LPG-Nachrüstanlage
Wer den Namen Twintec hört, denkt zuerst an Rußpartikelfilter, Katalysatoren und Kaltlaufregler. Jetzt wird der Abgasspezialist aus Königswinter in der zweiten Jahreshälfte auch eine LPG-Nachrüstanlage anbieten.
Dass Twintec bereits seit Längerem an einem LPG-Nachrüstsystem arbeitet, ahnten bereits einige Branchenkenner. Ungewöhnlich ist dennoch der Zeitpunkt des Markteintrittes, denn der LPG-Nachrüstmarkt leidet zurzeit stark an einem schlechten Image. Zu häufig kam es in der Vergangenheit zu Motorschäden aufgrund dilettantisch eingebauter LPG-Nachrüstanlagen. Zahlreiche Medienberichte und Verbandsmitteilungen warnen daher bis heute vor LPG-Umrüstungen. Keine guten Voraussetzungen, um mit einer neuen LPG-Nachrüstanlage auf den Markt zu kommen „Wir kennen die Probleme auf dem LPG-Nachrüstmarkt“, sagt Stephan Klunker, Diplom-Ingenieur und Projektleiter bei der Twintec Technologie GmbH in Königswinter, „doch genau das ist unser Vorteil. Denn bereits vor, aber auch während der Entwicklung unseres LPG-Nachrüstsystems Twinfuel haben wir die technischen Probleme der gängigen LPG-Nachrüstanlagen genau analysiert und hierfür Lösungen erarbeitet. Unterstützt wurden wir dabei von einem der größten Entwicklungsdienstleister für Verbrennungsmotoren und Fahrzeugtechnik, der FEV Motorentechnik aus Aachen.“
Die auf der AMI im April dieses Jahres in Leipzig erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte Twinfuel-LPG–Nachrüstanlage verblüffte daher so manchen LPG-Spezialisten aufgrund ihrer durchdachten Konzeption. Auffälligstes Merkmal des Twinfuel-Systems ist, dass es im Gegensatz zu den meisten auf dem Markt erhältlichen Nachrüstsystemen, LPG nicht gasförmig, sondern flüssig in die Zylinder einspritzt. Bisher wurde dieses Prinzip nur von Vialle und ICOM angewendet.
„Flüssig einspritzende Gasanlagen haben gegenüber Verdampferanlagen wesentliche Vorteile“, erklärt Stephan Klunker. „Das flüssige Gas verdampft erst während des Einspritzvorganges und kühlt dabei die Ansaugluft stark ab. Dies bewirkt, dass das Luft-Gas-Gemisch eine höhere Dichte hat und der Brennraum effizienter gefüllt wird.
Bekanntes Grundprinzip
Das Twinfuel-System ist dabei sehr einfach aufgebaut und ähnelt einer herkömmlichen Benzineinspritzung. Der Druck des flüssigen Gases wird durch die im Tank installierten Turbinenpumpe und einer Druckreglereinheit in der Gaszuführungsleitung auf ca. 4 bar über Tankdruck (Tankdruck: ca. 8 bar bei 25 °C) gehalten. Somit wird die Gasblasenbildung, die zu Motoraussetzern führen kann, vermieden. Über elektromagnetische Gaseinspritzventile im Ansaugkrümmer gelangt das flüssige Gas schließlich in den Brennraum, wobei überschüssiges Autogas von hier über eine Rücklaufleitung und dem Druckregler zum Gastank zurückgeführt wird. Das Twinfuel-LPG-Steuergerät berechnet dabei die Gaseinspritzung sequentiell. Jeder Zylinder wird individuell mit flüssigem Gas versorgt und kann im Gasbetrieb die gleiche Energiemenge freisetzen wie mit Benzin.
„Bei der Entwicklung der Twinfuel-Anlage haben wir die bekannten systemimmanenten Fehlerquellen ausgeschaltet“, sagt Stephan Klunker. „So haben wir die oft verwendete Membranpumpe im Tank durch eine robustere Turbinenpumpe ersetzt.“ Hier handelt es sich um ein Großserien-Bauteil, welches für den LPG-Betrieb modifiziert wurde. Auch bei der Einspritzung greift Twintec auf bewährte Serientechnik zurück und verbaut spezielle LPG-Injektoren von Continental.
Ein bekanntes Problem, auf das Twintec ebenfalls reagiert hat, sind die an den Tankstellen angebotenen verschiedenen LPG-Gasgemische. Je nach Verhältnis von Butan zu Propan kommt es bis heute bei Verdampfer-, aber auch bei Flüssigphasen-Gasanlagen zu Abmagerungen oder Überfettungen mit den bekannten Folgen. Stephan Klunker: Als erste Nachrüstanlage auf dem Markt erkennt das Gassteuergerät der Twinfuel aktiv beim Umschalten von Benzin auf LPG und auch permanent während des Betriebes die LPG-Gemischzusammensetzung. Dies geschieht durch einen von uns zum Patent angemeldeten Algorithmus, der das LPG-Luftgemisch je nach Betriebszustand entsprechend nachregeln kann.“
Auch bei der Emissionsminderungsstrategie geht Twintec neue Wege. „Da die für den Benzinbetrieb vorgesehenen Lambdasonden, Querempfindlichkeiten auf das spezielle LPG-Abgas aufweisen, können systematische Abweichungen in der Lambda-Regelung im LPG-Betrieb auftreten. Würden wir dieses Signal im Gassteuergerät ohne Anpassung verwenden, könnte sich bei kritischen Fahrzeugen nach einigen Tausend Kilometern die MIL melden, wenn die Werte aus dem Toleranzbereich der Regelung laufen“, so Stephan Klunker.
Variable Gemischaufbereitung
Das Twinfuel-System erkennt und korrigiert die Abweichung zwischen den gemessenen und den realen Werten der für die Trimmung bzw. Langzeitadaption zuständigen Nachkatsonde. Zusätzlich wird speziell in der Warmlaufphase die Motortemperatur über einen eigenen Temperaturfühler überwacht. Der Fühler hat dabei nicht, wie bei anderen LPG-Anlagen, die Aufgabe, die Umschalttemperatur zu messen, sondern gibt indirekt Informationen über die Wandfilmkompensation (Kraftstoffkondensation an den Zylinderwänden). Das Gassteuergerät benötigt diese emissionsrelevanten Daten, um den Gemischzustand an die geänderten Bedingungen im LPG-Betrieb anzupassen. Eines der Hauptanliegen der Twintec-Ingenieure bei der Entwicklung des Twinfuel-Systems war auch die Einbau- und Servicefreundlichkeit. Die vorerst für alle VW (Audi, Seat und Skoda) 1, 6 l (BGU, BSE, 75 kW-Motor), Opel 1, 8 l- und Ford 1,6l -Motoren angebotenen Anlagen sind ECE-R 115 genehmigt und können nach Angaben von Twintec ohne Parametrierung/Kalibrierung des Gassteuergerätes aufgrund des hohen Vorfertigungsgrads innerhalb eines Arbeitstages zum Beispiel in den VW Golf V eingebaut werden („plug and play“).
Kostengünstiger Service
Auch bei der Wartung will Twintec neue Maßstäbe setzen. Die Serviceintervalle sind denen des Fahrzeugs angepasst und können so beispielsweise mit der HU kombiniert werden. Kommt es dennoch zu einer Störung, wird dies über eine eigene LPG-MIL-Leuchte angezeigt und auf Benzinbetrieb umgeschaltet. Bei einem sporadischen Fehler, der nicht sicherheitsrelevant ist, erkennt jedoch die Software des Gassteuergerätes diesen und kann ihn sogar über einen „Selbstheilungsmodus“ beheben, so dass sich die Anlage weiter fehlerfrei mit LPG bis zum nächsten Service betreiben lässt. Als besonderer Vorteil, insbesondere für freie Werkstätten, könnte sich bei der Wartung und Reparatur auch die uneingeschränkte OBD-2-Diagnose-Fähigkeit der Twinfuel-LPG-Anlage herausstellen. „Mit allen Standard-OBD-2-Scantools (z.B. Bosch oder Gutmann) lassen sich alle standardisierten Fehlercodes uneingeschränkt auslesen und löschen, ohne dass dabei teure Spezial-Soft- und Hardware benötigt wird“, sagt Stephan Klunker. „Erweiterte Diagnosefunktionen, wie Testen der Aktuatoren oder Anzei-gen von Istwerten, sowie Softwareupdates sind über ein zusätzliches spezielles PassThru-Device von Bosch möglich.“ Darüber hinaus plant Bosch ab 2011 über Softwareupdate die Twinfuel-Anlage in den ESitronic-Werkstatttestern als eigene Marke zu listen. Damit können die Fehlercodes zukünftig im Klartext angezeigt werden. Mit weiteren Herstellern von Werkstatttestern ist Twintec noch im Gespräch.
Twintec hat auf die Fehler der Vergangenheit reagiert und die häufigsten Fehlerursachen an LPG-Anlagen konsequent behoben. Durch zusätzliche Werkstatt-Schulungen will Twintec zudem Einbaufehlern begegnen. Ob sich die vielversprechende Anlage, die zu einem VK von 2600 Euro (inkl. Einbau und Steuern) angeboten wird, auch in der Praxis bewähren wird, kann aber nur die Zukunft zeigen. Twintec ist jedenfalls davon überzeugt und entwickelt und homologiert bereits weitere Pkw-Twinfuel-Anlagen. Marcel Schoch
- Ausgabe 6/2010 Seite 12 (403.1 KB, PDF)