es drei große Bereiche, die wir beherrschen müssen. Wir müssen die Kosten für die Elektromobilität senken, wir müssen aber gleichzeitig die Reichweiten erhöhen und wir müssen dafür sorgen, dass diese Reichweiten schnell geladen werden können.

asp: Sind mit der aktuellen Lithium-Ionen-Batterietechnik noch große Sprünge bei der Reichweite drin?
M. Winter: 40 bis 50 Prozent mehr Reichweite lassen sich zukünftig realisieren; das ist absehbar. Und das ist nicht nur eine Frage neuer, verbesserter Lithium-Ionen-Zellchemien, sondern auch die Batteriepacks und Autos ließen sich noch leichter machen und das Batteriemanagement vereinfachen, beispielsweise durch leichtere Kühlmittel und leichtere Gehäuse. 1.000 Kilometer Reichweite werden wir aus heutiger Sicht aber auch mit der besten Lithium-Ionen-Technologie nicht bei vertretbarem Batteriegewicht erreichen können.

asp: Was ist mit den Nachfolgetechnologien?
M. Winter: Lithium-Metall-Batterien könnten bei gleichem Gewicht nochmal 30 bis 40 Prozent mehr Reichweite ermöglichen, da sie leichter sind als die aktuelle Lithium-Ionen-Technologie. Diese Technologie ist bisher sicherheitstechnisch schwer beherrschbar, weil sie mit den üblichen flüssigen Elektrolyten sehr reaktiv ist. Man glaubt nun, mit einem festen Elektrolyten das Problem in den Griff zu bekommen, Stichwort Feststoffbatterien. Das ist eine Wette auf die Zukunft, ob es funktioniert. Generell ist es aber zu hinterfragen, ob denn der Ausbau des öffentlichen Verkehrs nicht die sinnvollere Variante wäre, um lange Strecken ab 500 bis 600 Kilometer zurückzulegen oder ob Stromüberleitungen über den Autobahnen eine Option wären.

asp: Was tut sich im Bereich der Schnellladung?
M. Winter: Bis 2025 werden die Batterien in Elektroautos stetig in ihrer Kapazität wachsen. Hier müssen wir schauen, dass wir die Ladezeiten stabil halten und sogar runterkriegen. Batterien mit hoher Reichweite bei gleichzeitig schneller Lademöglichkeit sehe ich als Herausforderung, besonders mit der aktuellen Ladeinfrastruktur. Die zukünftigen Batteriezellen muss man anders laden, möglicherweise per Induktion und kontinuierlich über Oberleitungen. Durch höhere Spannungen wäre es immerhin möglich, dass weniger Strom durch die Leitung muss, um die Leistung zu halten und weniger Kühlung beansprucht wird - was beispielsweise mit der 800-Volt-Technologie gemacht wird. Wir wissen aber nicht, ob die Leistungselektronik und die Batterie das auch über einen längeren Zeitraum aushalten. Bei der Schnelllade-Fähigkeit gibt es noch viel zu erforschen und zu entwickeln.

asp: Sind Elektroautos wirklich grün?
M. Winter: Es ist richtig, dass die Herstellung von Batterien für Elektroautos bzw. der Elektroautos sehr energieintensiv ist, und wenn sie hauptsächlich in Ländern produziert werden, die Kohlestrom nutzen, auch emissionsintensiv. Je größer die Batterie wird, desto größer ist dieser "CO2-Rucksack". Bevor das Elektroauto auf die Straße kommt, hat es dadurch einen größeren CO2-Footprint als ein Verbrennerauto. Über die Lebensdauer lässt sich das jedoch abfangen, wenn das Auto mit Ökostrom geladen wird. Wir müssen auch den Herstellungsprozess der Batterien und Fahrzeuge grüner gestalten sowie den Recyclingprozess optimieren. Momentan lassen sich 50 bis 60 Prozent der Batteriekomponenten recyceln, in Zukunft werden bis zu 80 Prozent möglich sein.

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