Es ist Showtime in Shanghai und die gesamte Autowelt schaut mal wieder nach China. Während die PS-Messen rund um den Globus an Bedeutung verloren haben, ist hier mal wieder die Hölle los. Schließlich ist das Reich der Mitte längst die größte Automobilnation der Welt und allem westlichen Krisengejammer zum Trotz stehen die Zeichen hier weiter auf Wachstum.
Allerdings ist das nicht mehr für die Importeure reserviert, die den Mega-Markt über Jahrzehnte dominiert haben. Das Gros der bald 30 Millionen Neuzulassungen im Jahrwollen sich die Chinesen selbst sichern, auch wenn sie dafür ihren Dschungel von über 100 Marken ein bisschen lichten müssen. Viele vermeintliche Shootingstars der letzten Jahre sind diesmal schon nicht mehr dabei.
Auto Shanghai 2025 - Impressionen

BYD, Nio, Geely, Chery spielen groß auf
Aber viele Namen, von denen bei uns vor fünf oder zehn Jahren noch keiner etwas gehört hatte, sind gekommen, um zu bleiben und überstrahlen mit ihren Neuheiten die Show: BYD, Nio, Geely, Chery, Great Wall Motors oder Zeekr, GAC und FAW, SAIC oder Honqui und dazu Zulieferer wie Huawei oder CATL, die keine strauchelnden Riesen sind wie Bosch oder ZF sondern adoleszente Aufsteiger auf dem Weg zum Industriegiganten. Wo man hinschaut in Shanghai, sieht man Serienmodelle und Studien, die seriös und souverän mit einem eigenständigen Design überzeugen und mit technischen Eckdaten, bei denen den Europäern die Ohren schlackern.
Das beginnt bei der Ladeleistung, die dank Architekturen mit bis zu 1.000 Volt Batteriespannung mittlerweile in den Megawattbereich klettert, so dass der Strom für 500 Kilometern bisweilen unter fünf Minuten fließen kann. Wenn denn nicht stattdessen gleich der Akku getauscht wird, was immer mehr Marken favorisieren. Das geht über Reichweiten, die mal mit und mal ohne Verbrenner als Range Extender ins Vierstellige gehen.
Und das gipfelt in Leistungs- und Beschleunigungswerten, bei denen selbst Porsche & Co um ihre Vormachtstellung auf der Überholspur fürchten müssen. Vierstellige PS-Zahlen und Sprintzeiten unter 3 Sekunden sind selbst für schnittige Limousinen oder klobige SUV keine Seltenheit mehr und Sportwagen wie der Xiaomi SU7 ultra pulverisieren gerade einen Rundenrekord nach dem anderen.
Automesse Shanghai: Martialisches aus China
Die Stars aus Shangai kommen dabei aus allen Klassen und Segmenten: Staunend stehen vor allem die westlichen Messegäste vor unzähligen mehr oder minder futuristischen Vans, die meist als geräumige Luxuslounges oder rollende Fernsehzimmer das Comeback der Raumfahrt einleiten wollen. Es gibt Dutzende neuer, erschreckend erwachsener und ernsthafter SUV vom rustikalen Chery iCar oder dem MG Cyber X und natürlich dem Smart #5 für die erweiterte Kompaktklasse über den Aito M9 bis hin zur XXL-Version des Yangwang U8 am oberen Ende der BYD-Familie oder dem martialischen Dongfeng Warrier.
Limousinen wie der BMW i5 oder die Maybach S-Klasse verblassen neben Stromern wie dem BYD Ocean S, dem Maextro S800 oder natürlich den Prunkschiffen von Hongqi, die im Zeichen der Roten Fahne an Maos Parade-Landaulets erinnern und heute jedem Rolls-Royce Phantom die Schau stehlen. Und während alle Welt noch über Micro-Cars mit Plüsch-Ohren lacht oder über die Käfer-Kopie Ora Ballet Cat, zeigt und Nio mit seinem Ableger Firefly, wie man einen smarten Stadtflitzer unter Strom setzt. Dagegen sehen Mini & Co fast altbacken aus, von der antiquierten Technik ganz zu schweigen.
Deutsche Hersteller wieder etwas vitaler
Und wo man noch vor zehn Jahren amüsiert den Kopf geschüttelt hätte angesichts der vielen Flugautos, die das weite Feld der Studien dominieren, verkneifen sich selbst Skeptiker diesmal das Lachen. Denn zu oft sind sie von den Chinesen bereits eines Besseren belehrt worden, weil scheinbar Unmögliches am Ende plötzlich doch möglich wurde.
Zwar manifestieren die Chinesen in Shanghai einmal mehr ihre Überlegenheit. Und da ist von wenig messetauglichen Errungenschaften wie dem hochautomatisierten Fahren bis ins Gewühl der Großstädte noch gar nicht die Rede. Doch statt wie in den letzten Jahren in eine Schockstarre zu verfallen und dem Aufstieg der neuen Weltmacht tatenlos zuzusehen, wirken vor allem die deutschen Hersteller wieder etwas vitaler und froh der Hoffnung: Sei es der Zweckoptimismus, weil Amerika als Alternative in Zeiten des Zollchaos wackelt, oder weil sie es wirklich verstanden haben: Bis auf Porsche drehen in China plötzlich alle Deutschen wieder am großen Rad.
Neue Marke AUDI in China
So umgarnt Mercedes die Besserverdiener nicht nur mit einer wie üblich etwas gestreckten Version des neuen CLA, der mit Reichweite, Ladeleistung und Autopilot endlich wieder auf Augenhöhe fährt mit der lokalen Konkurrenz. Die Schwaben nehmen als erste auch den nachhaltigen Trend zum Nobelvan auf und machen die nächste Generation der V-Klasse mit einem überfälligen Raumgleiter auf Maybach-Niveau schmackhaft, der seine Nähe zur S-Klasse schon mit dem Typenkürzel VLS unterstreicht und womöglich sogar wirklich noch zum Maybach geadelt wird.
BMW hofft im Ringen mit BYD & Co auf die vorauseilende Strahlkraft der Neuen Klasse und zeigt dafür noch einmal die wichtigsten Studien auf dem Weg zum neuen Hoffnungsträger und die Schwestern VW und Audi fahren in Kooperation mit ihrem chinesischen Partner SAIC gleich ganz groß auf: So erfinden sich die Herren der Ringe mal eben neu, lancieren – mit Großbuchstaben und dafür ohne Ringe, ohne den Muff der einzigen Funktionärsmarke und sogar ohne den ledigen Single Frame Grill – die jugendliche Schwester „AUDI“ und schicken dafür schon mal den im China-Style gezeichneten E5 Sportback mit Riesen-Reichweite, Highspeed-Laden und endlich mal einem modernen Interieur ins Rennen.
VW zeigt Autos für China
Und VW zeigt als Vorboten von über 30 neuen China-Modellen in den nächsten zwei Jahren gleich drei neue ID-Studien, die diesmal aber wirklich den lokalen Vorlieben folgen sollen. Das gilt nicht nur fürs Design und die Elektronik-Ausstattung mit künstlicher Intelligenz und humanoiden Avataren, sondern auch für die Technik unter dem Blech – denn anders als die antiquierten MEB-Modelle nutzen sie 800 Volt-Architekturen aus dem Reich der Mitte, und wo selbst der windschnittige ID7 nur mit Klimmzügen auf 700 Kilometer Reichweite kommt, fährt der ID.Era, einem in China mittlerweile arg populären Range Extender sei Dank, mühelos 1.000 Kilometer weit.
Die Messen bei Maos Erben haben nichts mehr mit der fast kolonialherrlichen Leistungsschau der Vor-Corona-Jahre gemein. Die Rollen sind mittlerweile vertauscht und aus den Lehrmeistern von einst sind wissbegierige Schüler geworden, die sich - mal direkt wie bei Audi und VW - und mal indirekt wie bei der Konkurrenz mit Partnerschaften und großen Entwicklungszentren China-Speed anschauen wollen und die Kompetenz für alles, was mit Elektroantrieb und Elektronik zu tun hat.
Globale Leistungsschau der PS-Branche
Doch anders als noch vor zwei Jahren ist das die Show kein Solo mehr für BYD oder Nio und die Pennäler aus der alten Welt stehen nicht mehr teilnahmslos in der Ecke, sondern haben beim Nachsitzen ordentlich gebüffelt und dürfen jetzt wieder mitspielen. Wenn auch nach neuen Regeln. Aber weil der Rest der Welt mit den Irrungen und Wirrungen aus Washington so langsam aus den Fugen gerät, sind sie endlich wieder mit ganzem Eifer bei der Sache.
Und weil auch die Japaner langsam wieder aufdrehen und selbst ein paar Amerikaner den großen Auftritt nicht scheuen, wird die Show in Shanghai so zu einer wirklich globalen Leistungsschau der PS-Branche, die nur so vor Kraft und Zuversicht strotzt und den Motor deshalb bis hart an den Begrenzer dreht.