Glas wird schon seit der Antike recycelt. Autoglas erst seit kurzem. Denn die Wiederverwertung zerbrochener Windschutzscheiben ist deutlich schwieriger als das Einschmelzen und Neuformen von kaputten Flaschen aus dem Altglas-Container. Nun hat die Autoindustrie einen Weg gefunden. Und folgt dabei einem generellen Trend zu mehr Kreislaufwirtschaft. Die Herausforderung beim Recycling von Autoglas besteht in den verschiedenen Materialien, aus denen sich eine moderne Scheibe zusammensetzt. Das Glas ist mit verschiedenen Kunststoffen und Tönungsfolien beschichtet und verklebt, was das Auftrennen in die einzelnen Bestandteile schwierig macht.
Und das durchaus mit Absicht, soll die Scheibe doch bei einem Unfall nach Möglichkeit zwar splittern, aber nicht in ihre Einzelteile zerbersten und die Insassen verletzen. Das Recycling wird dadurch allerdings kompliziert. Bisher werden nicht mehr reparierbare Autoscheiben, etwa Windschutzscheiben und Panoramadächer, vor allem für weniger anspruchsvolle Produkte verwendet, etwa für Flaschen oder in Dämmmaterialien. "Downcycling" nennt es der Fachmann, wenn das Material seine ursprüngliche Qualität bei der Wiederverwertung nicht erhält. Audi will das nun ändern: Ab sofort enthält die Windschutzscheibe beim Elektro-Crossover Q4 E-Tron bis zu 30 Prozent Rezyklatanteil.
Grundlage ist ein Verfahren, das der Autohersteller gemeinsam mit den Spezialisten Reiling Glas Recycling, Saint-Gobain Glass sowie Saint-Gobain Sekurit zur Serienreife entwickelt hat. Dabei werden die Autoscheiben in einem speziellen Prozess zunächst zerkleinert und anschließend in ihre Bestandteile zerlegt. Das dabei gewonnene Glasgranulat schmelzen die Partner ein und führen es dem Herstellungsprozess für automobiles Flachglas zu. Glasrecycling ist nur ein Beispiel für die zunehmenden Versucher der Autohersteller, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren.
Das soll zum einen helfen, die Klimabilanz in der Produktion zu verbessern – Audi etwa will ab 2025 an seinen Standorten zumindest bilanziell CO2-neutral arbeiten. Zum anderen treiben gesetzliche Auflagen, steigende Rohstoffkosten und Probleme bei der Verfügbarkeit die Entwicklung. Coronapandemie, Halbleitermangel und Ukraine-Krieg haben das Bewusstsein für die Vorzüge der Wiedernutzung von Material in der Industrie gestärkt.
Chemisches Recycling für gemischte Kunststoffabfälle
Die Ingolstädter arbeiten daher auch am chemischen Recycling für gemischte Kunststoffabfälle und führen seit 2017 Aluminium-Verschnitt wieder an die Lieferanten zurück. Auch die Wettbewerber entwickeln neue Recyclingverfahren. Mercedes etwa verwendet in seinen E-Limousinen EQE und EQS Kabelkanäle aus dem Kunststoffersatzmaterial UBQ, das aus Haushaltsabfällen wie Lebensmittelresten und Kunststoffverpackungen gewonnen wird. Aus den Altreifen eigener Fahrzeuge wird zudem Pyrolyse-Öl gewonnen, das in der Bauteilproduktion fossile Rohstoffe ersetzt. Premiere hat das Verfahren kürzlich bei den Bügeltürgriffen von S-Klasse und EQS gefeiert.
Gerade das sogenannte chemische Recycling – die Zerlegung von Kunststoffen in ihre chemischen Vorprodukte - ist in der Branche beliebt. Denn im Gegensatz zum mechanischen Recycling eignet es sich besonders für die Herstellung von Bauteilen, die hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen unterliegen.
Allerdings gibt es am chemischen Recycling auch Kritik. Umweltschützer sehen derartige Verfahren höchstens als Ergänzung. Sinnvoller wäre es ihrer Ansicht nach, Abfall nach Möglichkeit von vornherein zu vermeiden oder Bauteile direkt mit Fokus auf Wiederverwertbarkeit zu entwickeln. Das allerdings kostet am Ende mehr Geld – auch bei Audi, wo das Glasrecycling beim Q4 bislang auch nicht allein aus unmittelbaren wirtschaftlichen Überlegungen betrieben wird. Langfristig könnte es sich allerdings durchaus auch finanziell lohnen, den CO2-Aufwand in der Produktion zu drücken.