Der Präsident des Umweltbundeamtes (UBA), Jochen Flasbarth, hat eine Fristverlängerung für die deutschen Autobauer bei der Umstellung auf ein neues Klimaanlagen-Kältemittel gefordert. Unter der Voraussetzung, dass sie die Verwendung von CO2 als Kältemittel (R-744) zusicherten, sollte Herstellern bis Ende 2015 Zeit gegeben werden, diese Technik zur Serienreife zu bringen, forderte er. Ein Behördensprecher bestätigte am Freitag gegenüber asp-Online entsprechende Medienberichte.
Das UBA plädiert seit langem für die Einführung von R-744 als Kältemittel in Fahrzeugen, weil es ein deutlich niedrigeres Treibhauspotenzial als das umstrittene Kältemittel R-1234yf hat und zudem nicht brennbar ist. Die Behörde hatte schon vor einigen Jahren vor dem designierten Nachfolger von R-1234yf gewarnt. Die beauftragte Bundesanstalt für Materialwirtschaft (BAM) habe in Tests festgestellt, dass die Gefahr einer Freisetzung der hochgiftigen Flusssäure im Fall eines Fahrzeugbrands deutlich höher sei als bei dem jetzigen Kältemittel R-134a.
Die BAM selbst betonte allerdings im Oktober 2009 in einer Pressemitteilung, dass es keine Aussagen zur Gefährlichkeit von R-1234yf getroffen habe. "Die Beurteilung der Gefahren durch den Einsatz oder die Verwendung einer Substanz in einer technischen Anlage kann nicht nur auf der Grundlage einer einzelnen Versuchsreihe erfolgen", hieß es damals. Die vom UBA zitierten BAM-Untersuchungen seien "keine standardisierten Tests mit Pkw" gewesen, erklärte eine BAM-Sprecherin gegenüber asp-Online im vergangenen Herbst.
"Vorschlag entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage"
Das UBA wertet die Daimler-Tests vom September als Bestätigung seiner Bedenken gegenüber R-1234yf. Man habe sich eingehend mit dem Versuchsablauf beschäftigt und müsse davon ausgehen, "dass wir die Risiken sogar noch unterschätzt haben", sagte der Sprecher. Heftige Kritik an dieser Aussage kam vom FDP-Bundestagsabgeordneten Lutz Knopek. Das UBA unternehme "wieder einmal den Versuch, öffentlich Angst und Unsicherheit zu verbreiten, ohne dafür über eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage zu verfügen", sagte er am Freitag.
Ohnehin entbehre Flasbarths Vorschlag jeglicher Rechtsgrundlage, so Knopek weiter. Eine Fristverlängerung bedürfe der dreifachen Zustimmung des Europäischen Parlaments, der Mitgliedstaaten und der Kommission, die das alleinige Initiativrecht für ein solches Gesetzgebungsvorhaben habe. Die Kommission habe jedoch eine von Deutschland beantragte Fristverlängerung gerade erst abgelehnt. Zudem habe bislang kein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union Zweifel an der Sicherheit des Kältemittels R-1234yf geäußert. (ng)
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Ingo Rappold