Heute sind sie rar geworden, die schönen und schnellen Sitze unter der Sonne. Aber was wäre ein Sommer ganz ohne coole Cabriolets, und so werfen schon die ersten verführerischen Sonnenflitzer der Elektro-Ära ihre Schatten voraus, wie MG Cyberster, Mini Cabrio oder Polestar 6 zeigen. Ungefilterten Frischluftgenuss garantieren aber auch junge, gerade 30 Jahre alte Oldtimer: Der Sommer 1993 überraschte die Cabriofans mit einer Riesenwelle aus über 120 Open-Air-Modellen für Straße, Strand und Urlaubsgefühle. Vom klassischen Alfa Spider bis zum kuriosen Yugo Cabrio war alles dabei.
Kaum ein Wunsch blieb unerfüllt, vom kleinen Suzuki Swift bis zum königlichen Jaguar V12, vom Mercedes-G-Allradkraxler bis zur Faust im Nacken mit Chrysler-Viper-Signet, vom Toyota-T-Bar-Racer bis zum Porsche 911 Targa, vom kompakten Henkel-Cabrio mit VW-, Ford- oder Peugeot-Logo bis zum bayerischen Premium-Viersitzer war alles dabei. Wer die Hitzewellen der hochsommerlichen Monate genießen wollte, orderte keine Klimaanlage, die sogar in Oberklasse-BMW oder -Mercedes Aufpreis kostete. Wichtig war die freie Sicht zum blauen Himmel, Häkchen setzten Cabriofans vor allem bei den Optionen Cassetten- bzw. CD-Radio, damit auf dem Weg zu Strandbad oder Shopping-Mall Dr. Albans „Sing Hallelujah“ oder Lofts „Summer, Summer“ vom Mixed-Tape tönte. Im Autokino war es dann Whitney Houston, die im Blogbuster "Bodyguard" mit "I will always love you" Emotionen freisetzte, falls nicht gerade die Dinos aus "Jurassic Park" brüllten.
Ganz neue Töne kündigten sich ebenfalls an: Volkswagen präsentierte das Golf Cabriolet in frischer Generation und der weltweit meistverkaufte offene Viersitzer war wenig später (ebenso wie das Audi Cabrio) auch mit vernehmlich arbeitendem, dafür sparsamem Turbodiesel unter der Haube zu haben. Sparen war 1993 angesagt, denn die Inflationsrate stieg ebenso wie die Arbeitslosenzahlen, und die "Motzkis" aus dem Westen ärgerten sich über die Solidaritätssteuer, die zugunsten der neuen östlichen Bundesländer erhoben wurde. Trotzdem: Urlaub und Cabriolets gönnten sich die Deutschen. Schließlich gab es preiswerte Verdeckträger, die sogar in den schattigen Schluchten der Großstadt mehr oder wenig lang glücklich machten: Etwa die Bonsai-Roadster Suzuki Cappuccino und Honda Beat, das trotz Überrollbügels betörend schöne kleine Peugeot 205 Cabrio im Pininfarina-Dress, das berüchtigte Balkan-Cabrio von Yugo und der kleine Rover 114, beide mit einer Haltbarkeit wie Softeis, jede Menge Kit Cars und Umbauten von Karossiers, vor allem aber die kleinen Faltdach-Könige, etwa von Renault (Twingo) oder Mazda (121 Canvas Top).
Vor 30 Jahren: 120 coole Cabrios für heiße Sommertage
BildergalerieAuf dem Weg zum Produktions-Weltmeister in der Liga offener Zweisitzer befand sich dagegen der Mazda MX-5. Vernünftige Autos sahen anders aus als dieser knapp geschnittene, aufregend geformte und bezahlbare Roadster im Retrolook, der aber gerade deshalb von seinen Fans geliebt wurde wie kein anderes Auto und längst Ausdruck eines Lebensgefühls geworden war. Keine Überraschung, dass andere wie BMW (Z3), Fiat (Barchetta) oder MG (F) an Rivalen arbeiteten, vorerst aber boten nur Alfa Spider und Ford Capri Alternativen. Capri? Das war ein australischer Roadster mit soliden Mazda-Genen, den einige Händler auch hierzulande verkauften.
Ganz klassisch kamen dagegen weiter sturmdurchtoste Zweisitzer von den britischen Inseln nach Kontinentaleuropa. So Ginetta, Marcos, Reliant und TVR mit bunten Plastikkarosserien, MG mit nostalgischem RV8, Morgan mit seinen Roadstern im Vorkriegsdress, AC mit giftig-schneller Cobra, Caterham mit genial flachem Super Seven und Lotus mit dem Elan S2. Ascot-taugliches boten die royalen Labels Rolls-Royce, Bentley, Aston Martin und Jaguar. Während die Rolls-Royce-Manufaktur in Crewe weiterhin Corniche und Bentley Continental Convertibles lieferte, setzte Charles III., vor 30 Jahren noch Prince of Wales, eher auf die Noblesse von Aston Martin.
Seine damalige Ehefrau Diana, Princess of Wales, hatte sich gerade von ihrem Jaguar XJS V12 Cabrio getrennt, und provozierte die Briten stattdessen mit einem Mercedes SL der Baureihe 129. SL, diese sportliche schwäbische Vorzeige-Legende gab es nun auch mit feudaler V12-Power, wie sie Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner S-Klasse-Limousine goutierte. Tatsächlich waren geöffnete Limousinen (und Coupés) en vogue Anfang der 1990er Jahre, dies als feine Freizeit- und Familiencruiser ohne feststehenden Überrollbügel.
Konkurrenz hält jung
Die Baureihen BMW 3er (E30), Chrysler LeBaron und Saab 900 hatten es Mitte der 1980er vorgemacht und befanden sich nun auch in der Gesellschaft von Mercedes E-Klasse (W 124) und Audi Cabrio. Konkurrenz hält bekanntlich jung, und so erneuerte sich 1993 der BMW 3er (E36) und auch die Schweden kündigten eine neue Generation ihrer nordischen Windsbraut an. Flugs verpasste auch Daimler-Benz seinem gemeinsam mit Porsche entwickelten Cabrio ein Facelift und spreizte die Motorenpalette vom kleinen 100 kW / 136-PS-Vierzylinder bis zum furiosen E36-Sechszylinder mit 195 kW / 265 PS für Tempo 250.
Für Furore dank feiner Formen sorgte 1993 zudem das von Bertone eingekleidete und gebaute Opel Astra Cabriolet, das zu bürgerlichen Preisen bügelfreie Exklusivität vermittelte, wie sie bei VW Golf und Ford Escort fehlte. Dabei konnte VW- und Ford-Hauskarossier Karmann auch pure Schönheit: Bestes Beispiel war der Renault 19, der bis zum Debüt des Peugeot 306 als beliebtester französischer Verdeckträger in der Kompaktklasse reüssierte.
Apropos Verdeck: Da hatten die Oben-Ohne-Fahrer nun die Wahl zwischen Textildach, Hardtop, Panorama-Hardtop mit Fenster zum Himmel (Mercedes SL), Targa und T-roof. Letzteres zeichnete nicht nur US-Typen aus, sondern speziell schnelle Samurai wie Toyota MR-2, Honda CRX, Nissan 100 NX oder den Nissan 300 ZX Twin Turbo, der damit sogar dem Porsche 911 Targa Kunden abjagen sollte.
Noch mehr Cabrios von Porsche
Was dem Japaner nur in Amerika gelang, zudem hatte Porsche noch weitere freizügige Fahrmaschinen im Portfolio, die ohne Dach gewannen. Etwa das 911 Carrera Cabrio oder einen neuen 911 Speedster, für den Designer Harm Lagaaij die Signalfarbe "Speedgelb" kreierte. Und dann gab es noch den finalen Transaxle-Typ 968 als Cabrio mit gigantischem 3,0-Liter-Vierzylinder für Fahrleistungen, die Maserati Respekt abverlangten.
Ein blühender Strauß schneller Sonnenblumen zur Begrüßung von Wendelin Wiedeking, jenen neuen Vorstandschef, der den Sportwagenbauer aus der Rentabilitätskrise holte. Schneller und teurer textilfrei zur Sonne fuhren schon damals die bella macchina aus Maranello: 202.000 Mark kostete ein 348 Spider, 50 Prozent mehr als das ähnlich spurtstarke Geschoss 911 Speedster oder der neue Alfa RZ (Roadster Zagato). Ganz ungewohnt zurückhaltend gab sich Fiat 1993, was Sonnenbrand-Garantie zum kleinen Preis anging: Aber der neue Punto machte sich schon fertig für den kommenden estate italiana, und auch die Barchetta kam in Sicht. Heute starten die Helden des Sommers 1993 zu ihrer zweiten Karriere: Als heiße H-Kennzeichen-Kandidaten.
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