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Autoindustrie unter Druck: EU-Parlament für schärfere CO2-Grenzwerte

04.10.2018 08:30 Uhr
Auf lange Sicht: Eine Umweltorganisation meint, dass die meisten Autohersteller es schaffen, den CO2-Ausstoß drastisch bis 2021 zu senken. Einige müssen sich jedoch sputen, ihre Modelle sauberer zu machen.
Die Abgeordneten im EU-Parlament fordern eine Senkung der CO2-Grenzwerte um 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2020.
© Foto: stockWERK/Fotolia

Ein großer Teil der CO2-Emissionen wird von Fahrzeugen verursacht. Nun hat das EU-Parlament für deutlich schärfere Grenzwerte gestimmt. Ist das das Aus für Europas Autoindustrie? Oder ein längst überfälliger Schritt zur Klimarettung?

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Von Violetta Heise, dpa

Immer noch greifen die meisten Verbraucher beim Autokauf zu Modellen mit Verbrennungsmotor. Dem Klima zuliebe will die EU das ändern und mehr Fahrzeuge mit niedrigem oder gar keinem CO2-Ausstoß auf die Straßen bringen – also zum Beispiel E-Autos, solar- oder wasserstoffbetriebene Wagen. Ein Weg, dieses Ziel zu erreichen, sind schärfere CO2-Grenzwerte für Neuwagen.

Das EU-Parlament hat sich dazu am Mittwoch auf eine gemeinsame Haltung geeinigt. Die Abgeordneten fordern eine Senkung der CO2-Grenzwerte um 40 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2020. Damit strebt das Parlament ehrgeizigere Ziele an als die EU-Kommission und die Bundesregierung, die den Ausstoß um 30 Prozent drücken wollen.

Außerdem fordern die Abgeordneten, dass Autobauer bis 2030 mindestens 35 Prozent Autos mit geringem oder keinem CO2-Ausstoß verkaufen. Bevor neue Vorgaben verbindlich eingeführt werden können, muss sich das EU-Parlament aber mit den Mitgliedstaaten einigen. Die EU-Umweltminister wollen am 9. Oktober eine Position festlegen. Die deutsche Autoindustrie hofft nun auf weniger scharfe Vorgaben.

Rund ein Viertel der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der EU stammten zuletzt aus dem Transportsektor. Dabei kommt Autos und Lastwagen die Rolle der wichtigsten Klimasünder zu – weit vor Flugzeugen und Frachtschiffen. Laut dem Umweltausschuss des EU-Parlaments ist der Transportsektor der einzige Bereich, in dem der Ausstoß an klimaschädlichen Gasen wie CO2 in der EU weiter wächst – im Gegensatz beispielsweise zur Landwirtschaft oder zur Industrie.

In der politischen Diskussion geht es derzeit um neue flottenweite CO2-Grenzwerte für Neuwagen und Kleintransporter. "Flottenweit" – das bedeutet: Die Grenzwerte legen fest, wie viel CO2 die verkauften Neuwagen eines Autobauers im Schnitt ausstoßen dürfen. Für jeden Hersteller werden eigene Werte festgelegt. Wer vor allem schwere und große Autos produziert – wie viele deutsche Marken –, dessen Flotte darf auch mehr Kohlendioxid ausstoßen. Hauptsache, am Ende wird im Schnitt der europaweit festgelegte Grenzwert eingehalten. Die aktuelle Vorgabe bis 2021 liegt bei 95 Gramm pro Kilometer, der europäische Durchschnittswert liegt derzeit bei 118,5 Gramm. Eine weitere Senkung würde nach Vorstellung der EU-Abgeordneten Autohersteller verpflichten, mehr E-Autos an den Mann zu bringen.

Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Ismail Ertug, zeigte sich zufrieden. Damit könne das Klima geschützt werden, gleichzeitig könnten aber auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Europa behalten werden. Weniger enthusiastisch fällt das Urteil der Grünen aus: "Das Europäische Parlament zeigt sich verhalten ehrgeizig", erklärt die klimapolitische Sprecherin Rebecca Harms. Auch die Bundesregierung steuere auf Kurs der Autolobby. Aus Sicht der Umweltschutzorganisation BUND sind sogar mindestens 60 Prozent Reduktion bis 2030 technisch machbar und auch notwendig.

"Extrem aggressive" Ziele

Die Autohersteller schlagen wegen der angepeilten 40 Prozent Alarm. Die am Mittwoch abgestimmten "extrem aggressiven" Ziele zwängen die Industrie zu einer "dramatischen Umwandlung in Rekordzeit", erklärte der europäische Herstellerverband Acea. Arbeitsplätze seien in Gefahr. Außerdem fehlten bislang die Voraussetzungen für so viele Autos mit Batterieantrieb.

Deutsche Hersteller setzen darauf, dass sich in den Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission "Positionen durchsetzen werden, die durch Vernunft und Augenmaß geprägt sind". Aus Sicht von Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), setzt das EU.Parlament völlig unrealistische Ziele. Es ignoriere die technische und wirtschaftliche Machbarkeit: "Die Ziele werden in diesem Zeitraum nicht umsetzbar sein. Schon der sehr ambitionierte Vorschlag der EU-Kommission würde die Erreichung der EU-Klimaziele sicherstellen."

Ähnlich argumentiert Markus Pieper, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament. Die Abgeordneten seien bei der CO2-Senkung über das Machbare für die Industrie hinausgegangen: "Wenn (...) gleichzeitig mit Elektroquoten vorrangig nur ein Weg vorgeschrieben wird, nimmt die linke Seite den Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in Europa in Kauf."

Der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen in Europa ist laut der Europäischen Umweltagentur EEA 2017 leicht gestiegen. Probleme bereitet den Herstellern vor allem, dass Kunden vermehrt dem Diesel den Rücken kehren und auf Benziner mit höherem CO2-Ausstoß umsteigen. Umweltschützer zweifeln den Nutzen von CO2-Grenzwerten an. 

Unterdessen will auch Dänemark Autos mit Verbrennungsmotoren von den Straßen verbannen. Bis 2030 soll der Verkauf von rein diesel- oder benzinbetriebnen Neu-Pkw auslaufen, sagte Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen. Stattdessen sollen die Dänen auf Hybrid-, Elektro- oder sonstige emissionsarme Fahrzeuge setzen. In Norwegen soll ab 2025 keine Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotor mehr möglich sein. Belgien plant ein Aus ab 2030, Frankreich für 2040.

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