Die ersten hochautomatisierten Autos rollen nun auf öffentlichen Straßen: Bei Mercedes EQS und der S-Klasse übernimmt der Computer zeitweise das Steuer, Honda und Toyota lassen in Japan erste Modelle teilautonom fahren und VW will bis 2025 einen vollautomatisierten Roboter-Bulli auf den Markt bringen. Passend dazu will die Bundesregierung mit einer Gesetzesnovelle auch juristisch den Weg für das autonome Fahren frei machen.
Gleichzeitig frischt die Diskussion über die Sicherheit der Technik wieder auf, nachdem in den USA erneut ein Tesla im Autopilot-Modus verunglückt ist. Wo also steht das autonome Fahren aktuell? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wann und wie kommt das Roboterauto auf die Straße?
Automatisiertes Fahren (nach dem SAE-Level 3) ist technisch bereits möglich und dürfte in Kürze auch im öffentlichen Verkehr erlaubt sein. Pkw wie die Mercedes S-Klasse oder ihr E-Ableger EQS können dann zumindest zeitweise das Steuer übernehmen, während der Mensch sich anderen Aufgaben widmet und nur bei kritischen Situationen wieder ins Lenkrad greift. Wirklich autonom sind aber erst Autos, die auch ganz ohne Steuer oder Pedalerie auskommen und dauerhaft keine menschliche Hilfe benötigen (ab SAE-Level 4).
Anders als das Level-3-Fahren dürfte die Technik zunächst nicht im Privatwagen verfügbar sein, sondern erst einmal bei kommerziellen Dienstleistern, die sich den teuren Einsatz leisten können. "Im günstigsten Verlauf kann ich mir automatische Citytaxis und Kleinbusse schon in gut fünf Jahren vorstellen, die in ausgewählten Gebieten zu jeder Tages- und Nachtzeit Menschen fahren", prognostiziert etwa Christoph Stiller, Leiter des Instituts für Mess- und Regelungstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegenüber dem Science Media Center.
Etwas weniger optimistisch gibt sich Tobias Hesse vom Institut für Verkehrssystemtechnik am Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der einen Einsatz der Technik zunächst im Nutzfahrzeug-Sektor sieht: "Automatisierte Lkw auf Autobahnen sind ein Szenario, das in absehbarer Zeit Realität werden könnte. Vielleicht werden schon in zehn Jahren Lastkraftwagen ohne Fahrer unterwegs sein." Tendenziell dürfte die Technik zunächst in kleineren Schritten eingeführt werden, etwa in begrenzten Gebieten, nur zu bestimmten Zeiten oder in Verbindung mit einem Sicherheits-Fahrer. Erst langfristig werden die Fahrzeuge dann eine umfassendere Autonomie erreichen.
Was sind aktuell die größten Hürden?
Im Labor und auch in klar umrissenen Testsituationen auf öffentlichen Straßen funktioniert die Level-4-Technik bereits ganz ordentlich, wie diverse Pilotprojekte zeigen. "Beispielsweise können Erprobungsfahrzeuge heute mit Kameras, Lidar- und Radarsensoren die Fahrzeugumgebung erkennen und andere Verkehrsteilnehmer oder Autos mit hoher Zuverlässigkeit wahrnehmen", fasst Stiller den Stand der Technik zusammen. Doch es gibt noch Potenzial für Verbesserungen: So müsse vor allem die Zuverlässigkeit der Wahrnehmung verbessert werden.
Dabei stellen auch unterschiedliche Umwelt- und Verkehrsbedingungen eine Hürde dar. Probleme mit der Zuverlässigkeit sieht auch Philipp Slusallek, Wissenschaftlicher Direktor Simulierte Realität am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken: "Die größte technische Herausforderung liegt aktuell darin, dass wir für entsprechende KI-Systeme bisher nicht in der Lage sind, Garantien über ihr korrektes Verhalten beziehungsweise dessen Grenzen anzugeben."
Das führe dazu, dass die Firmen zwar prinzipiell autonom Fahren können, sie aber hohe Risiken in Kauf nehmen müssten, wenn dann doch Unfälle passieren. Dadurch kann schnell die komplette Branche in Verruf geraten. So bremsten viele große Unternehmen nach dem tödlichen Uber-Unfall im Jahr 2018 in Arizona die Weiterentwicklung der Technik, viele kleinere Firmen gingen in der Folge Pleite. Und auch die immer wieder auftretenden Autopiloten-Unfälle mit Tesla-Autos werden in der Öffentlichkeit kritisch wahrgenommen.
Wer wird der wichtigste Spieler auf dem Markt?
Aktuell kämpfen drei große Blöcke um die Dominanz auf dem möglichen Zukunftsmarkt: Die deutschen und europäischen Autohersteller, die amerikanischen IT-Riesen (allen voran Google-Schwester Waymo) und – als eine Art Zwitter aus beiden – die E-Mobilisten von Tesla. Die jeweiligen Ansätze sind verschieden, wie Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der Technische Universität München darlegt: "Während sich amerikanische Unternehmen eher als Softwareunternehmen verstehen, agieren europäische Unternehmen als klassische Automobilhersteller."
Ihr Fokus liege traditionell auf dem hochautomatisierten Fahren (SAE-Level 3) als Komfort-Feature für Autokäufer, wohingegen etwa Google-Schwester Waymo ein Level-4-System anstrebe, das sich eher an der kommerziellen Nutzung durch Mobilitätsdienstleister orientiert. Das aktuelle Sensorsetup von Tesla, das vor allem auf eine ebenso intelligente wie günstige Videokamera setzt, eigne sich nach Einschätzung der Fachwelt nur für das Fahren auf Level 2 – kann also nicht viel mehr als beispielsweise ein aktueller VW Golf. Die Branche ist jedoch in ständiger Bewegung.
"Kürzlich erfolgte Unternehmensausgründungen deutscher Automobilunternehmen lassen auf eine zukünftig stärkere Software-Fokussierung schließen", sieht Lienkamp einen beginnenden Wandel auf dem Markt. Auch Slusallek sieht die Europäer nicht schlecht aufgestellt: "Wir sollten die deutschen Automobilfirmen nicht vergessen, die zwar deutlich zurückhaltender testen, aber auch durch große Forschungsprogramme und Kooperationen ein großes Know-How und breite Erfahrungen aufgebaut haben."
Tobias Hesse vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sieht insbesondere auch spezielle Chancen durch eine europaweite Zusammenarbeit. So sollten Vorhaben für deutschland- und europaweit skalierbare IT-Systeme wie Gaia-X und gemeinsame Datenräume verstärkt und genutzt werden