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Das Auto im Metaverse: Auf zu neuen Welten

10.02.2023 08:07 Uhr | Lesezeit: 3 min
Die Autohersteller sind in der Lage, den Kunden und den Content-Anbietern die perfekte Bühne zu schaffen.
© Foto: Hyundai

Erst die elektrische Revolution, dann das autonome Fahren und jetzt auch noch das ominöse Metaverse: Als müsste die Autoindustrie nicht schon genug Veränderungen begegnen, zwingt sie der Fortschritt offenbar in neue Realitäten. Aber müssen die PS-Riesen eigentlich jeden Hype mitmachen?

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Psychedelische Welten auf der Windschutzscheibe oder schwebende 3D-Grafiken zwischen den Sitzen - als hätten die Autohersteller mit der Transformation der Antriebstechnik und dem Run aufs autonome Fahren nicht schon genug zu tun, müssen sie jetzt offenbar auch noch virtuelle Welten erobern und ihren Kunden neue, erweiterte Realitäten bieten. Und die auf der CES enthüllte BMW-Studie Vision DEE mit ihrem "Mixed Reality Slider" für die stufenweise Überlagerung der echten mit der virtuellen Realität oder das immersive Anzeige- und Bedienkonzept im gerade vorgestellte Audi-Showcar Active Sphere sind da nur der Anfang.

"Die Verschmelzung aus realer und virtueller Welt, die man häufig grob vereinfacht als "Metaverse" aus den Visionen des Facebook-Chefs Mark Zuckerberg bezeichnet, wird unseren Alltag und damit auch in das Auto starken Einzug erhalten – in verschiedenen Facetten und Ausbaustufen", ist Matthias Kempf überzeugt. Er ist Partner bei der Münchner Strategie- und Digitalberatung Berylls und sieht gleich mehrere Felder, auf denen die Vermischung von realer und virtueller Welt die Autoindustrie beeinflussen wird. Das beginnt – für den Kunden eher zweitrangig, für die Konzerne aber besonders wichtig – bereits bei der Entwicklung und Produktion der Fahrzeuge.


Das Auto im Metaverse

Das Auto im Metaverse Bildergalerie

Denn wo früher noch mit Ton modelliert, und am Reißbrett konstruiert wurde, entstehen Designs teilweise bereits mithilfe künstlicher Intelligenz weitgehend digital, die Konstruktion übernimmt der Computer und bevor der erste Roboter einen Schweißpunkt setzt oder eine Schraube dreht, werden auf virtuellen Montagestraßen Abläufe simuliert und von animierten Arbeitern in Serie gefertigt. "So werden Zeitabläufe dramatisch verkürzt, Kosten reduziert, Abläufe und die Qualität optimiert. Digitalisierung und 3D-Modelle aus der Produktentstehung haben auch einen hohen Nutzen in den Reparaturabläufen und den Servicebetrieb", skizziert Kempf.

Deutlich mehr Publikumswirkung haben natürlich der öffentliche Auftritt der Unternehmen und die digitale Präsenz in den virtuellen Welten. "Erst der Messestand und das Autohaus, dann die Zeitungsanzeige und die Webseite und künftig der Flagship-Store im Metaverse, so ändern oder erweitern sich die Kanäle, über die Hersteller und Kunde kommunizieren", sagt Kempf. Und dabei geht es nicht nur um neue die digitalen Anlaufstellen in der nächsten Generation des Internets, für die bereits viel Geld investiert werden. "Mittlerweile werden für virtuelle Grundstücke in virtuellen Welten bereits hohe Summen bezahlt," so der Berylls-Experte.

Veränderung der Kundeninteraktion 

Dabei ändert sich auch die Art der Kundeninteraktion. "Dank immersiver Technologie wird das digitale Erlebnis viel intensiver, informativer und vielschichtiger." Statt im Website-Konfigurator sein Fahrzeug mit Hilfe zweidimensionaler Fotos zusammenzustellen, wird man zukünftig dreidimensionale Modelle des Fahrzeugs begutachten können, die auch mit Hilfe von Explosionszeichnungen bis ins Detail erläutert werden. Statt über ein Chatfenster werden die Erläuterungen über Avatare auf dem virtuellen Beifahrersitz des animierten Testwagens gegeben, der gleich noch zur ersten Spitztour bittet.

"Und für manche Fahrzeugeditionen oder Neuanläufe wird es regelmäßig zum Verkauf "digitaler Unikate" kommen, mit Hilfe von NFTs – als digitale Ausdrucksform von Luxus und Exklusivität", spinnt Kempf den Faden weiter. Aus dem bisweilen lästigen Besuch beim Autohändler wird so wieder ein echtes Erlebnis, für das man weder vom Sofa aufstehen noch auf die Öffnungszeiten achten muss. "Das ist kein Trend, der für alle Käufersegmente und Marken gleich relevant ist. Aber gerade junge, zukünftige Kunden zeigen eine hohe Affinität zu den AR/VR-Technologien. Und wir stehen bei dieser Entwicklung erst ganz am Anfang."

Unkonventionelle CES-Studie

Einer, der bereits voll auf dieser Welle reitet, ist BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber. Die Zeiten, in denen er sich darüber gewundert hat, dass seine Kinder mit echtem Geld virtuelle Konzertkarten für digitale Shows animierter Künstler im Internet ausgegeben haben, sind jedenfalls vorbei. Erstens, weil das für ihn auch nichts anderes ist als die moderne Weiterentwicklung einer Hollywood-Fiktion fürs Kino. Und zweitens, weil er fest davon überzeugt ist, dass sich unserer Realitätsbegriff ins Virtuelle erweitern und der digitale Kosmos eben auch zum Lebensraum wird. "Wer da nicht mitmacht und präsent ist, der hat langfristig keine Chance", sagt Weber und rechtfertigt damit noch einmal die unkonventionelle CES-Studie, bei der die Freude am Fahren plötzlich ziemlich nebensächlich wirkt.

Aber Männern wie Weber geht es deshalb längst nicht mehr nur um passende Repräsentanz im Metaverse, um virtuelle Showrooms und neue, allumfassende Erlebnisse bei der Begegnung von Interessent und Marke in der nächsten Generation des Internets – von der dreidimensionalen Produktpräsentation mit Röntgenblick, die dem Interessenten das Auto per Mausklick in die heimische Auffahrt stellt, bis hin zur virtuellen Probefahrt auf den Traumstraßen oder Rennstrecken der Welt. Weber will neben der Firma auch die Produkte fit machen fürs Metaverse. Denn da stecken auch viele neue Einnahmequellen für die Autohersteller drin", sagt Marc Winterhoff, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger in Chicago.

Perfekte Bühne für immersive Erlebnisse

Denn die Autohersteller sind in der Lage, den Kunden und den Content-Anbietern die perfekte Bühne für diese immersiven Erlebnisse zu schaffen, ist der Experte überzeugt. "Weder das heimische Wohnzimmer noch das Büro und schon gar nicht die jeweilige Umgebung des Smartphones sind so exakt vermessen und dokumentiert wie der Innenraum des Autos." Die Hersteller kennen jedes Detail und jede Dimension. Sie wissen, wo und wie sich der Nutzer darin aufhält und was er gerade tut. Und sie wissen, in welchem Umfeld sich das Auto gerade mit welchem Tempo in welche Richtung bewegt. "All das können sie bei der Aufbereitung und Darbietung der VR-Inhalte berücksichtigen: eine ideale Bühne für das Metaverse", ist Winterhoff überzeugt.

Ein VR-Spiel wird um so besser, wenn es wie Audis Holoride die Bewegungsdaten des Autos in den Spielverlauf integriert. Virtuelle Meetings sind produktiver, wenn die Gesprächspartner nicht einfach auf dem Screen des Smartphones erscheinen, sondern als Avatare mit im Wagen sitzen, der dem Autopilot sei Dank zum Konferenzraum auf Rädern wird. Und wenn Federung, Klimatisierung oder Sitzmassage mit einbezogen werden, bedient ein Auto auch im Metaverse mehr Sinne, als es jedes andere mobile Device tun kann, ist der Roland Berger-Partner überzeugt. Während die Autohersteller bislang sogar für den Einsatz von Apple CarPlay & Co bezahlen müssen, können sie so künftig umgekehrt Geld von den Content-Anbietern verlangen, damit die ihre Inhalte ins Auto bringen dürfen. "Da ist in Zukunft womöglich viel zu verdienen – eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle, um schrumpfende Margen im Hardwaregeschäft, dem Auto, auszugleichen", glaubt Winterhoff.

Auswirkungen auf Autonutzung

Aber es geht nicht nur um eine neue Dimension von Unterhaltung und Information während der irgendwann mal autonomen Fahrt. Das Metaverse wird in Winterhoffs Augen auch die Art verändern, wie wir das Auto nutzen: Das beginnt bei Wartung und Reparaturen, die womöglich erst einmal am digitalen Zwilling in der virtuellen Welt absolviert und dann nur noch bei Over-The-Air-Update übertragen werden, so dass wir außer mit mechanischen Schäden keine Werkstatt mehr aufsuchen müssen, skizziert er die Zukunft im Metaverse. Und es endet womöglich bei der Bedienung, die auf völlig neue, virtuelle Mittel setzt. "Das Lenkrad wird uns wahrscheinlich noch eine Zeitlang erhalten bleiben, erst recht, wenn das autonome Fahren weiter auf sich warten lässt," Aber konventionelle Taster, Drehregler und Displays sind überflüssig, wenn die analoge und die digitale Welt verschmelzen und solche Elemente künftig nur noch bei Bedarf individuell und virtuell erzeugt werden.

Und der Audi Active Sphere ist dafür das beste Beispiel. Denn außer dem Knopf für den Warnblinker, einem kleinen Drehschalter für die Fahrtrichtung und einem Display klein wie Kaugummistreifen ist das Cockpit völlig leer. Selbst Lenkrad und Pedale verschwinden, wenn das Offroad-Coupé autonom unterwegs ist. Was der Fahrer sehen oder anfassen muss, blendet ihm eine Mixed-Reality-Brille direkt als 3D-Grafik ins Blickfeld und mit einfachen Gesten bewegt er sich durch diese Animationen. "Das eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten beim Design der Innenräume und erhöht die Freiheitsgrade dramatisch", schwärmen die Kreativen bei Audi.

Schwere Probe für Auffassungsgabe und Anpassungsfähigkeit der Autofahrer 

Testfahrten im Metaverse, Kaufabschlüsse beim Avatar im virtuellen Showroom, die Jungfernfahrt auf einer realen Straße, die das 3D-Kino auf der Frontscheibe vom heimischen Gewerbegebiet ins Gebirge bei Sonnenuntergang verlegt und das Lenkrad dabei genau wie die Mitfahrer nur noch eine Illusion – das Metaverse stellt nicht nur die Autohersteller auf eine schwere Probe, sondern auch die Auffassungsgabe und die Anpassungsfähigkeit der Autofahrer. "Aber keine Angst", gibt Roland Berger-Experte Winterhoff Entwarnung: "Auch diese neue Form der Realität kommt nicht über Nacht. Wie alle Trends ist das erst einmal ein großer Hype, dann folgt eine gewisse Ernüchterung und dann in kleinen Schritten die Umsetzung." Es werden also alle Beteiligten genügend Zeit haben, im Metaverse heimisch zu werden.

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